Soviel Kunstsinn hätten wir unserer Regierung gar nicht zugetraut: Da musste sich das Berliner Chaos-Kabinett mit einem der schwierigsten Werke der bundesrepublikanischen Postmoderne beschäftigen und hat es ohne Zögern gerettet. Das ist umso bemerkenswerter, als unsere Kanzlerin ja bis jetzt nicht gerade durch ästhetische Wegweisungen aufgefallen ist, aber in diesem Fall – alle Achtung! Sie hat mit unerhörter Sensibilität erkannt, welchen Gefährdungen die Chimäre des Berliner Stadtschlosses ausgesetzt wäre, wenn die Bauarbeiten wie geplant in knapp anderthalb Jahren beginnen würden.
Denn das Berliner Stadtschloss ist ein Hirngespinst der Sonderklasse. Seit dem Fall der Mauer hypnotisieren ein paar preußische Kultur-Promis den Rest der Republik mit der Vorstellung von der metaphysischen Notwendigkeit, dieses Gebäude wiederaufzubauen. Das Hickhack um die Art des Wiederaufbaus, um den Verwendungszweck des Hauses und um die Zwischennutzung der Umgebung entwickelte seine eigene Ästhetik und entpuppte sich als der wahre Wesenskern des Projekts. Das Stadtschloss ist ein Luftschloss und bereits als solches eine halbe Milliarde Euro wert. Es ist eine soziale Skulptur, ein Echoraum berlinischer Selbstüberschätzung und ein Kristallisationspunkt feuilletonistischen Dauergequassels – aber natürlich nur solange es nicht gebaut wird.
Nun drohte diesem erhabenen Zustand der Virtualität die baldige Beendigung durch Bauarbeiter und Betonfahrzeuge – oder anders gesagt: Vernichtung durch Verwirklichung. Die ganze postmoderne Irrealität dieses grotesken Architekturvorhabens wäre völlig zerstört worden, wenn nicht unsere Regierung zufällig keine halbe Milliarde Euro übrig gehabt hätte. Doch zum Glück wurde die unendliche Stadtschloss-Geschichte um mindestens vier Jahre verlängert: vier Jahre mehr Streit um die Gestaltung der Fassade, vier Jahre mehr Kontroversen zwischen Avantgardisten und Nostalgikern, vier Jahre mehr preußisches Gedröhn in jedem Winkel Deutschlands.
Das Stadtschloss, von dem niemand weiß, wozu es gut sein soll, ist im Zustande der Nichtexistenz zum wichtigsten Gebäude der Nation geworden; was die Bezeichnung Stadtschloss trägt, ist in Wirklichkeit ein Happening, ein Stück Konzeptkunst, eine surrealistische Politperformance. Das eigentliche Thema dreht sich um den Zeitbegriff: vergänglich ist der Bau, ewig ist der Traum. Und bekanntlich ist nichts haltbarer als ein Provisorium. Das Gerüst mit der Textilbespannung und dem gemalten Stadtschloss drauf, das an der magischen Stelle steht, antwortet satirisch auf Christos Reichstagsverhüllung; dort steckte immerhin ein Ruine unter den Tüchern, hier ist es das Nichts.
Johann Wolfgang Goethe schrieb in dem Zusammenhang kürzlich an Angela Merkel und Klaus Wowereit:
"So wie in Rom, außer den Römern, noch ein Volk von Statuen war, so gibt es außer der realen Welt noch eine Welt des Wahns, viel mächtiger beinahe, in der die meisten leben."
Denn das Berliner Stadtschloss ist ein Hirngespinst der Sonderklasse. Seit dem Fall der Mauer hypnotisieren ein paar preußische Kultur-Promis den Rest der Republik mit der Vorstellung von der metaphysischen Notwendigkeit, dieses Gebäude wiederaufzubauen. Das Hickhack um die Art des Wiederaufbaus, um den Verwendungszweck des Hauses und um die Zwischennutzung der Umgebung entwickelte seine eigene Ästhetik und entpuppte sich als der wahre Wesenskern des Projekts. Das Stadtschloss ist ein Luftschloss und bereits als solches eine halbe Milliarde Euro wert. Es ist eine soziale Skulptur, ein Echoraum berlinischer Selbstüberschätzung und ein Kristallisationspunkt feuilletonistischen Dauergequassels – aber natürlich nur solange es nicht gebaut wird.
Nun drohte diesem erhabenen Zustand der Virtualität die baldige Beendigung durch Bauarbeiter und Betonfahrzeuge – oder anders gesagt: Vernichtung durch Verwirklichung. Die ganze postmoderne Irrealität dieses grotesken Architekturvorhabens wäre völlig zerstört worden, wenn nicht unsere Regierung zufällig keine halbe Milliarde Euro übrig gehabt hätte. Doch zum Glück wurde die unendliche Stadtschloss-Geschichte um mindestens vier Jahre verlängert: vier Jahre mehr Streit um die Gestaltung der Fassade, vier Jahre mehr Kontroversen zwischen Avantgardisten und Nostalgikern, vier Jahre mehr preußisches Gedröhn in jedem Winkel Deutschlands.
Das Stadtschloss, von dem niemand weiß, wozu es gut sein soll, ist im Zustande der Nichtexistenz zum wichtigsten Gebäude der Nation geworden; was die Bezeichnung Stadtschloss trägt, ist in Wirklichkeit ein Happening, ein Stück Konzeptkunst, eine surrealistische Politperformance. Das eigentliche Thema dreht sich um den Zeitbegriff: vergänglich ist der Bau, ewig ist der Traum. Und bekanntlich ist nichts haltbarer als ein Provisorium. Das Gerüst mit der Textilbespannung und dem gemalten Stadtschloss drauf, das an der magischen Stelle steht, antwortet satirisch auf Christos Reichstagsverhüllung; dort steckte immerhin ein Ruine unter den Tüchern, hier ist es das Nichts.
Johann Wolfgang Goethe schrieb in dem Zusammenhang kürzlich an Angela Merkel und Klaus Wowereit:
"So wie in Rom, außer den Römern, noch ein Volk von Statuen war, so gibt es außer der realen Welt noch eine Welt des Wahns, viel mächtiger beinahe, in der die meisten leben."