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Versicherungs-Ombudsmann zieht Bilanz
Streitfälle nehmen zu

Die Zahl der Beschwerden über Versicherungsverträge, die den Ombudsmann der Versicherungswirtschaft erreichen, haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Gründe dafür sind unter anderem der Diesel-Skandal und die Rechtsprechung zum Widerruf von Lebensversicherungen und Darlehen.

Von Dieter Nürnberger |
    Der Schriftzug "Lebensversicherung" ist am 04.12.2014 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) unter einer Lupe auf Unterlagen für Versicherungen zum Teil zu lesen.
    Bei Rechtsschutz- und Lebensversicherungen gibt es die meisten Beschwerden (dpa / picture alliance / Jens Büttner/)
    Grundsätzlich zeigt die soeben vorgelegte Jahresbilanz des Ombudsmannes der Versicherungswirtschaft, dass auf jeden Fall ein Beratungs- oder auch Schlichtungsbedarf seitens der Versicherten besteht. Denn 2017 gab es knapp 15.000 zulässige Beschwerden - das ist der höchste Wert seit Aufnahme dieser Tätigkeit der Schlichtungsstelle vor 17 Jahren. Und an der Spitze steht mit Günter Hirsch, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofes, auch ein allseits anerkannter Jurist, dessen Wort natürlich entsprechendes Gewicht hat.
    Bei den Beschwerden geht es natürlich um sämtliche Bereiche des Versicherungsschutzes - immerhin gibt es rund 400 Millionen Versicherungsverträge in Deutschland. Es geht um Unfallversicherungen, ebenso um Rechtsschutz- oder Lebensversicherungspolicen. Diese Bereiche stehen ganz oben auf der Bilanzliste, die auch stets aktuelle Fragen oder politische Entscheidungen mit abbildet, so Ombudsmann Günter Hirsch:
    "Die Rechtsschutzversicherung hat jetzt die Lebensversicherung als stärkste Beschwerdesparte auf den zweiten Platz verdrängt. Dafür gibt es zwei Ursachen: Es sind gewissen Themenkomplexe aufgetreten, die Massenbeschwerden ausgelöst haben. Da ist einmal der "VW"-Abgasskandal. Und zum zweiten war es die Rechtsprechung zum Widerruf von Lebensversicherungen und Darlehen."
    Massenbeschwerden wegen des Dieselskandals
    Bleiben wir beim Beispiel der Abgasmanipulationen, die ja mehrere Autohersteller hierzulande betreffen. In diesem Zusammenhang erreichten den Ombudsmann vergleichsweise viele Beschwerden - nämlich immer dann, wenn Fahrzeugbesitzer Rechtsschutz und somit Übernahme der Kosten bei Klagen wegen dieser Manipulationen verlangten. Die meisten Versicherer lehnten dies ab - sie verwiesen lediglich auf das angebotene Software-Update als Mängelbeseitigung. Und dann kam es eben zu diesen Massenbeschwerden, weil auch spezielle Anwaltskanzleien mit diesem Streitpunkt regelrecht geworben haben. Hier konnte der Ombudsmann dann eine informelle Schlichtung durchsetzen. Mit einem Ergebnis, dass wohl auch die Versicherten zufriedenstellen dürfte.
    "Da war die Idee, dass man mit Regulierungsvereinbarungen zwischen diesen Anwaltskanzleien und den Rechtschutzversicherern vermittelt. Dahingehend, dass beispielsweise die Honorarhöhe limitiert wird, dass diese Pauschalhonorare verlangen. Eine solche Kanzlei reduziert also ihre Honoraransprüche. Und als Gegenleistung übernimmt der Rechtschutzversicherer dann in der Tat die Leistung des Rechtschutzes. Das war ein Kompromiss, mit dem hunderte der Beschwerden erledigt werden konnten."
    Ombudsmann mischt sich auch in aktuelle Fragen ein
    Gerade auf der politischen Ebene tut sich im Rechtsbereich Schlichtung derzeit recht viel. Beispiel: Musterfeststellungsklage. Der Regierungsentwurf ist vor rund zwei Wochen eingebracht worden. Ombudsmann Günter Hirsch begrüßt dies, weil Streitfälle künftig schneller durch klageberechtigte Verbände gelöst werden können. Allerdings müssten Verbraucher dann in einem zweiten Schritt weiterhin individuell versuchen, ihren Anspruch durchzusetzen. Günter Hirsch will hier mehr: Er möchte, dass der Gesetzgeber die Unternehmen verpflichtet, sich einem Schlichtungsverfahren zu unterwerfen.
    "Dass man dann - wenn ein Verbraucher seinen Anspruch geltend macht und das Unternehmen abwinkt - nicht den Verbraucher zwingt, zum Gericht zu gehen. Sondern: Er kann eine außergerichtliche Streitbeilegung einleiten und - jetzt kommt das Wesentliche - das Unternehmen ist verpflichtet, sich auf dieses außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren einzulassen. Denn nach gegenwärtigem Recht ist das nicht der Fall."
    Daran hört man, dass der ehemalige BGH-Präsident als Ombudsmann der Versicherungswirtschaft sich weiterhin auch in aktuelle Fragen einmischt.