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Verschiebung von Philip-Guston-Ausstellung
"Beschämende Form der vorauseilenden Selbstzensur"

Vier große Museen verschieben eine lange geplante Ausstellung mit Werken des amerikanischen Künstlers Philip Guston. Seine Bilder zeigen unter anderem vermummte Ku-Klux-Klan-Figuren. Hier soll in vorauseilendem Gehorsam Kontroverse vermieden werden, sagte der Kunstwissenschaftler Jörg Heiser im Dlf.

Jörg Heiser im Gespräch mit Michael Köhler |
Das Bild "Riding Around", 1969, von Philip Guston im MoMa
Kontroverse um verschobene Ausstellung: einige Gemälde von Philip Guston zeigen vermummte Ku-Klux-Klan-Figuren (imago stock&people/Rüdiger Wölk)
Die National Gallery of Art in Washington, das Museum of Fine Arts in Houston, das Museum of Fine Arts in Boston und die Tate in London haben ihre lang geplante Wanderausstellung mit Werken des amerikanischen Malers Philip Guston auf das Jahr 2024 verschoben. Als Grund gaben die Häuser in einer gemeinsamen Erklärung an, man müsse "auf eine Zeit warten, in der, wie wir glauben, die kraftvolle Botschaft der sozialen und rassischen Gerechtigkeit, die im Zentrum von Philip Gustons Werk steht, klarer interpretiert werden kann."
Cancel Culture verhindert kritische Diskussion
Jörg Heiser, Direktor des Instituts für Kunst im Kontext an der Universität der Künste in Berlin, kritisiert diese Entscheidung als falsch: "Es ist eine beschämende Form der vorauseilenden Selbstzensur, die eben auch ein Indiz dafür ist, dass diese so viel beschworene und gescholtene Cancel Culture in allererster Linie ein konservativer Impuls ist, Dinge zu verhindern, die Dinge kritisch zur Diskussion stellen."
"Völlig unstrittig, dass das rassismuskritische Bilder sind"
Philip Guston stammt aus einer russisch-jüdischen Familie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Kanada auswanderte und später in die USA übersiedelte. Kunstkritiker Heiser weist darauf hin, dass Guston sich in seinen Arbeiten ernsthaft mit politischen Diskriminierungsformen auseinandergesetzt hat, auch aus eigener Erfahrung. "Allen ist bekannt, schon lange, seit den späten 60er-Jahren spätestens, dass das natürlich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ku-Klux-Klan und dem weißen Rassismus, der White Supremacy, in den USA war und ist."
Dem Publikum mehr zutrauen
Wenn Museen und Institutionen Kunst beschneiden, bevor diese überhaupt in eine öffentliche Diskussion treten kann, sei das eine fatale Entwicklung, so Heiser. Man könne einem aufgeklärten Publikum durchaus zutrauen, die Bilder einzuordnen. "Das ist eigentlich die Pointe: Dass hier nämlich dieser vorauseilende Gehorsam vor allem dazu da ist, nicht in den Lichtkegel der Öffentlichkeit zu geraten, wo dann Leute vielleicht fragen, warum seid ihr eigentlich eine Museumsbelegschaft, die ausschließlich weiß ist?". Die "Angsthasen-Haltung" der Museen hänge auch mit Wahlkampf in den USA zusammen, analysiert Heiser. Hier zeige sich, dass man sich "aus den großen gesellschaftlichen Konfliktlinien heraushalten will".