"Also wunderbar, die ist auch ganz zurückgebildet. Ein Kuss für die Mama."
Behutsam legt Marianna Zech die Hände auf den Bauch der jungen Zweifachmutter, um die Gebärmutter zu ertasten. Sie hat vor drei Wochen entbunden und ist eine von rund 40 Frauen, die die Hebamme pro Jahr begleitet – vor, während und nach der Entbindung. Seit 2010 arbeitet die 30-Jährige im Kölner Geburtshaus.
"Also, es ist definitiv mein Traumberuf. Und macht mich sehr, sehr glücklich und ich bin auch auf jeden Fall der Meinung, dass es sehr wertvoll ist, wenn man zufrieden ist in seinem Beruf. Man kann auch davon leben, allerdings ist es durch die steigenden Prämien, durch die Berufshaftpflichtversicherung, die immer teurer wird, wird es auf jeden Fall schwieriger. Also, man macht sich natürlich schon Gedanken, lohnt sich das noch, wie viel muss ich arbeiten, dass ich was verdiene."
Sehr viele Hebammen aufgehört
Für eine Entbindung im Geburtshaus bekommt die freiberufliche Hebamme von der Krankenkasse ihrer Patientin rund 600 Euro brutto, für eine Hausgeburt knapp 200 Euro mehr. Im Schnitt bleiben ihr etwa 2.500 Euro brutto im Monat – das reicht zum Leben, wenn die Abgaben nicht immer weiter steigen würden. Seit dem 1. Juli zahlen freie Hebammen wie Marinna Zech circa 500 Euro monatlich für die Berufshaftpflichtversicherung – das ist jeder fünfte Euro.
"Das Problem ist, dass durch die teuren Prämien immer mehr Hebammen aufhören, Geburtshilfe anzubieten. Tatsächlich haben in den letzten Jahren sehr viele Hebammen aufgehört, Hausgeburten anzubieten. Es haben sehr viele Geburtshäuser geschlossen in Deutschland. Leider. Und wir sind jetzt hier in Köln natürlich in einer großen Stadt, also hier ist die Versorgung noch relativ gut, aber tatsächlich in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten ist es wirklich so, dass Frauen keine Hebamme bekommen. Und es betrifft auch gar nicht nur die Geburten, sondern auch schon die Betreuung in der Schwangerschaft und im Wochenbett, also das ist wirklich dramatisch, dass die dann ohne Hebamme dastehen."
Ein Problem, das sich besonders in ländlichen Gebieten zeigt. Nur noch 16 Prozent der Hebammen führen außerklinische Geburten durch. Genaue statistische Erhebungen über die aktuelle Zahl der freien Hebammen gibt es nicht, aber Fakt ist: Es werden immer weniger, die sich die obligatorische Berufshaftpflicht leisten können. Dass die jährlich teurer wird, ist kühle Versicherungslogik.
Bislang keine Einigung mit den Krankenkassen
"Es ist nicht so, dass mehr und mehr Schadensfälle entstehen, sondern dass eben die Kosten im Falle eines Schadens einfach sehr hoch sind. Die Medizin macht es einfach möglich, dass Betroffene, ja, lange überleben, was natürlich einfach hohe Kosten verursacht."
Steigende Behandlungskosten durch gestiegene Lebenserwartung – das heißt, immer höhere Entschädigungszahlungen: Dass dadurch auch die Versicherungsprämie stetig steigt – von 2004 bis heute hat sie sich fast vervierfacht – dafür wollen die Hebammen nicht alleine aufkommen. Deren Berufsverbände fordern von den Krankenkassen, sie besser zu entlohnen. So soll sichergestellt werden, dass auch Hebammen, die nur wenige Geburten im Jahr betreuen, durch die Prämien für ihre Berufshaftpflicht nicht überlastet werden. Nachdem im Sommer vergangenen Jahres aber keine Einigung mit den Krankenkassen in Sicht war, schaltete sich Gesundheitsminister Hermann Gröhe ein. Der Bundestag beschloss, die Kassen zu Ausgleichszahlungen zu verpflichten. Doch darum wird bis heute gerungen.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung GkV wirft den Hebammen vor, unwissenschaftlich zu argumentieren, Sprecherin Ann Marini: "Also, wir haben weder von den Hebammenverbänden, noch von den privaten Versicherungsunternehmen, die diese Berufshaftpflichtversicherung anbieten, bislang Daten, die wirklich tatsächlich schwarz auf weiß besagen können: Wo und unter welchen Bedingungen es zu Problemen oder auch zu Schädigungen bei Mutter und Kind kam? Woran liegt es denn, dass diese Prämien in den letzten Jahren permanent steigen. Erst dann, wenn ich das weiß, kann ich doch überlegen: Wenn da wirklich Fehler auftreten, wie kann ich die beheben, abbauen, vermeiden? Damit es nicht Jahr für Jahr für Jahr eine Prämiensteigerung gibt."
Zukunft der Versicherung unklar
Zudem ist neuer Ärger über Qualitätskriterien für Geburten entstanden. Der GkV-Spitzenverband will Geburten außerhalb von Kranken- oder Geburtshäusern nicht ohne Weiteres zahlen, es sollten bestimmte Auflagen erfüllt werden. Wird zum Beispiel der errechnete Geburtstermin um mehr als drei Tage überschritten, soll ein Arzt zurate gezogen werden, der dann über den Ort der Geburt entscheidet. Die Hebammen sehen darin ein unzulässiges Eingreifen in ihre Arbeit – die GkV argumentiert mit dem Schutz für Mutter und Kind. "Es kann nicht sein, dass es einen Bereich für die Geburt gibt, wo es eben keine Qualitätskriterien gibt. Die Schwangere soll einfach – egal für welchen Geburtsort sie sich entscheidet - die gleichen sicheren Bedingungen vorfinden dürfen."
Fünf Prozent mehr Honorar hatten die Krankenkassen versprochen, falls man hier eine Übereinkunft findet. Doch bislang konnten sich Kassen und Berufsverbände in keinem der Streitpunkte einigen. Mittlerweile wurde eine Schiedsstelle angerufen: aber statt einer Einigung, ist bereits neuer Ärger in Sicht. Es gibt nur einen Versicherer für die Berufshaftpflicht und der Vertrag mit den Hebammen läuft Ende Juni 2016 aus. Ob die Prämie dann noch höher wird oder ob es überhaupt noch eine Versicherung geben wird, ist unklar. Für Hebamme Marianna Zech, ein echtes Horrorszenario.
"Ja, das wäre einfach ziemlich dramatisch, wenn das nicht weitergehen würde – für uns Hebammen, aber eben auch für die Familien."