Kampf gegen den Abfall
Wie der Verpackungsmüll reduziert werden soll

Die Politik debattiert neue Regeln, um Müll zu vermeiden. Ein großes Problem ist der Verpackungsmüll. Umweltministerin Lemke will Supermärkte verpflichten, der Kundschaft Mehrwegangebote zu machen. Doch es gibt Gegenwind.

    Einweg-Plastikflaschen stehen in einem Supermarkt auf Paletten.
    Bundesumweltministerin Lemke hat zur Müllvermeidung vorgeschlagen, dass Supermärkte künftig pro Getränkesorte mindestens ein Produkt mit Mehrwegverpackung anbieten müssen. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Pro Jahr fallen in Deutschland insgesamt rund 400 Millionen Tonnen Müll an. Die Menge ist seit Jahren relativ konstant. Deutlich gestiegen sind allerdings die Siedlungsabfälle – also jener Müll, der in der heimischen Tonne oder in der Fußgängerzone landet. Die Menge nahm von 38 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 46 Millionen Tonnen im Jahr 2020 zu. Als ein Grund dafür gilt der Trend zu "To-go"-Produkten.
    Kommunales Abfallaufkommen in den Ländern der EU-27 im Jahr 2021 (in Kilogramm pro Person)
    Deutschland auf Platz 5: Kommunales Abfallaufkommen in den Ländern der EU-27 im Jahr 2021 (in Kilogramm pro Person) (Statista)
    In der aktuellen Debatte geht es um die Frage, welche Verpackungsarten umweltfreundlicher ist. In den 1980er-Jahren war das meist ein striktes Entweder-oder zwischen Einweg- und Mehrweg-Produkten. Heute steht stärker als früher auch die Frage zur Diskussion, ob und wie Mehrweg- und Einweg-Verpackungssysteme technisch und organisatorisch optimiert werden können.

    Inhaltsverzeichnis

    Was steht derzeit im Verpackungsgesetz?

    In den letzten Jahren sind die gesetzlichen Regeln für den Müll mehrfach geändert worden – etwa 2019 und 2021. Seit Anfang 2023 gilt zum Beispiel eine bundesweite Pflicht für Schnellrestaurants ab einer bestimmten Größe, eine Mehrwegverpackung anzubieten. Verbraucherschützer kritisieren, viele Anbieter hielten sich nicht an die neuen Vorgaben.
    Eigentlich soll der Anteil von Mehrweg laut Gesetz schon heute bei mindestens 70 Prozent liegen. Derzeit liegt er aber unter 50 Prozent. Die Bundesregierung will deshalb eine Pflicht zu Mehrwegverpackungen einführen. Und hat dabei vor allem die beiden großen Supermarktketten Aldi und Lidl im Blick, die bislang gar keine Mehrweggetränkeverpackungen anbieten.

    Was soll sich beim Verpackungsgesetz ändern?

    Das Bundesumweltministerium will mit einer Reform des Verpackungsgesetzes vor allem die Einwegverpackungen reduzieren. "Seit Jahren steigt der Verpackungsmüll in Deutschland, belastet die Umwelt und nervt die meisten Verbraucher", sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) Ende Juni 2023. Die Kunden sollten mehr Auswahlmöglichkeiten bekommen, welche Verpackung sie wollen. "Sie können sich in Zukunft bei Getränken im Supermarkt und Discounter auch für Mehrweg entscheiden. Außerdem erleichtern wir den Alltag der Verbraucherinnen und Verbraucher ganz konkret, indem diese ihre Mehrwegflaschen überall abgeben können, wo es Getränke gibt", so Lemkes Ankündigung.
    Verpackungsstruktur von Frucht- und Gemüsesäften in Deutschland 2022
    Ein Beispiel: Die Verpackungsstruktur von Frucht- und Gemüsesäften in Deutschland 2022 zeigt, wie viel Einwegprodukte gekauft werden (Statista)
    Konkret plant Lemke, dass Verbraucher in Geschäften mit einer Verkaufsfläche von mehr als 200 Quadratmetern bei Getränken Alternativen haben. Das soll für Wasser, Bier, alkoholfreie Getränke, Saft und Milch gelten. Hier muss es jeweils mindestens ein Mehrwegprodukt im Sortiment geben. Läden mit mindestens 200 Quadratmetern Fläche sollen zudem alle Pfandflaschen zurücknehmen müssen.

    Welche Reaktionen gibt es auf Lemkes Pläne?

    Laut Medienberichten gibt es koalitionsinternen Widerstand gegen die Pläne. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad warf Lemke wegen des Fokus' auf Mehrweg einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag vor. Dort sei das chemische Recycling als gleichwertige Möglichkeit des Recyclings von Verpackungen vereinbart worden. Dazu habe das Bundesumweltministerium aber nichts vorgelegt.
    "Man darf zudem etwa Einwegflaschen nicht pauschal verteufeln, denn mit zum Teil 100 Prozent Recyclingstoffen halten wir damit wertvolles PET vollständig im Kreislauf", sagte Konrad den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (NBR). Bei Mehrwegflaschen werde etwa beim Transport und bei der Reinigung CO2 freigesetzt.
    Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht Lemkes Eckpunkte ebenfalls kritisch. Sowohl der Zeitpunkt des Vorstoßes als auch die Regelungen seien „äußerst problematisch“. Verbraucherinnen und Verbraucher hätten mit Blick auf Mehrwegangebote bereits heute eine umfangreiche Wahlfreiheit. Zudem sei offen, wie die finanziellen Zusatzbelastungen gestemmt werden sollen.
    Lob kam vom Umweltverband BUND. Zugleich forderte die Organisation aber „Stufenpläne zur Erreichung und Sanktionen, wenn Ziele nicht erfüllt werden“. Schade sei, dass Mehrwegquoten für andere Bereiche ausblieben. „Mehrweg sollte das neue Normal werden; auch bei To-go-Essen, beim Warenverkehr zwischen den Unternehmen und beim Online-Handel. Hier muss dringend nachgebessert werden“, so der BUND. Die Deutsche Umwelthilfe fordert eine Verpackungssteuer in Kommunen nach dem Vorbild der Stadt Tübingen.

    Was plant die EU beim Thema Müll?

    Auch die EU-Kommission macht Druck, will mit einer neuen Richtlinie den Müll reduzieren. Derzeit wird heftig darum gestritten. Ob sie noch vor der Europawahl 2024 umgesetzt wird, ist nicht sicher. Laut Entwurf sollen Verpackungen so gestaltet sein, dass sie recyclingfähig sind. Zweitens soll über Quoten ein größerer Markt für das recycelte Plastik geschaffen werden. Der dritte Punkt ist besonders umstritten: Auch die EU will die Mehrwegquote über verbindliche Vorgaben für die Händler erhöhen.
    Anders als in Deutschland ist Mehrweg in vielen EU-Ländern bisher allerdings nur wenig bekannt. Prinzipiell gingen die Vorschläge in die richtige Richtung, sagt Tobias Bielenstein von der Genossenschaft Deutscher Brunnen. Aber er sieht auch Risiken. Zwar sei eine allgemeine Wahlmöglichkeit per se positiv und man sehe den „Convenience-Aspekt“, wenn eine Mehrwegflasche überall zurückgegeben werden könne. Bielenstein: „Ob das dann aber auch wirklich in der Praxis funktioniert, das ist noch eine ganz andere Frage. Und da haben wir definitiv Zweifel, weil, wenn wir eben einfach verschiedene Szenarien rechnen, dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass es durchaus sein kann, dass am Ende des Tages sogar die Mehrwegquote leicht sinkt, dass die regionale Struktur deutlich eingedampft wird und damit eben auch die regionale Vielfalt an Getränken unter Umständen leiden kann.“

    Was sind optimierte Mehrweg- oder Einweg-Verpackungen?

    Kriterien für eine optimierte Mehrwegverpackung sind: Dass sie oft wiederverwendet wird, sehr kurze Umlaufzeiten hat, also schnell wieder befüllt und von neuen effizienten Maschinen sortiert und gewaschen wird. Außerdem, dass sie nur kurze Transportwege hat.
    Eine Einwegverpackung gilt als optimiert, wenn sie aus recyceltem Kunststoff besteht, sehr dünne Wände hat und deshalb nur wenig Material anfällt, ebenfalls nicht weit transportiert wird und Teil eines Materialkreislaufs ist.

    Welche neuen Ideen gibt es zur Müllvermeidung?

    Zwei aktuelle Beispiele, wie Müll eingespart werden kann:

    tei, Manuel Waltz, Reuters, AFP, dpa