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Versicherungsbranche
Impfstatusabfrage und höhere Kassenbeiträge sind noch kein Thema

Noch kommt aus der Versicherungsbranche das Signal: Corona und Long-Covid stellen keine schwerwiegende Belastung für die Versicherer dar. Die Leistungen würden erbracht und das sei auch finanzierbar. Und doch fordern erste Stimmen, die Tarife etwa für private Versicherungen am Impfstatus auszurichten.

Von Nikolaus Nützel |
Ein Patient trainiert auf einem Flur im Krankenhaus das Gehen. Die Aufnahme zeigt ihn von hinten.
Nach einer Coviderkrankung sind viele Menschen berufsunfähig, im letzten Jahr berichten Versicherer von einem sprunghaften Anstieg. Oft sind Reha-Maßnahmen nötig. Aktuell halten sich die privaten Versicherer mit Gedankenspielen zu Beitragserhöhungen zurück. (Picture Alliance / dpa / Jan Woitas)
Fatime Osmani arbeitet bei einem ambulanten Krankenpflegedienst im bayerischen Rosenheim. Im Januar dieses Jahres infizierte sich ein älteres Ehepaar, um das sie sich kümmert, mit Corona. Kurz darauf sei auch sie an COVID-19 erkrankt, erzählt sie. "Ganz schlimm waren die Symptome mit Husten, mit Fieber. Dann konnte ich auch wirklich nicht von meinem Bett rauskommen."
Anfang der 90er-Jahre ist die Pflegerin als Kriegsflüchtling aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. Große gesundheitliche Probleme habe sie nie gehabt, sagt die 62-Jährige. Ihre Covid-Erkrankung sei aber ein Einschnitt gewesen. Im Sommer war sie vier Wochen in einer Reha-Klinik der Berufsgenossenschaften in Bad Reichenhall, die auf Lungenerkrankungen spezialisiert ist. "Von sieben Uhr bis Nachmittag waren wir beschäftigt. Hat mir sehr gut geholfen, viel gebracht." Auch wenn die Reha gut geholfen hat – die Pflegerin hat immer noch Probleme, die nach ihrer Einschätzung Langzeitfolgen ihrer Corona-Infektion sind.
"Ich versuche es mit meiner ganzen Kraft. Aber manchmal geht es nicht, nein. Zum Beispiel: Ich wohne im zweiten Stock. Wenn ich in den zweiten Stock komme, muss ich ein bisschen schnaufen. Weil die Lungen sind noch nicht, kann man sagen, geheilt, oder noch nicht in Ordnung. Und ich bin manchmal auch müde. Was ich auch gemerkt habe: Ich bin auch sehr vergesslich."

Die langen Folgen von COVID-19

Fred Zagrodnik kennt solche Berichte von Corona-Patienten über Langzeitfolgen. Und er kann die Liste der Symptome des Post Covid- oder Long-Covid-Syndroms noch deutlich verlängern.
"Da geht es also um beispielsweise Fatigue, also eine Antriebsverminderung, da geht es um Konzentrationsschwierigkeiten, da geht es um Verdauungsstörungen, da geht es um neurologische Beeinträchtigungen. Und ganz oft eben auch psychologische Beeinträchtigungen: Die Menschen sind in ihrer Psyche da eben auch stark beeinträchtigt."
Zagrodnik ist Referatsleiter Berufskrankheiten bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat er mit einer neuen Herausforderung zu tun: Menschen, wie die Pflegerin Fatime Osmani, die sich bei der Arbeit mit dem Virus anstecken, fallen oft in die Zuständigkeit der Unfallversicherung, denn ihre Erkrankung gilt als Berufskrankheit, um die sich die Berufsgenossenschaften kümmern, und indirekt auch ihr Dachverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Dort werden auch die Statistiken über Corona als Berufskrankheit geführt.
„Während wir im letzten Jahr ungefähr 30.000 Meldungen von Berufskrankheiten und Unfällen, Arbeitsunfällen hatten, sind wir jetzt mittlerweile bei etwa 200.000 Meldungen insgesamt. Das heißt, 170.000 Meldungen sind in diesem Jahr etwa dazugekommen, also eine drastische Steigerung.“

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Rund siebenmal mehr gemeldete Berufskrankheiten als in normalen Jahren, vor allem weil Personal aus dem Gesundheits- und Erziehungsbereich bei der Arbeit erkrankt ist – das sei eine beträchtliche Herausforderung, sagt Zagrodnik. Er kennt Beschwerden darüber, dass die Bearbeitung von Anträgen lange dauere. Diese Klagen seien anfangs zum Teil auch berechtigt gewesen, räumt er ein. Inzwischen habe sich die Lage aber verbessert:
"Gerade vor der Frage, welche Beweisanforderungen müssen wir stellen, wie genau muss das alles belegt sein, haben wir uns mangels Routine vielleicht einmal etwas schwerer getan, als das mittlerweile der Fall ist. Da sind bestimmte Arbeitsabläufe einfach in den Standard übergegangen, da haben wir weniger Zeitaufwand einzukalkulieren."
Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen hätten bei der Bewältigung dieser Herausforderung einen Vorteil, sagt Zagrodnik: Sie haben den gesetzlichen Auftrag, bei einer Berufskrankheit oder einem Arbeitsunfall dafür zu sorgen, dass die Betroffenen wieder arbeiten können. Bei sogenannten BG-Fällen müssten Ärzte oder Physiotherapeuten nicht so sehr auf Budgetzwänge achten, wie es bei anderen Erkrankungen der Fall ist, die in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenkassen fallen.
"Die gesetzliche Krankenversicherung ist verpflichtet, ihre Leistungen auf das medizinisch Notwendige zu beschränken, während die gesetzliche Unfallversicherung nach dem Prinzip 'mit allen geeigneten Mitteln' arbeiten kann. Auch dabei ist die Verhältnismäßigkeit zu bewahren, die gesetzliche Unfallversicherung hat auch kein Geld aus dem Fenster zu werfen. Aber es gibt sehr wohl Möglichkeiten wie jetzt gerade in der Phase, in der wir mit Covid 19 auch noch viele Erfahrungen werden sammeln müssen."
Eine Frau sitzt erschöpft in einem Büro.
Erschöpfungszustände und Antriebslosigkeit, teils auch Depression können zu den Long Covid Symptomen gehören. (dpa / picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert)

Staat bezuschusst, damit der Kassen-Beitragssatz stabil bleiben kann

Die Frage, ob man Corona-Patienten als Versicherte lieber gar nicht erst aufnimmt, stellt sich dabei für die gesetzliche Unfallversicherung nicht, ebenso wenig wie für die gesetzliche Krankenversicherung. Wer als gesetzlich Pflichtversicherter in ihre Zuständigkeit fällt, den müssen Kranken- und Unfallversicherer aufnehmen, egal welche Vorerkrankungen oder Risiken die Person mitbringt. Falls die Kosten steigen, gehen entweder auch die Beiträge nach oben oder der Staat schießt Steuermittel zu. So hat die Bundesregierung noch kurz vor Jahresende zusätzliche sieben Milliarden Euro für die gesetzlichen Krankenkassen auf den Weg gebracht, damit der durchschnittliche Kassen-Beitragssatz stabil bleiben kann.
Anders ist die Situation in der privaten Versicherungsbranche: Sie kann vergleichsweise frei entscheiden, welche Verträge sie mit ihren Kunden schließt. Auf diese Weise können die Privatversicherer auch darauf achten, dass sie ihre Kosten im Griff behalten. Vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, GDV, heißt es aber: Covid-19 sei vor knapp zwei Jahren zwar eine neue Erkrankung gewesen, doch neue Krankheiten gebe es immer wieder. Dadurch würden bestehende Verträge nicht in Frage gestellt, sagt der GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen:
"Bereiche, wo Corona eine Rolle spielen könnte, sind natürlich die Berufsunfähigkeitsversicherung und die Risikolebensversicherung. Dazu kann man vereinfacht sagen: Beide Versicherungstypen decken Corona mit ab. Wenn denn ein Versicherter oder eine Versicherte durch Long Covid berufsunfähig wird, dann leistet die Berufsunfähigkeitsversicherung. Und wenn, so tragisch das ist, ein Versicherter oder eine Versicherte infolge einer Corona-Erkrankung stirbt, dann leistet die Risikolebensversicherung."

Für die Private Krankenversicherung gelte das Gleiche, sagt der Geschäftsführer des PKV-Verbandes Stefan Reker. "Es ist eigentlich also unter Versicherungs-Gesichtspunkten eine Krankheit, eine Infektion wie jede andere auch, also für die bereits Privatversicherten, knapp neun Millionen Menschen in Deutschland, ändert sich dadurch gar nichts. Und nach meinem Überblick ändert es auch nichts für die künftigen Versicherten, für die Neuverträge."

Extrem wichtig, Vorerkrankungen beim Versicherer anzugeben

Auch wer derzeit nach einer privaten Kranken-Vollversicherung oder Zusatzversicherung sucht, brauche sich keine Sorgen zu machen, wenn er eine Corona-Infektion hinter sich hat, sagt Reker.
"Neue Versicherte müssen nicht befürchten, dass sie durch die Angabe dieser Erkrankung irgendwie schlechter kalkuliert werden oder gar abgelehnt werden. Davon ist mir nichts bekannt aus der Branche. Aber ganz wichtig ist es auf jeden Fall, jede Vorerkrankung auch vollständig wirklich anzugeben bei einem neuen Vertrag. Das ist rechtlich extrem wichtig. Und wenn man wegen einer Corona-Erkrankung, einer COVID-19-Erkrankung in ärztlicher Behandlung war, dann muss das unbedingt bei einem Versicherungsantrag angegeben werden. Wenn Sie einfach nur so Symptome hatten, Corona-positiv waren, aber damit gar nicht zum Arzt gehen mussten, keine Behandlung nötig hatten, dann müssten sie das da auch gar nicht angeben. Und die Versicherungen, soweit ich das überblicke, fragen auch gar nicht explizit in ihren Fragebögen.“
In der privaten Pflegeversicherung wird zwar kommendes Jahr eine Art Sonderabgabe fällig. Zwischen 20 und 88 Euro im Jahr müssen Privatversicherte aufs Jahr 2022 gerechnet zahlen, um einen Beitrag zum sogenannten Pflege-Rettungsschirm zu leisten. Auch in der Privaten Krankenversicherung kommen auf viele Versicherte höhere Prämien zu. Doch die Anstiege dort hätten eine ganze Reihe von Ursachen, heißt es vom PKV-Verband. Das Zinstief an den Kapitalmärkten etwa macht es für die Privatversicherer schwer, ihre Rücklagen mit einer ordentlichen Rendite anzulegen. Gesetzliche Versicherungen haben dieses Problem nicht, sie bilden so gut wie keine Rücklagen. Auch allgemeine Kostensteigerungen erhöhen bei den Privaten Krankenversicherern den Druck auf die Prämien. Corona sei dabei aber kein besonderer Treiber, sagt der PKV-Verbandsgeschäftsführer Reker.
"Natürlich haben wir milliardenhohe Zusatzkosten durch Corona, auch weil die Bundesregierung die private Krankenversicherung an der Finanzierung der Rettungsschirme beteiligt hat, und ähnliches mehr. Aber auf der Gegenseite sind auch viele Behandlungen weggefallen. Offenbar, weil die Menschen auch Angst haben, zum Arzt zu gehen und lieber erstmal abwarten, bis die Wartezimmer nicht mehr von Corona-Kranken möglicherweise besucht werden. Und weil ja auch Krankenhäuser, wie wir alle gehört haben, Operationen jetzt verschieben müssen, um eben Covid-Kranke behandeln zu können. Wir stellen fest, dass eben die Leistungsausgaben seit dem Ausbruch von Corona tendenziell eher zurückgegangen sind. Das hält sich unterm Strich etwa die Waage. Also wir haben jetzt keine sprunghaften Kostenanstiege durch Corona bis heute."

Größte Herausforderung für das Gesundheitswesen seit Jahrzehnten

Höhere Kosten durch die Behandlung von Coronapatienten, aber geringere Kosten in anderen Bereichen, etwa weil Operationen verschoben wurden – die gleiche Information bekommt man auch von gesetzlichen Krankenkassen. Und von vielen Versicherern heißt es, es sei keineswegs sicher, ob die Operationen, die jetzt ausfallen, tatsächlich alle nachgeholt werden. Es könnte also sein, dass auch die Kosten etwa für ausgefallene OPs auch später nicht anfallen. Deutschlands Gesundheitswesen steckt also in der größten Herausforderung durch eine Krankheit seit Jahrzehnten – und die Versicherer haben damit kein allzu großes Finanzproblem? Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man mit verschiedenen Verbänden spricht. Aber auch aus dem Umfeld der Verbraucherzentralen hört man: Für Versicherungskunden entstünden durch Corona bislang keine nennenswerten Probleme. Der Versicherungsmakler Helge Kühl, der mit den Verbraucherzentralen eng zusammenarbeitet, sagt: Weder in seiner eigenen Arbeit noch bei Kollegen habe er von Problemen gehört.
"Wenn man ambulant behandelt wurde und ohne Langzeitfolgen, und ohne stationären Aufenthalt, dann ist das eigentlich normal annehmbar. Wer also eine Corona-Erkrankung hat, sich dann immer nach zwei Wochen wieder frei testet und dann auch keine Beschwerden hat, keine Atembeschwerden hat und so weiter, da spielt die Annahme im Bereich der Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherungen im Moment noch keine Rolle."

Noch "keine belastbaren Aussagen" zu Long-Covid-Kosten

Wer eine Coronainfektion hinter sich hat, müsse sich also keine Sorgen machen, dass er deswegen einen Risiko-Zuschlag zahlen muss oder möglicherweise gar keine Police bekommt, wenn er etwa eine private Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung abschließen möchte, sagt der Versicherungsmakler. Das heiße aber nicht, dass Kunden eine solche Krankheit unter den Tisch fallen lassen können.
"Vom Prinzip her sind alle Erkrankungen immer anzeigepflichtig. Danach fragen die Versicherer ja: Warst du beim Arzt in den letzten fünf Jahren? Das ist die Frage. Und wenn ich wegen einer Corona-Infektion beim Arzt war, dann muss ich es einfach anzeigen. So einfach ist es. Und sowas zu verschweigen, ist eigentlich einer der Kardinalfehler, die man nie begehen sollte, wenn man Versicherungsanträge ausfüllt. Das ist keine gute Idee."
Denn die private Versicherungsbranche arbeitet nach dem Grundprinzip: Ein Antragssteller ist nicht nur ein Kunde, der Prämien zahlt. Er bringt auch ein Risiko mit, nämlich das Risiko, dass die Versicherung etwas zahlen muss. Dieses Risiko wird in der Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung nach verschiedenen Faktoren kalkuliert, etwa Alter, Geschlecht oder Beruf. Denn nach diesen Faktoren lässt sich abschätzen, wie hoch die statistische Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Kunde wesentlich mehr Kosten mit sich bringt als er Prämien einzahlt. Und um entsprechende Wahrscheinlichkeiten ausrechnen zu können, brauchen die Versicherer Daten. Wie die Versicherungsbranche mit dem neuen Risiko umgeht, das die möglichen Langzeitfolgen einer Corona-Infektion und damit verbundene Kosten mit sich bringen, das lasse sich noch nicht abschätzen, sagt der Versicherungsmakler Helge Kühl: "Ich glaube, belastbare Aussagen kann es da nicht geben. Dafür ist das auch noch zu frisch."

Bei der Gesundheitsprüfung wird nicht nach Impfstatus gefragt

Auch vom Verband der Privaten Krankenversicherung heißt es: Ob die einzelnen Versicherungsunternehmen durch Langzeitfolgen von Corona Kosten haben, die sie irgendwann in ihre Prämienkalkulation einbeziehen müssen, lasse sich noch nicht sagen. Ein möglicher zusätzlicher Finanzbedarf sei noch reine Spekulation, sagt der Verbands-Geschäftsführer Reker:
"Der wird dann verarbeitet werden müssen, wenn er sich konkret zeigen sollte. Dann gibt es ja langfristige, versicherungsmathematische Daten, die man entsprechend in die Kalkulation einbeziehen kann. Das wird aber eben auf Erfahrungsbasis gemacht, und nicht spekulativ im Voraus."Das gleiche gelte auch für andere private Versicherungen, wie etwa Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherungen, sagt der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen. Und so wie die Frage, ob jemand eine Corona-Infektion hinter sich hat, derzeit in der Geschäftspolitik der Versicherer keine Rolle spiele, so spiele es ebenfalls keine Rolle, ob jemand gegen Corona geimpft ist oder nicht.
"Es wird grundsätzlich nicht nach Impfstatus gefragt bei einer Gesundheitsprüfung. Und das ist dabei völlig egal, ob das um eine Tetanus-Impfungen geht oder eine Grippeschutzimpfung oder eben eine Impfung gegen Coronaviren. Das wird bisher nicht abgefragt."
Privatversicherer zurückhaltend bei Gedankenspielen zur Beitragserhöhung. Bislang wird beim Abschluss einer privaten Versicherungspolice etwa für eine Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung also nicht danach gefragt, ob jemand gegen Corona geimpft ist. Doch entsprechende Überlegungen gibt es durchaus. Norbert Rollinger, der Vorstands-Chef der R+V-Versicherungen, sagte Ende September in einem Interview mit dem Nachrichtenportal t-online, die Versicherungsbranche werde „früher oder später darüber nachdenken müssen, möglicherweise Tarife nach Impfstatus zu unterscheiden“. Die R+V-Versicherungsgruppe, die an die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken angeschlossen ist, hat knapp neun Millionen Kunden – damit spielt sie in der privaten Versicherungsbranche eine gewichtige Rolle. Der Geschäftsführer des Verbands der Privaten Krankenversicherung, Stefan Reker, betont aber: Mit dem R+V-Chef habe ein einzelner Manager etwas gesagt, das keineswegs für die ganze Branche gelte.
"Herr Rollinger hat das ausdrücklich als seine persönliche Meinung und als einen Denkanstoß bezeichnet. Es gibt kein Unternehmen in der PKV, das solche Tarife konkret plant. Es ist nicht die Absicht der Branche, Patienten oder Versicherte nach dem Impfstatus zu unterscheiden in unseren Tarifen. Das gibt es bis heute nicht. Und nach meinem Überblick gibt es in der Branche auch niemanden, der das für die Zukunft plant."
Niemand habe also die Absicht, bei Privatversicherungen zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden. Oder zwischen denen, die eine Infektion hinter sich haben, und denen, die nie einen positiven Befund hatten. Denn Corona sei versicherungstechnisch eine Krankheit wie alle anderen Krankheiten auch, und noch nicht mal eine, die die Kalkulationen besonders durcheinander bringe: Das ist die Botschaft, die die Spitzenverbände ein ums andere Mal wiederholen. Hinter vorgehaltener Hand ist dabei aus der Branche aber auch zu hören: Gerade jetzt, wo mit SPD und Grünen zwei Parteien in der Bundesregierung sind, die die Private Krankenversicherung eigentlich abschaffen wollen, werde die PKV alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, die Privaten wollten sich bei der Bewältigung der Corona-Krise aus der Verantwortung ziehen. Corona sei eine Herausforderung, bei der die Solidarität aller gefragt ist – das ist die Grundbotschaft des PKV-Verbandes. Die gesetzlichen Versicherungsträger haben es etwas leichter, diese Botschaft überzeugend vorzutragen. In der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung wird jeder, der in ihre Zuständigkeit fällt, aufgenommen, egal wie sein Gesundheitszustand ist. In der gesetzlichen Rentenversicherung beobachte man aber die Langzeitfolgen, die eine Coronainfektion mit sich bringt, genau, sagt die Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Gundula Roßbach.
"Bei uns geht es in der Rentenversicherung ja um die Stabilisation der Erwerbsfähigkeit. Und wir erleben es gerade jetzt bei Corona, dass auch jüngere Menschen von heute auf morgen ihren Alltag, und damit auch ihre Berufe nicht mehr ausüben können. Und diese Betreffenden müssen aus unserer Sicht auch gut aufgefangen werden. Und wir wissen da aus sehr, sehr vielen Gesprächen, dass die körperliche und auch die geistige Leistungsbereitschaft bei diesen Menschen deutlich abnimmt."

Rentenkassen verzeichnen noch keine hohen Reha-Leistungen

Die Basis der Rentenkassen ist, dass möglichst viele Berufstätige möglichst lang Beiträge einzahlen können, damit für die Rentnerinnen und Rentner genug Geld zur Verfügung steht. Die Langzeitfolgen von Corona können aber die Erwerbsfähigkeit massiv beeinträchtigen, sagt Roßbach. Das zeige sich an den Problemen, mit denen Patienten seit Ausbruch der Pandemie auch in die Rehakliniken der Rentenversicherung kommen.
"Neben so etwas wie dauerhafter Erschöpfung, Müdigkeit, gibt es Herzprobleme, es gibt Konzentrationsschwächen, Luftnot. Aber bei manchen eben auch seelische Probleme, wie Angststörungen oder Depressionen." Für die einzelnen Patienten seien die Probleme oft gravierend, sagt Roßbach. Für die Rentenkassen als Reha-Träger seien sie aber noch sehr überschaubar.
"Also, die fallen bisher noch nicht deutlich ins Gewicht. Es sind Steigerungswerte, wir hatten im vergangenen Jahr in unseren Entlassungsberichten ungefähr 1.300 Rehabilitationen zu verzeichnen, im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es 4.000, und wir bemerken, es ist eine steigende Anzahl. Es ist aber angesichts von einer Million Reha-Leistungen, die wir im Jahr erbringen für die Berufstätigen, noch keine signifikant hohe Gruppe. Aber wir merken, es gibt weiter Zulauf."
Aber auch Probleme, die sich verschärfen, seien meist bewältigbar, sagt Roßbach. Diese Erfahrung habe etwa die Deutsche Rentenversicherung immer wieder gemacht. Als Beispiel nennt sie die Tuberkulose. Diese Infektionskrankheit bedrohte im 19. Jahrhundert vor allem in den dicht besiedelten Regionen des aufstrebenden Industrielands Deutschland die Gesundheit der Bevölkerung. Bis tief ins 20. Jahrhundert hinein beschäftigte die Krankheit auch die Rentenkassen als Reha-Träger.
"Da hat eben auch gerade die Rentenversicherung sogar eigene Kliniken extra dafür gebaut, da hatten wir in den 70er-Jahren immer noch rund 60.000 Rehabilitationen im Jahr. Und das wäre vielleicht auch eine gute Aussicht: Als es dann Medikamente gab, führte das dann eben auch zu einem ganz drastischen Rückgang. Sodass man wirklich solche Pandemien auf allen Wegen begleiten muss und kann, und wir als Rentenversicherung auch die Kapazitäten haben, eine Unterstützungsleistung zu bieten.“
Und so lautet die Antwort von gesetzlichen wie auch privaten Versicherungsträgern, auf die Frage, wie sie mit dem Risiko Corona umgehen, recht einhellig: Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Situation finanziell zu bewältigen, doch abschließend sei das noch nicht zu beurteilen. Dazu sei die Herausforderung noch zu neu.