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Verschärfte Mietpreisbremse
"Es braucht tiefgreifende Reformen in dem Bereich"

Die geplante Verschärfung der Mietpreisbremse bringe nur marginale Veränderungen, so Beatrix Zurek vom Mieterverein München im Dlf. Zwar solle der Vermieter die Vormiete nun offenlegen müssen, aber das bringe den Mietern nicht viel. Wer neu in eine Wohnung ziehe, würde sich nicht sofort über die zu hohe Miete beschweren.

Beatrix Zurek im Gespräch mit Philipp May |
    Ein Mann steht in Berlin an einem Fenster in einer Wohnung auf einer Leiter.
    Zurek: "Bisher kann der Vermieter elf Prozent der Modernisierungskosten auf den Mieter umlegen" (dpa / Jens Kalaene)
    Philipp May: Über kein Thema wird politisch so sehr gestritten wie über den richtigen Umgang mit der Migration in Deutschland. Aber glaubt man den jüngsten Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Emnid, dann ist dieses Thema den meisten Deutschen mittlerweile gar nicht mehr so wichtig. Bei der Abfrage der wichtigsten politischen Themen kam Zuwanderung auf Platz 13. Ganz vorne lagen dagegen der Kampf gegen die Altersarmut, Angleichung der Bildungschancen, bessere Kranken- und Pflegeversicherung und bezahlbarer Wohnraum.
    Und tatsächlich: Die Preise für Wohnraum besonders in den Großstädten kennen seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Für SPD-Justizministerin Katarina Barley ist das Thema Mieten deshalb die soziale Frage unserer Zeit. Jetzt hat sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, der unter anderem eine Verschärfung der Mietpreisbremse vorsieht. Kann der Besserung bringen? – Darüber spreche ich jetzt mit Beatrix Zurek, Vorsitzende des Mietervereins München. Schönen guten Morgen!
    Beatrix Zurek: Guten Morgen!
    May: 60 Quadratmeter, zwei bis drei Zimmer, Küche, Bad, ohne Schnickschnack, Münchener Randgebiet. Womit muss man da rechnen, wenn man das sucht?
    Zurek: Wenn man im Neubau unterwegs ist, kann man über 15, 16, 17, bis zu 20 Euro zum Teil auch bekommen. Im Altbau hat man vielleicht dann mehr Glück; das kommt dann jeweils auf die Lage an. Man muss sich mindestens auf hohe zweistellige Werte einstellen.
    "Regelungen zum öffentlich geförderten Wohnraum sind zu überarbeiten"
    May: Wie macht man das beispielsweise als Krankenpfleger oder Streifenpolizistin, wenn man eine Familie gründen will?
    Zurek: Ja, das ist genau das Problem, das wir schon seit Jahren ansprechen, dass im Bereich des sozial geförderten und bezahlbaren Wohnraums mehr Anstrengungen unternommen werden müssen. Nach unserer Auffassung sind die Regelungen zum öffentlich geförderten Wohnraum zu überarbeiten. Wir haben da immer noch sehr niedrige Gehälter, bis zu denen Gruppen darauf Anspruch haben. Aber es hilft natürlich nicht nur, wenn ich die Grenzen anhebe, sondern ich muss auch in dem Bereich beim Bauen was verändern. Es fallen viele Wohnungen in den letzten Jahren aus der Bindung. Wir meinen, sozialer Wohnungsbau und Investitionen darin der öffentlichen Hand, die müssen eigentlich bewirken, dass die Bindung, ich nenne es mal, lebenslang bleibt.
    May: Helfen Sie uns mal kurz? Bindung – das heißt, das ist Wohnraum, der wird gebaut und der hat sozial vermietet zu werden, und irgendwann muss er das nicht mehr und dann fällt das als Sozialwohnung weg.
    Zurek: Genau. Nach 40 Jahren können Sie dann die Immobilie so vermieten, wie Sie es gerne möchten. Sie haben dann nicht mehr die Kostenmiete, die mit dem öffentlich Geförderten verbunden ist, sondern dann einen höheren Betrag. Ich glaube, das Wichtige ist, dass man das Thema Wohnen und das Thema Boden, wie die Frau Ministerin Barley auch sagt, wirklich als eine soziale Frage versteht und erkennt, dass das ein Bereich ist, der jeglicher Spekulation entzogen werden muss.
    May: Verstehen ist das eine. Aber handelt die Regierung auch?
    Zurek: In Ansätzen. Aber wie heißt es so schön: Der Wille zählt fürs Werk, oder so ungefähr. Die Vorlage, die jetzt für die Mietpreisbremse vorgelegt wurde, ist leider wieder entschärft worden. Da hat sich offensichtlich ein Koalitionspartner durchgesetzt, der nicht so die Mieterinteressen im Vordergrund hat.
    May: Das ist aus Ihrer Sicht die Union dann, oder?
    Zurek: Ja, schon! Denn Wenn man zum Beispiel jetzt eine Mietpreisbremse hat, die nur eine einzige Verbesserung hat, einen Entwurf, der marginal ist, und wenn man beim Thema Modernisierung auch mit angezogener Handbremse fährt - das heißt, bisher kann der Vermieter elf Prozent der Modernisierungskosten auf den Mieter umlegen.
    "Die Veränderungen sind marginal"
    May: Bleiben wir erst mal ganz kurz bei der Mietpreisbremse. Die sieht jetzt vor, dass die Miete für den neuen Mieter maximal zehn Prozent höher sein darf als die ortsübliche Vergleichsmiete. Das ist doch schon mal nicht schlecht.
    Zurek: Richtig. Aber das gab es praktisch vorher schon. Die Veränderungen sind marginal. Der Vermieter soll jetzt künftig bloß noch verpflichtet sein, vor Abschluss des Mietvertrages über die sogenannte Vormiete zu informieren. Nach unserer Sicht ist es ganz, ganz wesentlich: Die Auskunftspflicht schafft natürlich ein kleines Stück mehr Transparenz. Aber die Vorschrift ist dadurch nicht wirkungsvoller. Wir hätten uns da ganz andere Regelungen vorstellen können.
    May: Wobei nach meinem Verständnis kann doch der Mieter dann einfach, wenn er die Auskunft vom Vermieter bekommen hat und die Miete ist zu hoch, die Miete aus eigenem Antrieb auf diese zehn Prozent senken.
    Zurek: Er muss das dem Vermieter anzeigen und dann wird man in den Diskurs gehen. Ab der Anzeige wirkt es dann. Und bedenken Sie, dass Sie sich in einem neuen Mietverhältnis befinden. Sie haben das ja vorhin auch angesprochen. Wenn es kein gesetzlicher Automatismus wird, dann ist es etwas schwierig. Das ist auch nicht das Gelbe vom Ei.
    Denn wer macht das schon, wenn er neu in ein Mietverhältnis hineingeht, dass er dann nach zwei Wochen sagt: Im Übrigen, schön, dass ich bei Ihnen wohne, aber ich zahle jetzt weniger. Deswegen müssen da Automatismen hinein. Sie haben ja jetzt schon die Möglichkeit, bei der Wuchermiete, die 20 Prozent drüber ist, abzukappen. Aber das sind alles Instrumentarien, wo es an der einen oder anderen Stelle hakt. Deswegen braucht es unserer Auffassung nach wirklich grundlegende, tiefgreifende Reformen in dem Bereich.
    "Es wäre am einfachsten, wenn man diese Vorschrift abschaffen würde"
    May: Eine Reform schaffen wir wahrscheinlich noch bis zu den Nachrichten, die Sie auch gerade schon angesprochen haben. Eine Methode gerade von Großinvestoren, alteingesessene Mieter loszuwerden, ist ja die Luxussanierung. Man darf die Sanierungskosten bisher jährlich bis zu elf Prozent auf die Mieter umlegen, was sich viele nicht leisten können. Jetzt sollen es nur noch acht Prozent sein. Reicht das?
    Zurek: Ja. Dabei ist gar nicht die acht Prozent so wichtig, sondern die Deckelung. Es dürfen nämlich höchstens drei Euro pro Quadratmeter sein. Die acht Prozent können zum Beispiel auch tausend Euro im Monat sein. Deswegen ist uns eigentlich die Deckelung ganz wichtig. Aber wie Sie sehen: Der Mieterbund ist ja immer unersättlich. Aus unserer Sicht wäre es am einfachsten, wenn man diese Vorschrift abschaffen würde. Deswegen kommen wir da schon ein Stück weiter.
    May: Aber dann renoviert keiner mehr.
    Zurek: Wieso? – Die Miete bildet ja den Zustand der Wohnung ab und da sieht man ja dann, welche Qualität sie hat. Renovierung hat immer zwei Gesichter. Man braucht vielleicht nicht das zweite Waschbecken im Bad und die Fußbodenheizung. Manche sind auch mit dem üblichen Standard zufrieden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.