Erst waren es angespülte Wrackteile auf der Insel Réunion, dann an der Küste von Mozambique, zuletzt auf Mauritius: Für Jennifer Chong aus Melbourne sind alle Nachrichten über Flug MH 370 gute Nachrichten. Ihr Ehemann war an Bord der immer noch verschollenen Maschine. Jennifer hofft, dass selbst das kleinste Treibgut, das irgendwo im Indischen Ozean aufgefischt wird, das fehlende Stück des Puzzles sein könnte, das das Rätsel um Flug MH 370 löst.
"Ich hoffe, dass uns die gefundenen Teile Hinweise darüber geben, wie das Flugzeug abgestürzt ist – aber: Können sie all die offenen Fragen über das verschollene Flugzeug beantworten? Ich möchte wissen was meinem Mann zugestoßen ist. Ohne die Wahrheit werde ich nie darüber hinwegkommen."
Judith Zielke sucht seit jetzt zwei Jahren nach der Wahrheit, seit Luftfahrtexperten davon überzeugt sind, dass das Flugzeug höchstwahrscheinlich über dem Indischen Ozean abgestürzt ist. Zielke ist Beamtin im australischen Transportministerium in der Hauptstadt Canberra. Von dort aus koordiniert sie die Bemühungen MH 370 zu finden, hält Kontakt zu den Familien der Vermissten und informiert sie wöchentlich über den Verlauf der Suche. Zielke ist nicht an Verschwörungstheorien interessiert, dass das Flugzeug irgendwo gelandet sein könnte und sie spekuliert auch nicht über eine mögliche Absturzursache. Alles, was Judith Zielke will, ist MH 370 zu finden.
"Es ist ermutigend, dass Trümmer auftauchen. Vor allem in Gegenden, in die sie nach einem Absturz gemäß unseren Berechnungen der Strömung im Indischen Ozean abgedriftet sein könnten. Wir hoffen jeden Morgen, dass wir das Flugzeug über Nacht geortet haben. Aber in diesem schlechten Wetter und bei derart starkem Wind ist das sehr, sehr schwierig."
Flugzeug liegt in bis zu 6.000 Metern Tiefe
Das Suchgebiet liegt etwa 2500 Kilometer westlich der australischen Küstenstadt Perth in einer der ungemütlichsten Gegenden des Indischen Ozeans. Unberechenbares Wetter, turmhoher Seegang und unablässige Sturmböen: Die Region der Westwinddrift zwischen dem 40. und 50. Grad südlicher Breite heißt nicht umsonst "Roaring Fourties". Paul Kennedy ist Spezialist in Unterwasser-Erkundung. Er hat dort drei Schiffe im Einsatz, die – mit Echoloten im Schlepptau – per Sonar den Meeresboden abtasten. Kennedy und sein Team suchen eine winzige Nadel in einem riesigen Heuhaufen: Das Wrack eines Flugzeuges in bis zu 6.000 Metern Tiefe, in einem Gebiet von der Fläche Englands.
"Wir suchen rund um die Uhr den Meeresboden ab, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Alle sechs Wochen wird wieder aufgetankt. Wir fühlen eine enorme Verantwortung: Nicht nur gegenüber den Hinterbliebenen der verschollenen Passagiere sondern gegenüber jedem, der sich in ein Flugzeug setzt."
95.000 von 120.000 Quadratkilometern Ozean hat Paul Kennedys Crew mittlerweile durchkämmt und nicht einen Hinweis auf Flug MH 370 gefunden. Keine Trümmer, keine Gepäckstücke, kein Wrack - nichts. Angus Houston, Australiens höchstdekorierter Luftwaffenoffizier, hat ein halbes Jahr lang vor Ort in Perth die Suche im Indischen Ozean geleitet. Er rechnet damit, dass das wahrscheinliche Absturzgebiet vor der westaustralischen Küste in ein paar Monaten vollständig abgesucht sein wird. Was dann passiert, sollte es weiter keine Spur des Flugzeuges geben, darüber kann Angus Houston nur spekulieren.
Hohe Kosten gefährden das Projekt
"Die Suche abzubrechen oder fortzusetzen – das liegt nicht alleine bei Australien. Wir werden diese Entscheidung gemeinsam mit den Regierungen von Malaysia und China treffen. Denn diese drei Länder haben das größte Interesse daran, dass wir das Flugzeug finden."
Die Suche nach MH 370 im Indischen Ozean hat bisher mehr als 60 Millionen Euro verschlungen. Vor zwei Jahren versprachen australische Politiker, dass sie nichts unversucht ließen, um das Flugzeug zu finden – koste es was es wolle. Heute wird nur noch darüber geredet, dass man das alles nicht länger bezahlen könne. Wie viele Angehörige der Vermissten von Flug MH 370 fühlt sich Jennifer Chong im Stich gelassen. Denn Gewissheit und Seelenfrieden sind für sie mit Geld nun einmal nicht aufzuwiegen.
"Es ist unendlich schwierig nichts zu wissen. Ich frage mich: Hat mein Mann gelitten, hat er noch versucht mich anzurufen ? Ohne mich selbst zu belügen: Ich hoffe immer noch - das bin ich meinem Mann schuldig. Solange ich nicht einen 100%igen Beweis habe, weigere ich mich zu akzeptieren, dass er tot ist."