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Versicherungsschutz für Sportler
Teure Verletzungen

Hohe Beiträge für die Unfallversicherung belasten Sportvereine immens. Mitunter soweit, dass es existenzbedrohend werden kann. Der DOSB will deshalb geringverdienenden Profis keinen automatischen Versicherungsschutz mehr geben. Athletenvertreter stellen sich dagegen.

Von Thorsten Poppe |
Blick auf die verbundenen Beine von Radrennfahrern.
Blick auf die verbundenen Beine von Radrennfahrern. (dpa / picture alliance / Bernd Thissen)
Knapp 28.000 Sportler sind in der Verwaltungsberufsgenossenschaft, kurz VBG, gesetzlich unfallversichert. Das Problem: Fast jeder Versicherte aus dem Sport meldet einmal im Jahr einen Schadensfall. Also eine Verletzung, die bei der Ausübung des Berufs im Wettkampf oder Training passiert ist. In allen anderen Berufsgruppen der gesetzlichen Unfallversicherung ist dieser Wert deutlich geringer.

"Profisport ist kein Gesundheitssport"

Deshalb sind die Beiträge, die die Sportvereine als Arbeitgeber für Athletinnen und Athleten zahlen müssen, entsprechend hoch. Ulf Baranowsky von der Fußball-Spielergewerkschaft VDV setzt sich damit schon lange auseinander und erklärt dazu:
"Profisport ist kein Gesundheitssport. Die Verletzungsrate ist hoch. Und dadurch entstehen in der Tat hohe Kosten für die Heilbehandlungen. Und diese Kosten muss die Berufsgenossenschaft dann auf die Arbeitgeber, also die Klubs, umlegen."
Ulf Baranowsky (li.), Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV beim Proficamp der Vereinigung der Vertragsfußballspieler in der Sportschule Wedau. Dabei haben vereinslose Spieler die Chance, sich im Mannschaftstraining fit zu halten und sich in Testspielen für neue Jobs zu empfehlen.
Ulf Baranowsky (li.), Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV (dpa / picture alliance / David Inderlied)

Kosten von 35.000 Euro pro Jahr und pro Sportler

Vereine aus den höchsten Profiligen zahlen mittlerweile für jeden Sportler knapp 35.000 Euro jährlich an die VBG. Das betrifft alle höchsten Profi-Ligen. Auch im Handball, Basketball, Eishockey beispielsweise, die nicht so viel Geld erlösen, wie der Fußball. Auch im Volleyball müssen diese hohen Beiträge ebenfalls an die VBG gezahlt werden.
„Wir haben eine Dysbalance aus Einnahmen und Ausgaben. In der Folge steigen die Berechnungsgrößen und damit auch der Beitrag, der z.B. für bezahlte Sportler in den letzten drei Jahren um über 50 Prozent gestiegen ist“, stellt Torsten Burmester klar. Er ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbunds.
Torsten Burmester (li.), der neue DOSB-Vorstandschef sitzt neben Vera Jaron, der Vizepräsidentin des Deutschen Behindertensportverbandes
Torsten Burmester (li.), der neue DOSB-Vorstandschef (dpa / picture alliance / Marcus Brandt )

Hohe Kosten für die Heilbehandlung

Denn aktuell wird jeder Sportler in der VBG versichert, der als Arbeitnehmer gilt. Das ist mitunter schon erfüllt, wenn er monatlich mindestens 250 Euro vom Verein erhält. Entsprechend niedrig ist in dem Fall der Beitrag zur Unfallversicherung, der sich maßgeblich an der Höhe des beruflichen Entgelts orientiert. Die hohen Kosten für die Heilbehandlung fallen hier aber natürlich genauso an. Egal, wie viel vorher seitens des Vereins eingezahlt worden ist.
Deshalb ist der DOSB als Vertreter der Sportvereine auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Lösungsvorschlägen zugegangen. Unter anderem sollen sich Sportler, deren Entgelt unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, nur noch freiwillig darin versichern lassen können. Das ginge dann aber wohl auch nur mit einer anderen Beitragshöhe, als bisher.

Selbst bei geringen Aufwandsentschädigungen ist man gesetzlich unfallversichert

Damit sollen die Einnahmen mit den Ausgaben der Unfallversicherung wieder besser in Einklang gebracht werden, erklärt Torsten Burmester: "Ziel muss es sein, die klassisch bezahlten Sportler weiter in der gesetzlichen Versicherung zu behalten. Diejenigen also, die mit Sport ihren Lebensunterhalt verdienen. Dafür ist das System der gesetzlichen Unfallversicherung ursprünglich gedacht."
Laut DOSB gelten in der gesetzlichen Unfallversicherung mindestens 10.000 Fußballspieler, 2000 Handballer, und jeweils 1000 Eishockey- und Basketballspieler als geringverdienende Sportler.
Ulf Baranowsky von der Fußball-Spielergewerkschaft VDV verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass laut Sozialgesetzbuch grundsätzlich alle Beschäftigten als gesetzlich unfallversichert gelten. Dazu gehörten eben auch Geringverdiener.
"Das Bundessozialgericht hat zudem festgestellt, dass eine Beschäftigung selbst dann vorliegen kann, wenn kein Arbeitsverhältnis besteht. Dabei wurde im konkreten Fall ein Trainingsunfall einer Handballerin als Arbeitsunfall bewertet, obwohl die Handballerin überhaupt kein Gehalt erhielt, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung."

Immense Beiträge können für Vereine existenzbedrohend sein

Das bisherige System ist also teuer für den Sport, aber rechtens. Die immensen Beiträge für Vereine aus Profiligen können in manchen Sportarten mitunter existenzbedrohend sein. Andererseits gibt es Sportlerinnen und Sportler, die als Geringverdiener kaum Beiträge dafür leisten und dennoch berechtigt sind, kostspielige Heilleistungen zu empfangen. Ein Dilemma für den Sport.
Deshalb sitzen seit Monaten der DOSB und die VBG mit der Spielergewerkschaft VDV und Athleten Deutschland beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen, um eine Lösung dafür zu finden.
"Es muss auch überhaupt geprüft werden, ob die ganzen Vorschläge, die gemacht wurden, überhaupt zu Einsparungen führen. Da standen auch, zu mindestens wie ich das verstanden habe, immer noch große Fragezeichen dahinter", sagt Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland.
Johannes Herber spricht bei einer Veranstaltung freundlich lachend in ein Mikrofon.
Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins Athleten Deutschland. (Athleten Deutschland)
Der unabhängige Verein tritt für ein echtes Mitspracherecht der ProfisportlerInnen in Deutschland ein. Für Herber sind vor allem die Verbände und die Politik am Zug sinnvolle Lösungen für dieses Problem zu präsentieren.

Noch ist keine Lösung in Sicht

"Das ist ja tatsächlich eine Diskussion, die auch der DOSB und seine Mitgliedsverbände und die Ligen selbst gestartet haben. Und ich sehe sie deshalb in der Pflicht mit der VBG, dem Bundesarbeitsministerium da gute Vorschläge zu erarbeiten. Aus unserer Sicht muss gewährleistet sein, dass alle Nachwuchsathletinnen und Athleten sowie gerade auch die Frauen, die gering verdienen, auf jeden Fall abgesichert sind."
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schreibt auf Deutschlandfunk-Anfrage, ein Treffen aller Beteiligten dazu solle erneut dieses Frühjahr stattfinden. Allerdings sei für das Thema noch keine Lösung in Sicht.