"Es ist ein Tabuthema und Leute haben Angst davor. Sie haben Angst vor Erkrankungen wie Schizophrenie. Auch die Medien, die Nachrichten, berichten sehr negativ darüber", sagt Tameem Antoniades.
"Did I ever tell you the definition of insanity? - I'm not sick."
"Und diese Irritation, diese Angst vor diesen schwer einschätzbaren Menschen, die lässt sich dann in der Popkultur, in den Computerspielen deutlich wiedererkennen", sagt Kulturwissenschaftler und Computerspiel-Experte Christian Huberts.
Nicht selten bekommt es der Spieler mit gefährlichen Psychopathen zu tun. In anderen Fällen steht sogar der Verstand der Hauptfigur selbst auf dem Spiel - etwa in dem von H.P. Lovecraft inspirierten Titel "Eternal Darkness", in dem der fortschreitende Wahnsinn zum Beispiel mit einer Art "Sanity-Meter" gemessen wird.
Auch eine Figur des Spiels "What Remains of Edith Finch" kämpft um ihren Verstand. Als Onkel Lewis erlebt der Spieler den tristen Alltag in einer Fischerei. Um der monotonen Fließbandarbeit zu entkommen, flüchtet sich Lewis in eine Fantasiewelt und verliert zunehmend jeglichen Bezug zur Realität.
"He said he started small, imagining a labyrinth."
Konventionen erfüllen, um erfolgreich zu sein?
Senua, die Protagonistin in Tameem Antoniades' neuem Spiel "Hellblade", ist auch in der Hölle ihres eigenen Verstandes gefangen, hört Stimmen und durchlebt immer wieder traumatische Erinnerungen.
"What if each one of us is always dreaming, even when awake?"
Um diese Erlebnisse authentischer darzustellen, hat der Entwickler von Anfang an mit Menschen zusammengearbeitet, die selbst mit psychischen Problemen in Behandlung waren.
"Mit diesen Menschen haben wir gut zwei Jahre gearbeitet", sagt Tameem Antoniades. "Sie haben ihre Erfahrung beschrieben und wir haben, so gut es geht, das Spiel darum gebaut."
"Is this what hell is? A world shaped by Senua's nightmares?"
Die ernsthafte Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen in Computerspielen kollidiert allerdings oft mit der Realität der Branche, sagt Christian Huberts:
"Wir haben es mit kommerziellen Spielen zu tun, und die haben, um erfolgreich zu sein, gewisse Konventionen zu erfüllen. Das heißt, selbst in Spielen, die mit psychischen Erkrankungen umgehen, muss es im Idealfall dann noch um eine Ermächtigungserfahrung gehen."
Empfinden übertragen in die Spielmechanik
Kleinere Titel wie "Depression Quest", "Actual Sunlight" oder "The Cat Lady" widersetzen sich dieser Logik. In ihnen geht es nicht um Erfolgserlebnisse und Belohnungen, die dem Spieler ein gutes Gefühl geben. Stattdessen versuchen sie, das Empfinden klinisch depressiver Menschen zu vermitteln, indem sie es in die Spielmechanik selbst übertragen. Der Protagonist in "Actual Sunlight" beispielsweise ist oft unfähig zu handeln und kann sich nicht aufraffen, den Anweisungen des Spielers zu folgen. Sie werden vom Spiel absichtlich ignoriert. Auch Tameem Antoniades glaubt nicht, dass Spiele nur Spaß machen müssen:
"Sie sollten eine ansprechende Erfahrung sein. Man sieht sich auch nicht Schindlers Liste an, um Spaß zu haben; man möchte eine Erfahrung, die etwas über das Menschsein aussagt."
Für Antoniades sind Computerspiele allerdings nicht nur ein geeignetes Medium, um psychisches Leiden zu thematisieren. Sie selbst können dem Spieler ein Denken und Verhalten aufzwingen, das dem psychisch kranker Menschen nicht ganz unähnlich ist.
"Spiele lassen uns viele Stunden lang jemand anders sein. Man sieht die Welt durch die Augen der Hauptfigur, hört sie durch deren Ohren. Alles ist subjektiv und man spielt nach den Regeln, die das Spiel vorgibt. Das hat sehr viele Ähnlichkeiten mit einer Psychose."
Das Spiel "Hellblade" ist ab dem 08.08.2017 als digitaler Download für PC und Playstation 4 erhältlich.