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Verschleierung an Schulen
Niedersachsen will Burkas im Unterricht verbieten

In Bayern gilt seit kurzem ein Verschleierungsverbot - in Schulen und im öffentlichen Raum. Niedersachsen will jetzt nachziehen und bis Ende August eine entsprechende Gesetzesänderung verabschieden. Grund dafür war eine Schülerin, die jahrelang mit Gesichtsschleier am Unterricht teilnahm.

Von Hilde Weeg |
    Mädchen mit Kopftuch.
    Niedersachsen will ein Verschleierungsverbot einführen. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    Entscheidend sei, so der schulpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Björn Försterling:
    "Was passiert, wenn man die Gesichtsmimik nicht mehr erkennen kann?"
    Wenn zum Beispiel das Gesicht einer Schülerin unter einem Niquab verborgen ist – also ein Tuch den Kopf bedeckt und nur die Augen zu sehen sind. Oder aber die Mimik durch tief gezogene Kapuze und Sonnenbrille nicht erkennbar ist. Dann werde - und dieser Begriff ist neu im niedersächsischen Schulgesetz - die "Mitwirkungspflicht im Schulverhältnis" verletzt. Schülerinnen und Schüler müssten in der Schule erkennbar sein - und das wird zukünftig auch gesetzlich eingefordert werden können. Denn mit verhülltem Gesicht sei die Verständigung erschwert bis unmöglich.
    Außerdem müsse überprüfbar sein, wer da im Unterricht sitzt. Wer sein Gesicht dauerhaft verbirgt, wird also zukünftig mit Maßnahmen rechnen müssen - bis hin zum Schulausschluss. Ein explizites Burka- oder Niquab-Verbot an Schulen, wie es die CDU zunächst gefordert hatte, ist das nicht und auch kein Verbot von extremistischer Kleidung. Aber, so Försterling:
    "Mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen war es diesmal nur möglich, diesen sehr kleinen Schritt zu machen bzgl. der Kleidung und der Beeinflussung der Kommunikation."
    Überwiegende Zustimmung
    Auch unter Verbandsvertretern findet der Änderungsvorschlag überwiegend Zustimmung, zum Beispiel von Seyhan Öztürk, Vorsitzende der Föderation türkischer Elternvereine. Eine Verschleierung des Gesichts isoliere eine Schülerin und erschwere die Integration, deshalb sei der neue Passus zur Kleidung wichtig:
    "Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass eine Schülerin mit einem Niquab in der Schule erstens richtig am Unterricht teilnehmen kann und - dass es auch schwierig ist für den Lehrer aufgrund der Vollverschleierung überhaupt zu sehen, wie geht es dieser Schülerin."
    Der Vorsitzende des niedersächsischen Philologenverbands Horst Audritz lobt die Mitwirkungspflicht, die bereits in anderen Landesschulgesetzen steht und neu ins niedersächsische Gesetz aufgenommen wird:
    "Die Stärken des Gesetzentwurfes liegen darin, dass ausdrücklich betont wird, dass Schüler natürlich insbesondere eine Mitwirkungspflicht in der Schule haben, sie müssen sich einbringen, sie müssen voll in das Schulleben integriebar sein, bewertbar sein, das ermöglicht dieser Gesetzesvorschlag."
    Rund 25 Verbände und Institutionen waren um Stellungnahme gebeten worden, darunter auch die türkisch-islamische Union, kurz Ditib, die aber nicht reagiert hatte. Audritz und Öztürk fordern nun weitere Erläuterungen des Gesetzes und Hinweise für die konkrete Umsetzung durch das Ministerium und die Schulbehörden. Auch Kai Seefried, CDU fordert das:
    "Es muss konkreter werden als das, was derzeit vorgelegt ist, damit am Ende Schulleitung, Lehrkräfte, Konferenzen vor Ort nicht alleine dastehen."
    Explizite Verbote, nicht nur an Schulen
    Die CDU will explizite Verbote, nicht nur an Schulen:
    "Wir halten natürlich da an unserer grundsätzlichen Forderung fest, die Vollverschleierung im öffentlichen Raum in den Blick zu nehmen und hierfür entsprechende Regelungen zu treffen."
    Eltern- und Schülervertreter dagegen sehen in der Änderung eine Überreaktion, Mike Finke vom Landeselternrat:
    "Wir sprechen von einem Fall in Belm, wenn wir ein wenig orakeln werden es vielleicht fünf Fälle in ganz Niedersachsen sein, die ganz plötzlich eine Gesetzänderung mit sich ziehen... – ob das sanktioniert werden muss oder mit Gesprächen in vernünftiger Weise geklärt werden muss – das würde ich zielführender finden, als den Gesetzesentwurf einzubringen."
    Heiner Scholing, grüner Abgeordneter und Ausschuss-Vorsitzender, sieht sich am Ende der Diskussionen bestätigt:
    "Wir haben uns sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, das ist dem Thema angemessen, dass man das Feld sehr gut austariert, nämlich zwischen auf der einen Seite Religionsfreiheit und auf der anderen Seite staatlichem Bildungsauftrag. Wir haben das noch an einigen Stellen präzisiert, aber ich kann den sehr gut mittragen."
    Kein Ende der Diskussion in Sicht
    Die Diskussionen über angemessene Kleidung an Schulen wird damit nicht enden - wie viel oder wie wenig-, wie radikal oder wie politisch Kleidung sein darf. Aber einen Fall wie den der Schülerin in Belm, die über Jahre im Niquab zum Unterricht kam, den wird es wohl in Niedersachsen nicht mehr geben. Ab Mitte August dürfte Gesichtzeigen zur Pflicht werden.