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Verschwörungstheorien in Corona-Zeiten
"Es betrifft eher Männer als Frauen"

Verschwörungstheorien seien ein altes Phänomen, sagte die Historikerin Hedwig Richter im Dlf. Besonders anfällig dafür seien Männer. Diese könnten schwerer akzeptieren, dass sie gewisse Dinge nicht verstehen können. Es bliebe aber ein Minderheitenphänomen, das keine Gefahr für die Demokratie darstelle.

Hedwig Richter im Gespräch mit Stefan Heinlein |
01.05.2020, Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin: Ein Schild mit der Aufschrift «Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Freiheit." (l) und ein Banner "Coronapanik frisst Grundgesetz" (r) sind bei der Mahnwache zu sehen, zu der sich am Pfaffenteich mehrere hundert Bürger versammeln und gegen die Corona-Schutzmaßnahmen protestieren. Nach Aufforderungen der Polizei wurde das Treffen aufgelöst. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Verschwörungstheorien - ein Minderheitenphänomen, sagt Historikerin Richter (DPA / Jens Büttner)
In Zeiten der Corona-Krise kursieren die wildesten Verschwörungstheorien. Und je länger die Corona-Krise dauert, umso rascher verbreiten sich Fakes News und Verschwörungstheorien. Mal werden chinesische Labore, mal US-Forscher für den Ausbruch verantwortlich gemacht, mal sieht man die Abschaffung der Demokratie auf uns zukommen.Doch was steckt eigentlich hinter dem Boom der Verschwörungstheorien?
Ein Blick in die Geschichtsbücher helfe Verschwörungstheorien zu verstehen, sagte Hedwig Richter, Zeithistorikerin an der Universität der Bundeswehr in München. "Verschwörungstheorien galten bis in die Mitte des 20 Jahrhunderts als legitimes Wissen, und sie waren für viele Staaten wirklich handlungsleitend gewesen."
Falschmeldungen zu COVID-19 - Der Boom der Corona-Verschwörungstheorien
Fake News, Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen haben in der Coronakrise Konjunktur. Ein Grund für die Verbreitung: der Kontrollverlust durch das Virus, sagen Experten.
Eine wichtige Funktion von Verschwörungstheorien sei, dass man Komplexität und auch Kontingenz reduziere. "Die Welt erscheint unwahrscheinlich kompliziert, und man hat sowieso schon eigene Erklärungsmuster, wie zum Beispiel 'der Jude ist an allem schuld oder der Kapitalismus' – und dann werden die komplizierten Dinge, die passieren, in dieses Erklärungsmuster eingeordnet."
Ein Minderheitenphänomen
Dennoch weist die Historikerin darauf hin, dass Verschwörungstheorien ein Minderheitenphänomen seien. "Das wird viel sichtbarer durch soziale Medien, und durch sowas wie die Corona-Krise suchen ja auch Journalisten nach Themen, und dann kommt es sehr stark in die Nachrichten." Es sei sonst aber auch da.
Besonders anfällig für Verschwörungstheorien seien Menschen, die schlecht mit Unsicherheit und Ambivalenz umgehen können. "Es betrifft auch eher Männer als Frauen", sagte sie. "Ich denke, dass das sehr viel mit der Krise der Männlichkeit zu tun hat, und dass es in gewisser Weise auch Parallelen gibt dazu, dass Männer eher bereit sind, radikale und extremistische Parteien zu wählen." Für Männer sei es viel schwerer zu akzeptieren, dass sie gewissen Dinge nicht verstehen können.
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Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Keine Gefahr für die Demokratie
"Demokratie lebt von Kritik und kritischen Geistern, aber Demokratie lebt auch ganz stark von Transparenz. Sie lebt davon, dass man einen gewissen Konsens braucht und ein Grundvertrauen in das System", so die Historikerin. Und wenn das untergraben werde, könne das zum Problem werden. Die Demokratie sehe sie nicht gefährdet: "Verschwörungstheorien sind ein altes Phänomen und unsere Demokratien sind stark genug, damit umgehen zu können."
Es sei nicht gut Verschwörungstheorien zu verschweigen, aber man sollte sie nicht zu hochhängen, sagt sie. Ein gutes Gegenmittel seien Fakten und Informationen. Fakten können wie ein Impfschutz gegen Verschwörungstheorien wirken.