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Versorgung im Gazastreifen bleibt problematisch

Riad Othman, Repräsentant für Israel und Palästina der Hilfsorganisation Medico-International, fordert nun mit der Waffenruhe im Gazastreifen auch ein Ende der Blockade. Denn: "Ganz viele Dinge, die eben nicht medizinisch sind, kriegt man nur mit Sondergenehmigungen und sehr langwierigen Prozessen in den Gazastreifen rein", bemängelt er.

Riad Othman im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Doris Simon: Kurz vor dieser Sendung hat meine Kollegin Christiane Kaess mit Riad Othman von der Hilfsorganisation Medico-International gesprochen. Er ist Repräsentant für Israel und Palästina, er hat sein Büro in Ramallah im Westjordanland. Medico-International bemüht sich mit Partnerorganisationen in den Palästinenser-Gebieten, aber auch in Israel darum, eine Grundversorgung im Gesundheitsbereich herzustellen, und sie bemüht sich um die Einhaltung von Menschenrechten.

    - Riad Othman hatte noch am Abend Rückmeldungen von den Partnern im Gazastreifen bekommen und meine Kollegin hat Othman gefragt, was denn die Menschen im Gazastreifen von den vergangenen Tagen und Nächten erzählt haben.

    Riad Othman: Seit neun Uhr ja. Allerdings seit Bekanntgabe des Waffenstillstands kam mindestens noch mal eine Person ums Leben. Also es wurde wirklich von beiden Seiten bis kurz vor neun Uhr geschossen.

    Christiane Kaess: Sollte es jetzt weiter ruhig bleiben, dann wäre das die erste ruhige Nacht seit Beginn der Eskalation. Was erzählen Ihnen denn die Menschen, mit denen Sie im Gazastreifen zusammenarbeiten, von den letzten Tagen und Nächten?

    Othman: Die hatten im Prinzip natürlich nur schlaflose Nächte. Man konnte sich nicht aus dem Haus bewegen. Die Aktivitäten, die die Partner sonst durchführen, waren nahezu unmöglich, weil sich einfach niemand mehr getraut hat, wirklich sich fortzubewegen im Gazastreifen. Was noch ging, war, dass stationäre Gesundheitseinrichtungen weiter betrieben werden konnten und dass dort Ambulanzen in Bereitschaft danebenstanden. Aber die eigentlichen, ich sage mal, Aktivitäten mit mobilen Kliniken oder mobilen Einheiten, die waren sehr stark eingeschränkt. Auch Verletzte zu bergen, das war immer sehr risikoreich, denn zum Teil gerieten ja auch Ambulanzen unter Beschuss.

    Kaess: Wie haben sich Ihre Mitarbeiter denn gegen die Angriffe geschützt?

    Othman: Indem sie zuhause geblieben sind. Wenn es mal ruhig war, dann wurde die Zeit genutzt, dass man vielleicht mal duscht, weil man möchte natürlich auch nicht von Raketenangriffen unter der Dusche erwischt werden. Und in den Feuerpausen, wo es welche gibt, geht man einkaufen. Und ansonsten: Es war nachts wohl immer wahnsinnig kalt, weil man muss natürlich Fenster und Türen auf lassen. Sonst läuft man Gefahr, dass, wenn eine Bombe einschlägt, die Druckwelle der Detonation die Fenster zersplittert und das dann wie ganz viele kleine Rasierklingen durch den Raum fliegt. Deshalb ist es sehr kalt nachts mit offenen Fenstern und Türen, das ist nicht angenehm. Und wenn man dann auch nicht schlafen kann, die Nächte waren sehr lang.

    Kaess: Wie ist denn die Lage im allgemeinen im Gazastreifen? Was erzählen Ihnen die Menschen?

    Othman: Die Versorgungslage ist generell immer noch problematisch, was natürlich auch daran liegt, dass mit der immer noch aufrecht erhaltenen Blockade sich nicht wirklich ein Wirtschaftsleben entwickeln kann. Deshalb gibt es dort sehr hohe Armutsraten. Das heißt, wenn dann noch so eine Krise oder eine militärische Eskalation dazukommt, dann kommen Leute eben ganz schnell an ihre Grenzen.

    Kaess: Das heißt, Sie hatten auch tatsächlich den Eindruck, dass Israel, so wie es das ja auch sagt, gezielt Einrichtungen der Hamas bombardiert hat und versucht hat, zivile Opfer zu vermeiden?

    Othman: Nein, das würde ich nicht sagen, weil es sind sehr viele Wohnhäuser getroffen worden und es wurden auch zivile Einrichtungen getroffen. Es wurde sehr viel zivile Infrastruktur zerstört. Und wenn die Waffen so präzise sind, wie die israelische Regierung das sagt, dann ist für mich nicht verständlich, dass Wohnhäuser bombardiert werden.

    Kaess: Sie haben jetzt gerade kurz vorhin die Blockade angesprochen. Die Hamas hofft ja im Rahmen des Waffenstillstands auch auf ein Ende der Blockade des Gazastreifens durch Israel. Das war eine Bedingung dieses Waffenstillstands. Wie würde sich das denn auf die Arbeit Ihrer Partner vor Ort auswirken?

    Othman: Das würde uns einiges erleichtern, denn was man sagen muss: Beispielsweise dieser humanitäre Bedarf, der oft jetzt in den letzten Tagen kommuniziert wurde, der hängt auch mit der Blockade zum Teil zusammen, aber nicht ganz. Denn beispielsweise für Medikamente, muss man sagen, hatte Israel eine sehr freizügige Politik, man konnte Medikamente einführen. Da lag diese Dauerknappheit, denke ich, eher wirklich an der Unterfinanzierung des Gesundheitssektors. Aber wenn man natürlich bedenkt, wie viele Häuser schon 2008/2009 in der Operation "Gegossenes Blei" zerstört wurden, wie viel Infrastruktur da zerstört wurde, dann hätte man natürlich massiv Baumaterialien eigentlich einführen müssen, um das wieder aufbauen zu können. Und das ist ganz schwierig. Ganz viele Dinge, die eben nicht medizinisch sind, kriegt man nur mit Sondergenehmigungen und sehr langwierigen Prozessen in den Gazastreifen rein.

    Kaess: Noch kurz zum Schluss. Teilen Sie in diesem Zusammenhang die Sorge Israels, mit einem Ende der Blockade würden auch unkontrolliert Waffen in den Gazastreifen gelangen?

    Othman: Ich kann die Bedenken nachvollziehen, aber ich muss sagen, ich halte das eher für ein Scheinargument, denn ich denke, wenn man die Politik gegenüber dem Gazastreifen ändert und wenn man auch die Politik gegenüber der Hamas ändern würde, dann würde es, denke ich, eher zu einer Mäßigung führen. Die Hamas im Gazastreifen wird ja selbst von diesen radikaleren Splittergruppen im Prinzip schon als Mainstream gehandelt. Die haben sehr an Ansehen verloren auch im Gazastreifen, seit sie an der Regierung sind. Und wenn die Hamas als legitimer Verhandlungspartner anerkannt würde und nicht von allen Seiten als Terrororganisation behandelt würde, dann, glaube ich, würde die auch die Anstrengungen erhöhen, beispielsweise die Einfuhr von Waffen zu kontrollieren.

    Simon: Riad Othman von der Hilfsorganisation Medico-International in Palästina und Israel im Gespräch mit meiner Kollegin Christiane Kaess.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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