Sommerferien, das heißt barfuß am Strand entlanglaufen, in der Sonne dösen, verträumt in Lagerfeuer blicken oder über Bergwiesen wandern. Manche Sommer in der Kindheit und Jugend bleiben unvergessen: Sei es, weil sie besonders erlebnisreich waren oder weil sich eine Wende im Leben vollzog, nach der man selbst und auch sonst nichts mehr so war wie bisher.
Ausschnitt aus "Der Sommer, als ich schön wurde":
Es wurde ein Sommer, den ich nie, nie vergessen sollte. Es war der Sommer, in dem alles begann. Der Sommer, in dem ich schön wurde. Weil ich mich zum ersten Mal so fühlte. Sommer für Sommer hatte ich bis dahin gehofft, die Dinge würden anders werden. Das Leben würde anders werden. Und in diesem Sommer war es endlich so weit. Das Leben war anders. Ich war anders.
Ausschnitt aus "Siebzehn Tage im August":
Wir mussten uns jetzt vorsichtig durch die Stadt bewegen, weil die andern bestimmt noch irgendwo unterwegs waren. Also schauten wir jedes Mal, wenn wir in eine andere Gasse oder Straße einbogen, immer zuerst vorsichtig um die Ecke. Es war aufregend, es war richtig zitterspannend, und gleichzeitig war es auch wieder nur ein Spiel.
Ausschnitt aus "Ein schwedischer Sommer":
Es war das erste Mal, dass ich ihn sah. Ein magischer Moment, ganz im Ernst. Und schon bei diesem ersten Mal war er halb nackt.
Ausschnitt aus "14 Tage Philipp"
Scheinbar gelangweilt schaute er zu Juli hinüber. Irgendwohin musste man ja schauen, oder? Wieso fiel ihm nur plötzlich ihr Po ein? Sie trug jetzt natürlich keinen Bikini mehr, sondern eine Jeans und dazu ein weißes T-Shirt. Ihre Arme und ihr Gesicht waren schon ein bisschen braun geworden. Ihren Po konnte Philipp nicht sehen, aber irgendwie ließ ihn der Gedanke daran nicht los.
In den Geschichten von Ralph Maier, Daan Remmerts de Vries, Jenny Han, Sigrid Zeevaert, und Günter Ohnemus durchleben alle Protagonisten in der wärmsten Zeit des Jahres entscheidende Momente, die ihr künftiges Leben beeinflussen werden.
"Weil sich im Sommer alles öffnet, weil man frei ist, weil man oft draußen sein kann und die großen Ferien oder Sommerferien, das ist, wenn man jung ist, eine unendlich lange Zeit, in der alles möglich ist."
Erinnert sich Günter Ohnemus.
"Um wichtige Entscheidungen herbeizuführen, glaube ich, da ist der Sommer vielleicht so die leichteste und spielerischste Form und es ist ein Einschnitt. Wenn man jetzt so allein die Schulzeit mal nimmt, das vergangene Schuljahr ist beendet und dann ist so ein Freiraum bevor das neue beginnt, der neue Alltag und das finde ich ganz spannend, um es vor allem spielerisch zu machen."
Meint die Aachener Autorin Sigrid Zeevaert und fügt hinzu:
"Es interessieren mich in meinen Büchern immer so die etwas zerbrechlichen Situationen von Kindern, die nie so ganz stabilen, aus denen heraus Kinder sich entfalten müssen und irgendwo ihren Platz suchen."
In so einer Lebensphase befindet sich Sigrid Zeevaerts Hauptfigur im neuen Kinderbuch "Oskars geheimer Ferienplan". Oskar hat in letzter Zeit all seine festen Ankerpunkte verloren. Die Mutter kümmert sich nur noch um seinen Babybruder Ben, die ältere Schwester Lola nervt und sein bester Freund Linus läuft dem fiesen Bosse hinterher. Die Ferien beginnen und das ist für Oskar ein günstiger Zeitpunkt, um eine langsam gereifte Idee in die Tat umzusetzen. Zum ersten Mal wird der Junge mit seinem nicht gerade verlässlichen Vater, der schon lang nicht mehr mit Oskars Mutter zusammenlebt und ein Wasserschloss geerbt hat, den Urlaub verbringen. Oskar hofft, dass er allen Kummer hinter sich lassen und beim Papa einziehen kann.
Nie wieder werde ich über diese Straße zu Mama, Lola und Ben fahren. Schon allein wegen der vielen Kurven nicht, und weil Mama mich ja auch nicht mehr braucht. Mich nicht und Papa nicht. Mama hat doch jetzt Ben. Und Lola. Da ist es nur mehr als gerecht, wenn Papa auch einen bekommt. Zum Beispiel mich.
Aus der kindlichen Perspektive des Neunjährigen erzählt die Autorin feinfühlig im geradezu hautnahen Präsens von Oskars inneren und äußeren Konflikten.
"Immer wieder finde ich für mich faszinierend, diese andere Sprache, diese andere Sicht, die im Grunde ja auch etwas aufzubrechen vermag, die Welt mit anderen, neuen Augen sehen und scheinbar einfach und vielleicht doch auf ihre Weise sehr komplex. Es ist auch im Grunde für mich das Faszinierende, ich denke, es ist ein Vorgang, ein bisschen verwandt dem Lesen. Man begibt sich in eine Sicht, in eine Figur, die kennt man vielleicht zu einem Teil und irgendwas trage ich auch in mir, das mich verbindet mit diesem Jungen. Und ich finde es gerade faszinierend, vielleicht ist das ja ein Teil, denn irgendwo erkenne ich etwas davon, das kann ich gar nicht erklären, ja, kann es irgendwie aufnehmen. Es zieht mich dahin und ich finde es auch immer wieder spannend eben nicht aus der Sicht eines Mädchens zu erzählen, das mir natürlich von Natur aus näher ist. Das ist klar."
Kaum im baufälligen Schloss angekommen währt die traute Männergemeinschaft nur kurz, denn ein Freund von Oskars Vater legt mit seinen Kindern Tim und Clarissa auf der Durchreise nach Spanien bei ihnen eine Pause ein. Oskar ist zwar wütend über die Eindringlinge, entdeckt aber voller Abenteuerlust mit Tim im 400 Jahre alten Schloss so einige Geheimnisse. Und die Jungen ärgern gemeinsam die unzufriedene Clarissa, die sich ihren Urlaub auch ganz anders vorgestellt hatte. Oskars Luftschloss vom neuen Leben ohne Mama und seine Geschwister, aber dafür an Papas Seite zerplatzt so nach und nach und weicht neuen Erkenntnissen.
Ich habe ja auch so genug, worüber ich nachdenken muss. Und sitze bald oben in einem Baum. Und denke an Tim. Und daran, dass es schön mit ihm war. Obwohl er kleiner als ich ist. Er wird ja auch größer. So wie ich. Und Ben. Und Lola und Clarissa und alle, auch Linus und Bosse, der vielleicht nie mit seinen Prügeleien aufhört. Dass Linus überhaupt sein Freund ist, kann ich immer noch nicht verstehen. Schließlich war er vorher meiner. Und vielleicht muss ich ihn doch noch mal danach fragen. Wenn er ohne Bosse dasteht und man mit ihm wieder reden kann. Vielleicht.
"Es ist ja manchmal auch nur so ein Fantasiespiel, dass Kinder brauchen, um sich zu sagen, ich gehe weg, ich packe und ich gehe und ich ziehe das durch und darunter gibt es doch noch eine ganz andere Ebene, mit der sie eigentlich wissen, wie die Dinge liegen und wie es sein muss. Und vielleicht ist es dann so, dass der Oskar sich im Verlauf der Geschichte doch nochmal näher kommt und wagt darüber nachzudenken, was ist eigentlich mit seinen Freunden gewesen, die ihn da so ein bisschen haben stehenlassen. Und was ist, wenn er nicht wegläuft, sich denen einfach mal stellt."
Unendlich lang erscheinen in Ralph Maiers Debütroman "14 Tage Philipp" die Ferien an der Nordsee. Als der 13-jährige Philipp kurz vor dem Beginn jedoch erfährt, dass seine ältere, ständig kichernde Schwester Ella ihre Freundin Juli in den geplanten Urlaub mitnimmt, ist er erstmal sauer. Dann entscheiden die Eltern, dass er ebenfalls einen Freund einladen darf. Mit Jonas nächtelang pokern, lang Ausschlafen und Abenteuer erleben, das muss einfach fantastisch werden. Allerdings hat Jonas den Pokerkoffer vergessen, die gemeinsam entdeckte Waldhöhle begeistert in Wahrheit nur Jonas und Philipp fragt sich, was eigentlich mit ihm los ist. Mädchen waren doch sonst für ihn tabu, einfach nur langweilig. Doch mit all seinen Gedanken und Tagträumen ist er ständig bei Juli.
Neben Jonas stand Juli. Sie sah irgendwie süß aus in dem geringelten T- Shirt. Moment! Was hatte er da für komische Gedanken. Er redete mit sich ja schon wie ein Mädchen: süß! Was das nur war. Er schüttelte den Kopf. Da stand Juli und fuchtelte mit den Armen herum, anscheinend wollte sie irgendetwas erklären. Dabei rutschte ihr T-Shirt nach oben und ein Stück von ihrem Bauch lugte heraus. Philipp hätte sie am liebsten gekitzelt. Aber das war jetzt wohl das Letzte, das er hier bringen konnte. Was sie wohl unter dem T-Shirt trug? Diesen schwarzen BH bestimmt nicht. Das wäre ihm aufgefallen. Heilige Scheiße! Das war jetzt aber echt ein bisschen pervers. Jetzt starrte er die Freundin seiner Schwester an und machte sich Gedanken über deren Unterwäsche.
Auch Juli sucht Philipps Nähe. Die vertrauten Gespräche mit ihr, ein heimlicher Fahrradausflug zum Leuchtturm mit anschließendem Nacktbaden an diesem verrückten Tag verwirren Philipp. Irgendwie erkennt er sich selbst nicht wieder. Unsicher sitzt der Junge zwischen zwei Stühlen, einerseits möchte er mit Juli Zeit verbringen, andererseits seinen verspielten Freund Jonas nicht verärgern. Allerdings unterschätzt Philipp Jonas, denn er hat längst verstanden, wie verknallt sein Freund ist.
Als er saß, rutschte Juli ein Stück näher zu ihm und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Philipp erstarrte. Er konnte ihr Haar riechen, trotz des Rauchs. Sie war ganz nah. Ihre Berührung fühlte sich weich an, warm, lebendig. Bloß nicht bewegen. Er verharrte, als hätte ihn jemand tiefgefroren. Dabei war ihm ganz heiß. In seinem Hals klopfte das Blut. Juli bewegte sich nicht mehr, sie hatte ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt und dort ruhte er jetzt. Schlief sie etwa? ... Philipp wollte für immer so sitzen bleiben und auf Julis Schlaf achten.
Ralph Maier schafft es sprachlich überzeugend in die Rolle eines 13-Jährigen zu schlüpfen, um ihn behutsam auf seinem Weg durch die beginnende Adoleszenz zu begleiten. Was Jungen in Philipps Alter beim Entdecken ihres Körpers und der ersten Verliebtheit so an Veränderungen durchleben, das beschreibt der Autor realistisch unverkrampft.
Um die erste große Liebe kreist auch der Jugendroman "Der Sommer, als ich schön wurde" von der amerikanischen Autorin Jenny Han. Seit Belly denken kann verbringt ihre Familie die Sommerferien in Cousins Beach im großen Strandhaus von Susannah, der besten Freundin ihrer Mutter.
Ich liebte diese Strecke, diesen Moment, wenn ich die Stadt wiedersah, Jimmys Krabbenbar, die Minigolf-Anlage, die vielen Surferläden. Es war wie nach Hause kommen, nachdem man ganz, ganz lang weg gewesen war. Der Sommer lag vor uns, mit seinen zahllosen Versprechungen und Möglichkeiten.
Zu Bellys Sommerfamilie gesellen sich auch die beiden Söhne von Susannah, der unkomplizierte Jeremiah und der stille, undurchschaubare Conrad, in den das Mädchen seit langem unglücklich verliebt ist. Mit ihrem Bruder Steven bilden die älteren Jungen jedoch eine undurchdringliche Einheit. Ob bei den Schlafsacknächten am Strand, noch bei nächtlichen Angeltouren nie darf Belly dabei sein. Doch in diesem Sommer ist sie nicht mehr die kleine Schwester, die mit ihrer Leichtgläubigkeit aufgezogen wird und mit der man Karten spielt. Plötzlich wird sie von einem Freund der Jungen zum Feuerwerksfest eingeladen. Dort lernt sie den einfühlsamen, wie äußerst leistungsorientierten Cam kennen und fühlt sich zum ersten Mal als Frau beachtet. Conrad scheint das nicht zu passen. Er beschließt, dass Jeremiah und er Belly bei ihrem Date mit Cam auf einer Party begleiten.
"Bitte, Jungs, geht nicht hin. Bitte, bitte!"
Jeremiah überhörte mich." Con, was ziehst du an?"
" Ich hab mir noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht meine Khaki- Shorts? Und du?"
"Ich hasse euch!", sagte ich.
Irgendwie war das Verhältnis zwischen Conrad und mir, aber auch das zwischen Jeremiah und mir in letzter Zeit seltsam, und auf einmal schlich sich ein unmöglicher Gedanke in meinen Kopf. War es möglich, das sie nicht wollten, dass ich mit Cam zusammen war? Weil sie selbst, was weiß ich, Gefühle für mich hatten?
Vieles im großzügig ausgestatteten Haus oder am Pool erinnert Belly an Szenen aus vergangenen Sommeraufenthalten, in denen Conrad sie gegen die anderen Jungen verteidigte, sie sich verunsichert ihres weiblichen Körpers bewusst wurde oder zum ersten Mal richtig eifersüchtig war.
In diesem Sommer liegt über allem eine knisternde Anspannung und die Frage, ob Belly, alle wissen es bereits, Conrad endlich sagen sollte, wie sehr sie ihn liebt. Doch unterschwellig scheint, besonders Bellys Mutter und ihre Freundin Susannah, ein existentielles Problem zu beschäftigen. Belly ist jedoch so mit ihren neuen Selbstwertgefühlen befaßt, dass sie keinen wachen Blick für die Menschen hat, die ihr so wichtig sind.
An Bellys Seite erlebt der Leser in diesem Sommer wirklichkeitsnah und sehr emotional, was die 16-Jährige heimlich ersehnt, womit sie sich gedanklich auseinandersetzt und was sie glücklich macht. Jenny Hans leise Sommergeschichte gehört zu den Büchern, die man ganz besonders langsam lesen möchte, damit sie nie zu Ende gehen.
Im schmalen Jugendroman "Ein schwedischer Sommer" des niederländischen Autors Daan Remmers de Vries wird nicht lang Händchen gehalten, hier soll es endlich zur Sache gehen.
Also dann: In Figeholm habe ich es zum ersten Mal gemacht. Genau - es.
Die 15-jährigen Freundinnen Hesther und Mo zeichnen gern und fühlen sich am wohlsten, wenn sie sich gemeinsam ihre Comics ausdenken, die nur so strotzen von Aggressionen und Gewalt. Die Erwachsenen sind entsetzt, wenn sie mal eine herumliegende Seite in die Finger bekommen. Hesther und Mo jedoch durchschauen ihre Eltern, ihr Schweigen, ihre verdeckten Machtkämpfe, ihre Frustration. Hesther berichtet mal ausufernd, dann wieder peinlich berührt von ihren Beobachtungen in diesem einschneidenden Sommerurlaub, den sie mit Mos Familie an einem kleinen Waldsee in Schweden verlebt. Pupertär und ziemlich vulgär scherzen die Mädchen mit dem Verwalter und vertreiben sich die Zeit beim Schwimmen. Die Idylle endet als die Biologiestudenten Lars und Björn auftauchen. Hesther und Mo spüren, dass sie plötzlich als weibliche Wesen betrachtet werden und aus Freundinnen werden erbitterte Konkurrentinnen. Beide verknallen sich auf den ersten Blick in den fantastisch aussehenden Lars.
Er lachte und ich ließ mich nach hinten fallen, von dem Baumstumpf, auf dem wir saßen. Dann lagen wir beide rücklings auf dem Boden und er strich mir sanft übers Haar. Ich rappelte mich auf, unter den Blicken von diesem Björn, der leicht erstaunt guckte, und von Mo, die in dem Moment wahrscheinlich am liebsten mit einem Jagdgewehr auf mich losgegangen wäre. Worauf sollte das Ganze hinauslaufen? Ich wusste es nicht, wirklich nicht... Manchmal fasste er Mo an, strich ihr zum Beispiel übers Haar, und sie kicherte hektisch und wurde rot. Und fünf Minuten später fasste er mich an, ließ seine Hand über meinen Schenkel gleiten.
Die Mädchen sind für den leichtfertigen Lars jedoch nur Sexspielzeug und Björn weiß das. Im letzten Moment kann sich Hesther der erotischen Anziehungskraft des Verführers entziehen.
Vielleicht, überlegte ich dann, gehörte ich nun auch zu den Erwachsenen. Denn auf einmal begriff ich, warum sie oft so umständlich sind: weil man manchmal schlicht nicht sagen kann, was man wirklich fühlt. Weil das Gefühl aus unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt ist, manche gut, andere weniger gut. Und all die vielen Teile kann man unmöglich beschreiben.
Daan Remmerts de Vries lässt Hesther in einem ironisch, lakonischen, auch aggressiven Erzählton ohne ein Wort zu viel von diesem Sommer erzählen. Auch wenn sie vom inneren Gefühlschaos überwältigt wird, entscheidet sich die Protagonistin fast intuitiv letztendlich dann doch für den Richtigen.
Der Tag, an dem Sven Kammermeier aus der Elften erschossen wurde, war schon schlimm genug, obwohl da noch niemand etwas davon gewusst hatte. Und natürlich hat noch niemand etwas davon gewusst, was danach noch alles passiert ist. Ich meine, was jetzt noch passiert ist.
Mit diesen aufwühlenden Sätzen beginnt der Jugendkrimi "Siebzehn Tage im August" von Günter Ohnemus. Ursprünglich in der dritten Person geschrieben, übergibt der Münchner Autor in der Endfassung seiner Hauptfigur, dem 16-jährigen Nick, die Erzählerstimme.
"Die Ich-Form hat den großen Vorteil, dass sie mehr oder weniger in der Umgangssprache schreiben können, das heißt sie sind sehr nahe dran und sie müssen Gefühle nicht mit drei, vier Sätzen beschreiben, sondern es reicht oft ein Wort. Ich habe das Buch als es fast fertig war umgeschrieben. Das ist nicht einfach. ( lacht ) Es ändert sich sehr viel."
Finn, Nicks bester Freund, ist bei diesem Mordfall der Hauptverdächtige der Polizei. Als Zeuge konnte Nick auf dem Schulhof erleben, wie der als Schläger bekannte Sven mit einem Messer den Freund angriff. Finn kann ihn überwältigen. Aber dann bedroht Finn den am Boden liegenden Sven und das äußerst lautstark. In Windeseile entscheidet Nick für sich, dass er sein geplantes Pfadfinderlager sausen lässt und Finn auf der Flucht beisteht. Für beide Freunde beginnt nun ein stressiges, aber auch spannendes Sommerabenteuer.
Ich brauchte ein bisschen Geld für Finn. Ich hob hundert Euro ab und ging dann zu Fuß zum Sendlinger Tor. Es sah nicht so aus, als ob jemand hinter mir her wäre. Aber ich fand das alles sehr aufregend. Wie ein Spiel. Es war ernst und gleichzeitig wie ein Spiel.
Krimigeschult weiß Nick, dass die Polizei sein Handy orten kann und somit fliehen die beiden aus der ersten Intuition heraus nicht in den Süden, sondern beschließen in der Nähe des Pfandfinderlagers im Bayrischen Wald zu bleiben, in dem sich Nick aufhalten sollte. Äußerst erfindungsreich übernimmt Nick die Führung und handelt immer im Sinne des Freundes.
"Er entdeckt, dass er, ganz automatisch, er nennt es seinen Schutzengel, vorausdenken kann."
Aber Nick kann auch taktisch gut lügen, wovon er selbst am meisten überrascht ist. Die beiden lernen auf ihrer Flucht die attraktive Studentin Laura kennen. Sie hilft mit einer Wohnung aus und die drei unternehmen unbeschwerte Ausflüge. Sie reden nächtelang über Gott und die Welt und Nick verliebt sich. Fern von allem Schweren und berauscht vom unendlichen Freiheitsgefühl vergleicht Laura ihre gemeinsame Situation mit der der Hauptfiguren im Klassiker "Bonnie und Clyde".
"Und jetzt?", fragte Finn.
"Und jetzt", sagte Laura. " Jetzt überfallen wir erst mal eine Bank. Irgendwann muss man schließlich damit anfangen."
Laura hatte Geld aus dem Bankautomaten gezogen und uns in ein kleines, ziemlich gutes Restaurant in der Altstadt eingeladen.
Günter Ohnemus, und das spürt man beim Lesen, hegt viel Sympathie für seine jungen Helden, denen er viel zutraut:
"Aus Erfahrung. Ich war auch mal jung und ich war sehr gerne 16 und 17 wie diese beiden. Also mit 15 ungefähr, das hat sich ein bisschen verschoben, entscheidet sich wenigstens bei Jungs, ob man ein blöder Sack wird oder nicht. Mit 16 ist man dann entweder so oder so. Darum ist diese Zeit so wichtig. Es zeigt sich zum ersten Mal, wer man eigentlich ist oder sein kann. Diese Möglichkeit, von der man geträumt hat, kann, und in diesem Buch tut sie das, kann zum Leben werden."
Günter Ohnemus erzählt vielschichtig und genreübergreifend einerseits einen Krimi, aber auch eine leichte Liebesgeschichte und dann wieder ein mitreißendes Hohelied auf die Freundschaft. Durch den Roman zieht sich durchgängig auch das Thema Gewalt und die Frage, ob Selbstjustiz gerechtfertigt ist. Nick und Finns Freundschaft bewährt sich in diesem Sommer. Jeder würde für den anderen alles, wirklich alles tun. Und so stellt sich Nick der Gefahr, um Finn aus der ausweglosen Lage zu befreien. Das Geständnis des wahren Mörders jedoch gibt dem Roman wiederum eine neue, unerwartete Wendung. Günter Ohnemus trifft genau den richtigen Erzählton, bei dem man beim Lesen schnell vergisst, wie schwierig es ist so zu schreiben. Der Autor hält gekonnt die Balance zwischen der spielerischen Leichtigkeit des Sommerabenteuers, dem Ernst der Lage und allem Neuen, was den Jugendlichen widerfährt.
"Es hat sich verändert, dass sie zum ersten Mal im Leben, vor allem Nick, die Erfahrung gemacht haben, wie das ist, wenn man ausgestoßen ist, wenn man sich verstecken und verbergen muss und wie das ist, wenn man dann es wieder schafft ein neues Leben anzufangen. Das Buch hat ja praktisch zwei Schlüsse. Das Buch endet 30 Seiten vorher, glaube ich, mit der Kriminalgeschichte und dann kommt eine längere depressive Phase, wo Nick öfter mal sagt, alle wollen sie Abstand von mir, wo er eine absolute Leere spürt. Und dann plötzlich die Fahrt wieder aufnimmt und das neue Leben sich abzeichnet, das auch wieder mit einer Lüge anfängt."
In ihren wirklichkeitsnahen Romanen erzählen die Autoren Sigrid Zeevaert, Ralph Maier, Daan Remmerts de Vries, Jenny Han und Günter Ohnemus von unvergleichlichen Sommererlebnissen, die prägen und so schnell nicht vergessen werden. Das Gleißen der Sonne auf Wasser, der Geruch der Hitze am Mittag, das Eintauchen ins Meer - intensiv kann so ein Sommer sein und Unerwartetes oder Erhofftes kann geschehen. Doch jede Ferienzeit geht dem Ende entgegen und zurück bleiben etwas Wehmut und ein gutes Gefühl.
Titelliste:
Sigrid Zeevaert: "Oskars gemeiner Ferienplan". Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2011, 157 Seiten, 12,,95 Euro.
Ralph Maier: "14 Tage Philipp". Sauerländer Verlag, Mannheim 2011, 167 Seiten, 13,95 Euro13,95.
Jenny Han: "Der Sommer, als ich schön wurde". Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann, Carl Hanser Verlag, München 2011, 253 Seiten, 13,90 Euro.
Daan Remmerts de Vries: "Ein schwedischer Sommer". Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart, Sauerländer Verlag, Mannheim 2011, 118 Seiten, 11,95 Euro.
Günter Ohnemus: "Siebzehn Tage im August". Fischer Schatzinsel, Frankfurt a. M. 2011, 276 Seiten, 13,95 Euro.
Ausschnitt aus "Der Sommer, als ich schön wurde":
Es wurde ein Sommer, den ich nie, nie vergessen sollte. Es war der Sommer, in dem alles begann. Der Sommer, in dem ich schön wurde. Weil ich mich zum ersten Mal so fühlte. Sommer für Sommer hatte ich bis dahin gehofft, die Dinge würden anders werden. Das Leben würde anders werden. Und in diesem Sommer war es endlich so weit. Das Leben war anders. Ich war anders.
Ausschnitt aus "Siebzehn Tage im August":
Wir mussten uns jetzt vorsichtig durch die Stadt bewegen, weil die andern bestimmt noch irgendwo unterwegs waren. Also schauten wir jedes Mal, wenn wir in eine andere Gasse oder Straße einbogen, immer zuerst vorsichtig um die Ecke. Es war aufregend, es war richtig zitterspannend, und gleichzeitig war es auch wieder nur ein Spiel.
Ausschnitt aus "Ein schwedischer Sommer":
Es war das erste Mal, dass ich ihn sah. Ein magischer Moment, ganz im Ernst. Und schon bei diesem ersten Mal war er halb nackt.
Ausschnitt aus "14 Tage Philipp"
Scheinbar gelangweilt schaute er zu Juli hinüber. Irgendwohin musste man ja schauen, oder? Wieso fiel ihm nur plötzlich ihr Po ein? Sie trug jetzt natürlich keinen Bikini mehr, sondern eine Jeans und dazu ein weißes T-Shirt. Ihre Arme und ihr Gesicht waren schon ein bisschen braun geworden. Ihren Po konnte Philipp nicht sehen, aber irgendwie ließ ihn der Gedanke daran nicht los.
In den Geschichten von Ralph Maier, Daan Remmerts de Vries, Jenny Han, Sigrid Zeevaert, und Günter Ohnemus durchleben alle Protagonisten in der wärmsten Zeit des Jahres entscheidende Momente, die ihr künftiges Leben beeinflussen werden.
"Weil sich im Sommer alles öffnet, weil man frei ist, weil man oft draußen sein kann und die großen Ferien oder Sommerferien, das ist, wenn man jung ist, eine unendlich lange Zeit, in der alles möglich ist."
Erinnert sich Günter Ohnemus.
"Um wichtige Entscheidungen herbeizuführen, glaube ich, da ist der Sommer vielleicht so die leichteste und spielerischste Form und es ist ein Einschnitt. Wenn man jetzt so allein die Schulzeit mal nimmt, das vergangene Schuljahr ist beendet und dann ist so ein Freiraum bevor das neue beginnt, der neue Alltag und das finde ich ganz spannend, um es vor allem spielerisch zu machen."
Meint die Aachener Autorin Sigrid Zeevaert und fügt hinzu:
"Es interessieren mich in meinen Büchern immer so die etwas zerbrechlichen Situationen von Kindern, die nie so ganz stabilen, aus denen heraus Kinder sich entfalten müssen und irgendwo ihren Platz suchen."
In so einer Lebensphase befindet sich Sigrid Zeevaerts Hauptfigur im neuen Kinderbuch "Oskars geheimer Ferienplan". Oskar hat in letzter Zeit all seine festen Ankerpunkte verloren. Die Mutter kümmert sich nur noch um seinen Babybruder Ben, die ältere Schwester Lola nervt und sein bester Freund Linus läuft dem fiesen Bosse hinterher. Die Ferien beginnen und das ist für Oskar ein günstiger Zeitpunkt, um eine langsam gereifte Idee in die Tat umzusetzen. Zum ersten Mal wird der Junge mit seinem nicht gerade verlässlichen Vater, der schon lang nicht mehr mit Oskars Mutter zusammenlebt und ein Wasserschloss geerbt hat, den Urlaub verbringen. Oskar hofft, dass er allen Kummer hinter sich lassen und beim Papa einziehen kann.
Nie wieder werde ich über diese Straße zu Mama, Lola und Ben fahren. Schon allein wegen der vielen Kurven nicht, und weil Mama mich ja auch nicht mehr braucht. Mich nicht und Papa nicht. Mama hat doch jetzt Ben. Und Lola. Da ist es nur mehr als gerecht, wenn Papa auch einen bekommt. Zum Beispiel mich.
Aus der kindlichen Perspektive des Neunjährigen erzählt die Autorin feinfühlig im geradezu hautnahen Präsens von Oskars inneren und äußeren Konflikten.
"Immer wieder finde ich für mich faszinierend, diese andere Sprache, diese andere Sicht, die im Grunde ja auch etwas aufzubrechen vermag, die Welt mit anderen, neuen Augen sehen und scheinbar einfach und vielleicht doch auf ihre Weise sehr komplex. Es ist auch im Grunde für mich das Faszinierende, ich denke, es ist ein Vorgang, ein bisschen verwandt dem Lesen. Man begibt sich in eine Sicht, in eine Figur, die kennt man vielleicht zu einem Teil und irgendwas trage ich auch in mir, das mich verbindet mit diesem Jungen. Und ich finde es gerade faszinierend, vielleicht ist das ja ein Teil, denn irgendwo erkenne ich etwas davon, das kann ich gar nicht erklären, ja, kann es irgendwie aufnehmen. Es zieht mich dahin und ich finde es auch immer wieder spannend eben nicht aus der Sicht eines Mädchens zu erzählen, das mir natürlich von Natur aus näher ist. Das ist klar."
Kaum im baufälligen Schloss angekommen währt die traute Männergemeinschaft nur kurz, denn ein Freund von Oskars Vater legt mit seinen Kindern Tim und Clarissa auf der Durchreise nach Spanien bei ihnen eine Pause ein. Oskar ist zwar wütend über die Eindringlinge, entdeckt aber voller Abenteuerlust mit Tim im 400 Jahre alten Schloss so einige Geheimnisse. Und die Jungen ärgern gemeinsam die unzufriedene Clarissa, die sich ihren Urlaub auch ganz anders vorgestellt hatte. Oskars Luftschloss vom neuen Leben ohne Mama und seine Geschwister, aber dafür an Papas Seite zerplatzt so nach und nach und weicht neuen Erkenntnissen.
Ich habe ja auch so genug, worüber ich nachdenken muss. Und sitze bald oben in einem Baum. Und denke an Tim. Und daran, dass es schön mit ihm war. Obwohl er kleiner als ich ist. Er wird ja auch größer. So wie ich. Und Ben. Und Lola und Clarissa und alle, auch Linus und Bosse, der vielleicht nie mit seinen Prügeleien aufhört. Dass Linus überhaupt sein Freund ist, kann ich immer noch nicht verstehen. Schließlich war er vorher meiner. Und vielleicht muss ich ihn doch noch mal danach fragen. Wenn er ohne Bosse dasteht und man mit ihm wieder reden kann. Vielleicht.
"Es ist ja manchmal auch nur so ein Fantasiespiel, dass Kinder brauchen, um sich zu sagen, ich gehe weg, ich packe und ich gehe und ich ziehe das durch und darunter gibt es doch noch eine ganz andere Ebene, mit der sie eigentlich wissen, wie die Dinge liegen und wie es sein muss. Und vielleicht ist es dann so, dass der Oskar sich im Verlauf der Geschichte doch nochmal näher kommt und wagt darüber nachzudenken, was ist eigentlich mit seinen Freunden gewesen, die ihn da so ein bisschen haben stehenlassen. Und was ist, wenn er nicht wegläuft, sich denen einfach mal stellt."
Unendlich lang erscheinen in Ralph Maiers Debütroman "14 Tage Philipp" die Ferien an der Nordsee. Als der 13-jährige Philipp kurz vor dem Beginn jedoch erfährt, dass seine ältere, ständig kichernde Schwester Ella ihre Freundin Juli in den geplanten Urlaub mitnimmt, ist er erstmal sauer. Dann entscheiden die Eltern, dass er ebenfalls einen Freund einladen darf. Mit Jonas nächtelang pokern, lang Ausschlafen und Abenteuer erleben, das muss einfach fantastisch werden. Allerdings hat Jonas den Pokerkoffer vergessen, die gemeinsam entdeckte Waldhöhle begeistert in Wahrheit nur Jonas und Philipp fragt sich, was eigentlich mit ihm los ist. Mädchen waren doch sonst für ihn tabu, einfach nur langweilig. Doch mit all seinen Gedanken und Tagträumen ist er ständig bei Juli.
Neben Jonas stand Juli. Sie sah irgendwie süß aus in dem geringelten T- Shirt. Moment! Was hatte er da für komische Gedanken. Er redete mit sich ja schon wie ein Mädchen: süß! Was das nur war. Er schüttelte den Kopf. Da stand Juli und fuchtelte mit den Armen herum, anscheinend wollte sie irgendetwas erklären. Dabei rutschte ihr T-Shirt nach oben und ein Stück von ihrem Bauch lugte heraus. Philipp hätte sie am liebsten gekitzelt. Aber das war jetzt wohl das Letzte, das er hier bringen konnte. Was sie wohl unter dem T-Shirt trug? Diesen schwarzen BH bestimmt nicht. Das wäre ihm aufgefallen. Heilige Scheiße! Das war jetzt aber echt ein bisschen pervers. Jetzt starrte er die Freundin seiner Schwester an und machte sich Gedanken über deren Unterwäsche.
Auch Juli sucht Philipps Nähe. Die vertrauten Gespräche mit ihr, ein heimlicher Fahrradausflug zum Leuchtturm mit anschließendem Nacktbaden an diesem verrückten Tag verwirren Philipp. Irgendwie erkennt er sich selbst nicht wieder. Unsicher sitzt der Junge zwischen zwei Stühlen, einerseits möchte er mit Juli Zeit verbringen, andererseits seinen verspielten Freund Jonas nicht verärgern. Allerdings unterschätzt Philipp Jonas, denn er hat längst verstanden, wie verknallt sein Freund ist.
Als er saß, rutschte Juli ein Stück näher zu ihm und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Philipp erstarrte. Er konnte ihr Haar riechen, trotz des Rauchs. Sie war ganz nah. Ihre Berührung fühlte sich weich an, warm, lebendig. Bloß nicht bewegen. Er verharrte, als hätte ihn jemand tiefgefroren. Dabei war ihm ganz heiß. In seinem Hals klopfte das Blut. Juli bewegte sich nicht mehr, sie hatte ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt und dort ruhte er jetzt. Schlief sie etwa? ... Philipp wollte für immer so sitzen bleiben und auf Julis Schlaf achten.
Ralph Maier schafft es sprachlich überzeugend in die Rolle eines 13-Jährigen zu schlüpfen, um ihn behutsam auf seinem Weg durch die beginnende Adoleszenz zu begleiten. Was Jungen in Philipps Alter beim Entdecken ihres Körpers und der ersten Verliebtheit so an Veränderungen durchleben, das beschreibt der Autor realistisch unverkrampft.
Um die erste große Liebe kreist auch der Jugendroman "Der Sommer, als ich schön wurde" von der amerikanischen Autorin Jenny Han. Seit Belly denken kann verbringt ihre Familie die Sommerferien in Cousins Beach im großen Strandhaus von Susannah, der besten Freundin ihrer Mutter.
Ich liebte diese Strecke, diesen Moment, wenn ich die Stadt wiedersah, Jimmys Krabbenbar, die Minigolf-Anlage, die vielen Surferläden. Es war wie nach Hause kommen, nachdem man ganz, ganz lang weg gewesen war. Der Sommer lag vor uns, mit seinen zahllosen Versprechungen und Möglichkeiten.
Zu Bellys Sommerfamilie gesellen sich auch die beiden Söhne von Susannah, der unkomplizierte Jeremiah und der stille, undurchschaubare Conrad, in den das Mädchen seit langem unglücklich verliebt ist. Mit ihrem Bruder Steven bilden die älteren Jungen jedoch eine undurchdringliche Einheit. Ob bei den Schlafsacknächten am Strand, noch bei nächtlichen Angeltouren nie darf Belly dabei sein. Doch in diesem Sommer ist sie nicht mehr die kleine Schwester, die mit ihrer Leichtgläubigkeit aufgezogen wird und mit der man Karten spielt. Plötzlich wird sie von einem Freund der Jungen zum Feuerwerksfest eingeladen. Dort lernt sie den einfühlsamen, wie äußerst leistungsorientierten Cam kennen und fühlt sich zum ersten Mal als Frau beachtet. Conrad scheint das nicht zu passen. Er beschließt, dass Jeremiah und er Belly bei ihrem Date mit Cam auf einer Party begleiten.
"Bitte, Jungs, geht nicht hin. Bitte, bitte!"
Jeremiah überhörte mich." Con, was ziehst du an?"
" Ich hab mir noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht meine Khaki- Shorts? Und du?"
"Ich hasse euch!", sagte ich.
Irgendwie war das Verhältnis zwischen Conrad und mir, aber auch das zwischen Jeremiah und mir in letzter Zeit seltsam, und auf einmal schlich sich ein unmöglicher Gedanke in meinen Kopf. War es möglich, das sie nicht wollten, dass ich mit Cam zusammen war? Weil sie selbst, was weiß ich, Gefühle für mich hatten?
Vieles im großzügig ausgestatteten Haus oder am Pool erinnert Belly an Szenen aus vergangenen Sommeraufenthalten, in denen Conrad sie gegen die anderen Jungen verteidigte, sie sich verunsichert ihres weiblichen Körpers bewusst wurde oder zum ersten Mal richtig eifersüchtig war.
In diesem Sommer liegt über allem eine knisternde Anspannung und die Frage, ob Belly, alle wissen es bereits, Conrad endlich sagen sollte, wie sehr sie ihn liebt. Doch unterschwellig scheint, besonders Bellys Mutter und ihre Freundin Susannah, ein existentielles Problem zu beschäftigen. Belly ist jedoch so mit ihren neuen Selbstwertgefühlen befaßt, dass sie keinen wachen Blick für die Menschen hat, die ihr so wichtig sind.
An Bellys Seite erlebt der Leser in diesem Sommer wirklichkeitsnah und sehr emotional, was die 16-Jährige heimlich ersehnt, womit sie sich gedanklich auseinandersetzt und was sie glücklich macht. Jenny Hans leise Sommergeschichte gehört zu den Büchern, die man ganz besonders langsam lesen möchte, damit sie nie zu Ende gehen.
Im schmalen Jugendroman "Ein schwedischer Sommer" des niederländischen Autors Daan Remmers de Vries wird nicht lang Händchen gehalten, hier soll es endlich zur Sache gehen.
Also dann: In Figeholm habe ich es zum ersten Mal gemacht. Genau - es.
Die 15-jährigen Freundinnen Hesther und Mo zeichnen gern und fühlen sich am wohlsten, wenn sie sich gemeinsam ihre Comics ausdenken, die nur so strotzen von Aggressionen und Gewalt. Die Erwachsenen sind entsetzt, wenn sie mal eine herumliegende Seite in die Finger bekommen. Hesther und Mo jedoch durchschauen ihre Eltern, ihr Schweigen, ihre verdeckten Machtkämpfe, ihre Frustration. Hesther berichtet mal ausufernd, dann wieder peinlich berührt von ihren Beobachtungen in diesem einschneidenden Sommerurlaub, den sie mit Mos Familie an einem kleinen Waldsee in Schweden verlebt. Pupertär und ziemlich vulgär scherzen die Mädchen mit dem Verwalter und vertreiben sich die Zeit beim Schwimmen. Die Idylle endet als die Biologiestudenten Lars und Björn auftauchen. Hesther und Mo spüren, dass sie plötzlich als weibliche Wesen betrachtet werden und aus Freundinnen werden erbitterte Konkurrentinnen. Beide verknallen sich auf den ersten Blick in den fantastisch aussehenden Lars.
Er lachte und ich ließ mich nach hinten fallen, von dem Baumstumpf, auf dem wir saßen. Dann lagen wir beide rücklings auf dem Boden und er strich mir sanft übers Haar. Ich rappelte mich auf, unter den Blicken von diesem Björn, der leicht erstaunt guckte, und von Mo, die in dem Moment wahrscheinlich am liebsten mit einem Jagdgewehr auf mich losgegangen wäre. Worauf sollte das Ganze hinauslaufen? Ich wusste es nicht, wirklich nicht... Manchmal fasste er Mo an, strich ihr zum Beispiel übers Haar, und sie kicherte hektisch und wurde rot. Und fünf Minuten später fasste er mich an, ließ seine Hand über meinen Schenkel gleiten.
Die Mädchen sind für den leichtfertigen Lars jedoch nur Sexspielzeug und Björn weiß das. Im letzten Moment kann sich Hesther der erotischen Anziehungskraft des Verführers entziehen.
Vielleicht, überlegte ich dann, gehörte ich nun auch zu den Erwachsenen. Denn auf einmal begriff ich, warum sie oft so umständlich sind: weil man manchmal schlicht nicht sagen kann, was man wirklich fühlt. Weil das Gefühl aus unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt ist, manche gut, andere weniger gut. Und all die vielen Teile kann man unmöglich beschreiben.
Daan Remmerts de Vries lässt Hesther in einem ironisch, lakonischen, auch aggressiven Erzählton ohne ein Wort zu viel von diesem Sommer erzählen. Auch wenn sie vom inneren Gefühlschaos überwältigt wird, entscheidet sich die Protagonistin fast intuitiv letztendlich dann doch für den Richtigen.
Der Tag, an dem Sven Kammermeier aus der Elften erschossen wurde, war schon schlimm genug, obwohl da noch niemand etwas davon gewusst hatte. Und natürlich hat noch niemand etwas davon gewusst, was danach noch alles passiert ist. Ich meine, was jetzt noch passiert ist.
Mit diesen aufwühlenden Sätzen beginnt der Jugendkrimi "Siebzehn Tage im August" von Günter Ohnemus. Ursprünglich in der dritten Person geschrieben, übergibt der Münchner Autor in der Endfassung seiner Hauptfigur, dem 16-jährigen Nick, die Erzählerstimme.
"Die Ich-Form hat den großen Vorteil, dass sie mehr oder weniger in der Umgangssprache schreiben können, das heißt sie sind sehr nahe dran und sie müssen Gefühle nicht mit drei, vier Sätzen beschreiben, sondern es reicht oft ein Wort. Ich habe das Buch als es fast fertig war umgeschrieben. Das ist nicht einfach. ( lacht ) Es ändert sich sehr viel."
Finn, Nicks bester Freund, ist bei diesem Mordfall der Hauptverdächtige der Polizei. Als Zeuge konnte Nick auf dem Schulhof erleben, wie der als Schläger bekannte Sven mit einem Messer den Freund angriff. Finn kann ihn überwältigen. Aber dann bedroht Finn den am Boden liegenden Sven und das äußerst lautstark. In Windeseile entscheidet Nick für sich, dass er sein geplantes Pfadfinderlager sausen lässt und Finn auf der Flucht beisteht. Für beide Freunde beginnt nun ein stressiges, aber auch spannendes Sommerabenteuer.
Ich brauchte ein bisschen Geld für Finn. Ich hob hundert Euro ab und ging dann zu Fuß zum Sendlinger Tor. Es sah nicht so aus, als ob jemand hinter mir her wäre. Aber ich fand das alles sehr aufregend. Wie ein Spiel. Es war ernst und gleichzeitig wie ein Spiel.
Krimigeschult weiß Nick, dass die Polizei sein Handy orten kann und somit fliehen die beiden aus der ersten Intuition heraus nicht in den Süden, sondern beschließen in der Nähe des Pfandfinderlagers im Bayrischen Wald zu bleiben, in dem sich Nick aufhalten sollte. Äußerst erfindungsreich übernimmt Nick die Führung und handelt immer im Sinne des Freundes.
"Er entdeckt, dass er, ganz automatisch, er nennt es seinen Schutzengel, vorausdenken kann."
Aber Nick kann auch taktisch gut lügen, wovon er selbst am meisten überrascht ist. Die beiden lernen auf ihrer Flucht die attraktive Studentin Laura kennen. Sie hilft mit einer Wohnung aus und die drei unternehmen unbeschwerte Ausflüge. Sie reden nächtelang über Gott und die Welt und Nick verliebt sich. Fern von allem Schweren und berauscht vom unendlichen Freiheitsgefühl vergleicht Laura ihre gemeinsame Situation mit der der Hauptfiguren im Klassiker "Bonnie und Clyde".
"Und jetzt?", fragte Finn.
"Und jetzt", sagte Laura. " Jetzt überfallen wir erst mal eine Bank. Irgendwann muss man schließlich damit anfangen."
Laura hatte Geld aus dem Bankautomaten gezogen und uns in ein kleines, ziemlich gutes Restaurant in der Altstadt eingeladen.
Günter Ohnemus, und das spürt man beim Lesen, hegt viel Sympathie für seine jungen Helden, denen er viel zutraut:
"Aus Erfahrung. Ich war auch mal jung und ich war sehr gerne 16 und 17 wie diese beiden. Also mit 15 ungefähr, das hat sich ein bisschen verschoben, entscheidet sich wenigstens bei Jungs, ob man ein blöder Sack wird oder nicht. Mit 16 ist man dann entweder so oder so. Darum ist diese Zeit so wichtig. Es zeigt sich zum ersten Mal, wer man eigentlich ist oder sein kann. Diese Möglichkeit, von der man geträumt hat, kann, und in diesem Buch tut sie das, kann zum Leben werden."
Günter Ohnemus erzählt vielschichtig und genreübergreifend einerseits einen Krimi, aber auch eine leichte Liebesgeschichte und dann wieder ein mitreißendes Hohelied auf die Freundschaft. Durch den Roman zieht sich durchgängig auch das Thema Gewalt und die Frage, ob Selbstjustiz gerechtfertigt ist. Nick und Finns Freundschaft bewährt sich in diesem Sommer. Jeder würde für den anderen alles, wirklich alles tun. Und so stellt sich Nick der Gefahr, um Finn aus der ausweglosen Lage zu befreien. Das Geständnis des wahren Mörders jedoch gibt dem Roman wiederum eine neue, unerwartete Wendung. Günter Ohnemus trifft genau den richtigen Erzählton, bei dem man beim Lesen schnell vergisst, wie schwierig es ist so zu schreiben. Der Autor hält gekonnt die Balance zwischen der spielerischen Leichtigkeit des Sommerabenteuers, dem Ernst der Lage und allem Neuen, was den Jugendlichen widerfährt.
"Es hat sich verändert, dass sie zum ersten Mal im Leben, vor allem Nick, die Erfahrung gemacht haben, wie das ist, wenn man ausgestoßen ist, wenn man sich verstecken und verbergen muss und wie das ist, wenn man dann es wieder schafft ein neues Leben anzufangen. Das Buch hat ja praktisch zwei Schlüsse. Das Buch endet 30 Seiten vorher, glaube ich, mit der Kriminalgeschichte und dann kommt eine längere depressive Phase, wo Nick öfter mal sagt, alle wollen sie Abstand von mir, wo er eine absolute Leere spürt. Und dann plötzlich die Fahrt wieder aufnimmt und das neue Leben sich abzeichnet, das auch wieder mit einer Lüge anfängt."
In ihren wirklichkeitsnahen Romanen erzählen die Autoren Sigrid Zeevaert, Ralph Maier, Daan Remmerts de Vries, Jenny Han und Günter Ohnemus von unvergleichlichen Sommererlebnissen, die prägen und so schnell nicht vergessen werden. Das Gleißen der Sonne auf Wasser, der Geruch der Hitze am Mittag, das Eintauchen ins Meer - intensiv kann so ein Sommer sein und Unerwartetes oder Erhofftes kann geschehen. Doch jede Ferienzeit geht dem Ende entgegen und zurück bleiben etwas Wehmut und ein gutes Gefühl.
Titelliste:
Sigrid Zeevaert: "Oskars gemeiner Ferienplan". Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2011, 157 Seiten, 12,,95 Euro.
Ralph Maier: "14 Tage Philipp". Sauerländer Verlag, Mannheim 2011, 167 Seiten, 13,95 Euro13,95.
Jenny Han: "Der Sommer, als ich schön wurde". Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann, Carl Hanser Verlag, München 2011, 253 Seiten, 13,90 Euro.
Daan Remmerts de Vries: "Ein schwedischer Sommer". Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart, Sauerländer Verlag, Mannheim 2011, 118 Seiten, 11,95 Euro.
Günter Ohnemus: "Siebzehn Tage im August". Fischer Schatzinsel, Frankfurt a. M. 2011, 276 Seiten, 13,95 Euro.