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Verschwendet oder sinnvoll investiert?

Die EU hat viel Geld in die Infrastruktur der portugiesischen Atlantikinsel Madeira gepumpt, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Doch in der Krise steigt auch dort die Arbeitslosenrate und die Wirtschaft stagniert. Kritiker machen den Inselregierungschef Alberto Joao Jardim dafür verantwortlich.

Von Jochen Faget |
    Luís Sardinha ist ein vielbeschäftigter Mann: Jetzt, um vier Uhr nachmittags, füllt er Maracuja-Fruchtfleisch in eine Maschine - zwei Angestellte helfen ihm dabei. Der Landwirt baut seit knapp zehn Jahren tropische Früchte an. Jetzt blickt er nervös auf die Uhr:

    "Vor einer halben Stunde war ich noch in Machico am anderen Ende der Insel, habe frische Maracujas an einen großen Supermarkt geliefert. Dann war ich an der Nordküste, jetzt machen wir hier Fruchtsaftkonzentrat. Vor 20 Jahren wäre das undenkbar gewesen."

    Aber nicht etwa, weil es damals keine tropischen Früchte auf Madeira gab. Sondern weil die Straßen fehlten. Vor 20 Jahren dauerte die 50-Kilometer-Fahrt von Sardinhas Hof in Calheta zum Supermarkt in Machico gut vier Stunden. Über kurvenreiche, enge Wege, bergauf und bergab. Heute führt eine Schnellstraße mit mehreren Tunneln dorthin, sicher und in 30 Minuten.

    Die Atlantikinsel Madeira, im offiziellen EU-Kauderwelsch gehört sie zu den "ultraperiphären Regionen", hat millionenschwere Fördermittel bekommen - ebenso wie die spanischen Kanaren oder das französische Martinique. Zum Ausgleich der Nachteile der Randlage und um Infrastrukturen auszubauen. Und zwar mit guten Ergebnissen, so hat es die EU immer wieder bestätigt. Inselregierungschef Alberto João Jardim ist stolz:

    "Wir haben die Chance genutzt, unsere Lage mit EU-Zuschüssen und Darlehen zu verbessern. Hätte ich das damals nicht getan, wäre Madeira heute noch so rückständig, wie vor 30 Jahren."

    Allerdings: Portugal ist jetzt faktisch pleite. Auch die autonome portugiesische Region Madeira kann die Kredite, die sie damals aufgenommen hat, nicht mehr ohne Hilfe zurückzahlen. Und selbst die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht nun ironisch von Geldverschwendung:

    "Wer einmal auf Madeira war, der wird total überzeugt sein, dass europäische Strukturfonds super eingesetzt sind, weil dort viele, viele schöne Tunnels sind und Autobahnen. Aber ob das dazu geführt hat, dass dort mehr Wettbewerbsfähigkeit ist, das ist nicht der Fall."

    So leicht dürfe man es sich aber nicht machen, findet der Unternehmer und ehemalige Oppositionspolitiker Duarte Caldeira. Das Problem liege tiefer:

    "Das neue Straßennetz ist gut für unsere Wirtschaft. Aber natürlich wurden Fehler gemacht und es wurde übertrieben. Alles kam zu teuer, wir hätten mit dem Geld viel mehr erreichen können."

    Der Vorwurf geht an Alberto João Jardim. Seit über 30 Jahren regiert er mit seiner Partei, der rechtsliberalen PSD. Da habe sich viel verfilzt, Seilschaften verdienten an der Verbesserung der Lebensqualität und der Wettbewerbsfähigkeit kräftig mit, betont Duarte Caldeira:

    "All die Freunde des Regierungschefs sind reich geworden. Er selbst mag nicht korrupt sein. Aber alle im Dunstkreis der Macht haben große Vermögen gemacht. Und niemand fragt, wie."

    Das wäre auf Madeira auch nicht einfach. Selbst jetzt, in der Krise, herrscht der inzwischen 69-jährige Alberto João Jardim, unumschränkt und wie ein König. Seine Regierung gibt sogar die größte Tageszeitung auf der Insel heraus. Die Oppositionsparteien landeten bei den Wahlen vor einem Jahr weit abgeschlagen hinter der Regierungspartei. Obwohl die Arbeitslosigkeit auch auf Madeira ständig steigt und die Wirtschaft stagniert, sitzt Alberto João Jardim nach wie vor fest im Sattel.

    Das gibt sogar der kommunistische Regionalparlamentsabgeordnete Edgar Silva zu:

    "Er kontrolliert noch immer die Gesellschaft, hat noch immer viel Macht. Und er hat starke Verbündete in Politik und Wirtschaft, die die Probleme unserer Region verschleppen können – bis zum Untergang"