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Verschlungene Wege

Mikrobiologie. - Escherichia-coli-Bakterien sind nützliche und vor allem weit verbreitete Bakterien, die die Därme von Menschen und zahlreichen Haustierarten bevölkern. Der jetzt grassierende EHEC-Erreger hat sich die Geninformation für ein Gift angeeignet, ansonsten lebt er an genauso vielen Orten wie seine ungiftigen Verwandten. Das macht die Suche nach der Infektionsquelle so schwierig.

Von Volkart Wildermuth |
    EHEC, dieses Kürzel war vor zwei Wochen wohl nur Experten geläufig. Dabei ist sind Enterohämorrhagische Escherichia-coli-Bakterien keine Unbekannten in Deutschland

    "Wir haben in Deutschland etwa 1000 Fälle, die uns im Jahr übermittelt werden und etwa 60 dieser Fälle sind dann schwere Verlaufsformen also HUS. Wir haben im Jahr in Deutschland etwa zwei bis drei Todesfälle durch dieses hämolytisch-urämische Syndrom."

    So die Biologin Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert-Koch-Institutes. Das Berliner RKI ist in Deutschland für die Überwachung von Infektionskrankheiten zuständig. Bei dem aktuellen Ausbruch erkranken vor allem erwachsene Frauen. Das ist ungewöhnlich, bislang waren vor allem Kinder und Jugendliche gefährdet. Die Quelle der Bakterien ist normalerweise ein Bauernhof. E.-coli-Bakterien gehören zu den ganz normalen Darmbewohnern aller Säugetiere, auch des Menschen. Sie sind sogar nützlich für die Verdauung.

    "Der große Unterschied ist, dass dieser EHEC eine genetische Information hat, die ihn dazu befähigt ein Gift zu bilden. Und das Gift heißt Shiga-Toxin und das ist auch der wichtigste Faktor der beim Menschen zu den Krankheitssymptomen führt","

    erläutert Professor Lothar Wieler, vom Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der Freien Universität Berlin. Drei bis vier Tage nach der Infektion kommt es zu starken Durchfällen. Gelangt das Shiga-Toxin in die Blutbahn schädigt es die Blutkörperchen. Nach etwa einer Woche entwickelt sich dann das Hämolytisch-urämische Syndrom HUS, bei dem die Niere und zum Teil auch das Nervensystem dauerhaft geschädigt wird. Die EHEC-Bakterien finden sich vor allem im Darm von Wiederkäuern. Mindestens die Hälfte der Deutschen Rinder trägt den Keim in sich. Die Tiere selbst erkranken allerdings nicht. Erst wenn EHEC den Menschen erreicht, wird er zum Problem. Kleinkinder stecken sich gelegentlich schon beim Streicheln einer Kuh, eines Schafes oder eine Ziege an. Susanne Glasmacher:

    ""Diese EHEC-Bakterien haben die unangenehme Eigenschaft, dass eine sehr kleine Menge ausreicht, man sagt immer so 100 Bakterien, das ist sehr wenig, so dass ein winziger Kotspritzer auf dem Fell zum Beispiel, den man natürlich nicht bemerkt, dann ausreichen kann. Deswegen sollte man sich natürlich immer die Hände waschen, wenn man Tiere gestreichelt hat, insbesondere eben diese Wiederkäuer."

    Auch Rohmilch kann ein Übertragungsweg sein, genauso wie der Verzehr von nicht ausreichend gegartem Fleisch und von Rohwurstsorten wie Tee- oder Zwiebelmettwurst. Das haben Kollegen von Susanne Glasmacher schon vor einigen Jahren herausgefunden. Beim aktuellen Ausbruch sind die Epidemiologen des Robert-Koch-Institutes schnell nach Hamburg gereist und haben den Kranken lange Fragebögen zu ihren Ernährungsgewohnheiten vorgelegt. Glasmacher:

    "Sie versuchen natürlich herauszukriegen, haben die dasselbe gegessen? Oder das gleiche vielmehr gegessen? Und wichtig ist natürlich auch eine Kontrollgruppe zu haben, die ungefähr die gleiche Altersgruppe, das gleiche Geschlecht, die gleiche Region umfasst. Und dann kann man sagen diejenigen, die eben erkrankt sind, haben ein erhöhtes Risiko für rohe Gurken, rohe Tomaten oder rohe Blattsalate."

    Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch spielt nach den Daten des Robert Koch Institutes dagegen keine Rolle. Susanne Glasmacher schließt daraus, dass sich die die Angehörigen der Durchfallkranken offenbar sorgfältig die Hände waschen. Dass sich ein Bakterium aus dem Tierdarm über Pflanzen weiterverbreitet, ist nicht ungewöhnlich. Lothar Wiesler erinnert sich an einen Ausbruch über frisch gepressten Apfelsaft. Und in Japan infizierten sich 1996 fast 10.000 Menschen an mit EHEC belasteten Sojasprossen.

    "Dort wurde ein Feld im Rahmen von einem Gewitterausbruch kontaminiert mit Abwässern von einem Bauernhof, das hat derjenige wahrscheinlich gar nicht gemerkt. Also die Wege sind sehr, sehr breit. Möglich ist sehr, sehr vieles."

    Entscheidend ist deshalb eine gute Hygiene auf allen Stufen der Lebensmittelproduktion. Irgendwo ist da offenbar ein Fehler gemacht worden. Nach dieser EHEC-Quelle wird zurzeit fieberhaft gesucht, wird sie verstopft, endet der Ausbruch aber nicht abrupt, meint Susanne Glasmacher.

    "Selbst wenn heute die Quelle gefunden würde, könnte noch in etwa zehn Tagen Fälle auftreten und einzelnen Fälle dann vermutlich noch bis zu drei Wochen, wenn man die Extremzeiten der Inkubationszeit sich anschaut. Aber jetzt müssen wir erst mal die Quelle finden, und dann kann man dann hoffen, dass es in der Tat weniger wird."