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Verschleißfrei drehen

Technik. - Magnete haben vielfältige Einsatzbereiche in der Industrie: Sie können nach Norden weisen, Bauteile aneinanderkuppeln, Strom erzeugen und Züge schweben lassen. Stuttgarter Wissenschaftler haben jetzt gemeinsam mit einem Werkzeugmaschinenhersteller gezeigt, dass sich aus Magneten auch ein Getriebe bauen lässt. Im Gegensatz zu Zahnradgetrieben arbeite es praktisch verschleißfrei.

Von Cajo Kutzbach |
    Wenn es im Maschinenbau um hohe Genauigkeit geht, muss man Löcher nicht nur bohren, sondern ihre Innenwände sogar noch glatt schleifen. Damit das rasch geschieht, laufen die eingesetzten Werkzeuge mit hohen Geschwindigkeiten von bis zu 50.000 Umdrehungen. Doch das hält kein Zahnradgetriebe lange aus. Das genau so große, neue magnetische Getriebe jedoch kann das. Das schaffte Wolfgang Hafla vom Institut für Theorie der Elektrotechnik an der Universität Stuttgart mit einer neue Berechnungsmethode:

    "Ganz zum Anfang, als die Idee nur da war, war eigentlich gar keinem klar, ob das überhaupt funktioniert. Wir haben dann selbst nur für diesen Funktionsnachweis eine Simulation am Computer durchführen müssen. Der Nachweis ist uns gelungen. Wir haben also gewusst, dass es funktioniert. Und der nächste Schritt bestand dann eben darin, die Geometrie zu optimieren, also möglichst viel Kraft raus zu holen bei gegebenen Bauraum."

    Das Getriebe soll nämlich bei Werkzeugmaschinen in die standardisierten Werkzeughalterungen passen. Der Umfang der nötigen Berechnungen verhinderte bisher den Bau solcher magnetischen Getriebe. Wolfgang Hafla half sich mit einem Trick:

    "Unser Integralgleichungsverfahren ist auch nur deswegen einsetzbar, weil wir dieses Verfahren beschleunigt haben. Normalerweise könnte man dieses Verfahren nicht anwenden. Wir setzen so genannte Matrix-Kompressionsverfahren ein und können das Gleichungssystem, das der Computer lösen muss, sehr stark reduzieren, also im Extremfall bis auf wenige Prozent nur von dem ursprünglichen Speicherbedarf."

    Damit ließen sich Magnete und Magnetfelder zugleich berechnen und sichtbar machen:

    "Um das wirklich ingenieurmäßig begreifen zu können, mussten die Felder visualisiert werden. Auch schon allein aus dem Grund, weil wir ja interdisziplinär gearbeitet haben. Wir haben ja noch Maschinenbauer mit im Team gehabt, die nicht vom Fach waren, und um da gemeinsam ein Produkt zu entwerfen, also es gibt ja Einschränkungen von der Maschinenbauseite aus - man kann also nicht alles fertigen, was wir gerne hätten, andererseits müssen wir natürlich wissen, was die Maschinenbauer gerne hätten - war eben diese Visualisierung, die wir am Höchstleistungsrechenzentrum durchführen konnten, eine sehr wichtige Angelegenheit bei dem ganzen Prozess."

    Ohne diese bildliche Darstellung der Magnetfelder ist das Ganze schwer nachzuvollziehen. Das Innere des Getriebegehäuses ähnelt einem Kugellager. Auf der Innenseite des äußeren Ringes sitzen Magnete mit wechselnder Polung; statt der Kugeln findet man gebogene Eisenteile, die aussehen, als wären es Stücke eines kleineren Ringes, und in der Mitte sitzen auf gegenüberliegenden Seiten der Achse noch mal zwei gebogene Permanent-Magnete mit unterschiedlicher Polung.

    Dadurch dass der innere Ring weniger Eisenteile hat, als der äußere Ring Magnete, wechselt bei einer Drehung das von den Eisenteilen übertragene Magnetfeld in einem bestimmten Rhythmus und dieses rasch wandernde Magnetfeld zwingt die Achse in der Mitte mit ihren zwei Magneten sich noch rascher zu drehen. Das Prinzip ähnelt einem normalen Elektromotor, bei dem ja auch Magnetfelder die Drehung hervorrufen.

    Bei einem herkömmlichen Getriebe legen die Zähne der Zahnräder das Übersetzungsverhältnis fest. Hier ist es das Verhältnis von Magneten und den das Magnetfeld übertragenden Eisenteilen. Da die Kraft nur über Magnetfelder übertragen wird, ist das magnetische Getriebe verschleißfrei. Andreas Weinläder vom ebenfalls beteiligten Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik nennt interessante Einsatzgebiete:

    "Getriebe in Elektroautos oder auch Getriebe in Windkraftwerken. Bei Anwendungen in Werkzeugmaschinen, wo man insbesondere für das Schleifen einen Bedarf an sehr hohen Drehzahlen hat, und wo mechanische Getriebe ausscheiden würden wegen des hohen Zahnradverschleißes."

    Magnetische Getriebe sind überall dort interessant, wo der Verschleiß groß oder die Wartung teuer ist. Hohe Präzision und einen geräuschlosen Lauf bieten sie obendrein.