Die betroffenen Athleten aus fünf Sportarten stammen aus sechs verschiedenen Ländern. Den betroffenen Sportlern droht der Ausschluss von den Sommerspielen im August in Rio de Janeiro. Die Öffnung der B-Proben steht noch aus. Mit ersten Sperren wird Anfang Juni gerechnet. Das IOC hatte bei den Nachkontrollen den Fokus auf Athleten gelegt, die noch in Rio an den Start gehen könnten.
Positive Nachtests zuvor auch aus Peking
"Die Nachtests zeigen erneut unsere Entschlossenheit im Kampf gegen Doping. Wir wollen keine gedopten Sportler in Rio de Janeiro. Darum handeln wir derzeit so schnell", wird IOC-Präsident Thomas Bach in der Mitteilung zitiert. Bach verwies auch darauf, dass er bereits eine Disziplinar-Kommission einberufen habe, die die volle Macht besitze, alle Entscheidungen im Interesse des IOC zu treffen.
Bereits am 17. Mai waren 31 Sportler aus sechs Sportarten und zwölf Ländern bei Nachttests von 454 Proben der Sommerspiele 2008 überführt worden. Wie das IOC nun mitteilte, wies eine weitere Probe von Peking Unregelmäßigkeiten auf. Am Dienstag hatte das russische Olympia-Komitee ROC erklärt, dass von den in Peking 2008 gedopt gestarteten Sportlern 14 aus Russland stammen. Davon sollen zehn Medaillengewinner sein, auch prominente Namen wie die spätere Olympiasiegerin von 2012 im Hochsprung, Anna Tschitscherowa.
Wie viele Athleten insgesamt positiv getestet wurden, ist allerdings nicht sicher. Nach Angaben des IOC seien bei einigen Sportlern sowohl Proben von Peking als auch von London untersucht worden. In allen 55 Fällen (32 aus Peking, 23 aus London) handelt es sich zunächst um die A-Probe der Athleten. Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sagte mit Blickt auf die Betrüger: "Sie können sich nicht sicher fühlen, auch wenn sie Mittel nutzen, die noch nicht nachweisbar sind. Sie können auch sehr viel später noch überführt werden. Wir unterstützen diesen bemerkenswerten Schritt des IOC voll und ganz."
Nachkontrollen könnten Russlands Sport zurückwerfen
Vor allem vor dem Hintergrund der weiteren wichtigen Entscheidungen vor Rio wären weitere Dopingfälle ein erneuter Rückschlag für den russischen Sport. Voraussichtlich am 17. Juni entscheidet der Weltverband IAAF in Wien über den Olympiastart der russischen Leichtathleten. Diese sind derzeit weiterhin suspendiert und dürfen in Rio nur antreten, wenn die IAAF den russischen Verband RUSAF wieder aufnimmt.
Die Chancen dafür sind allerdings in den vergangenen Wochen gesunken - vor allem wegen der massiven Vorwürfe gegen Russland bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014. Dort sollen nach Angaben des damaligen Leiters des Anti-Doping-Labors, Gregori Rodtschenkow, unter Mithilfe des Geheimdienstes angeblich über 100 Dopingproben russischer Athleten, darunter 15 Medaillengewinner, ausgetauscht worden sein.
Am Donnerstag vergangener Woche berief die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) Richard McLaren zum Chef der Untersuchungskommission. McLaren war bereits Teil des Komitees, das das organisierte Doping in der russischen Leichtathletik aufdeckte. Erste Ergebnisse soll es Mitte Juli geben. Selbst IOC-Präsident Thomas Bach schloss ein gesamten Ausschluss Russlands in Rio zuletzt nicht aus.
Dopingexperte kritisiert de Maizière
Genau den fordert der Doping-Experte Fritz Sörgel, zumindest für die Leichtathleten Russlands. Er erwartet aber auch ohne russische Läufer, Springer und Werfer verseuchte Wettkämpfe in Rio. "Es werden wieder Olympische Doping-Spiele, ohne dass es viele positive Tests geben wird. Dazu sind die Sportler und ihre Berater zu clever", sagte Sörgel im Interview mit der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.
Der renommierte Pharmakologe hofft auf eine harte Strafe für Russland: "Auf Staatsdoping muss reagiert werden. Nur das wäre anderen Ländern, in denen auch gedopt wird, eine Warnung." Gleichzeitig kritisierte Sörgel Bundesinnenminister Thomas de Maizière für dessen Forderung, deutsche Athleten müssten in Brasilien ein Drittel mehr Medaillen als 2012 in London gewinnen - damals waren es 44. "Wenn die Sportler diese Forderung ernst nehmen, ist es nicht nur eine Aufforderung zu dopen, sie werden dann sogar unter Druck gesetzt, dies zu tun. Diese Aussage ist völlig inakzeptabel."
(nch/tzi)