Reuning: Herr Lange, wussten Sie damals, dass Shoukrat Mitalipov daran arbeitet, einen menschlichen Embryo zu klonen?
Lange: Ich wusste, dass er Klon-Technik betreibt und dass er sozusagen sich damals auch mit dem Wissenschaftler Hoo Suk-Hwang, der damals als Fälscher entlarvt wurde, ein Rennen geliefert hat. Aber er setzte dabei nicht von Anfang an auf menschliche Zellen, sondern der setzte auf Zellen von Rhesusaffen. Der sagte sich: Wenn ich die Methode an Rhesusaffen kennenlernen und erforschen kann, das sind auch Primaten genau wie Menschen, und dann ist das ein wichtiger Schritt. Und dann sollte man systematisch und langsam vorgehen. Und das hat er mir in einem sehr ausführlichen Interview damals vor fünf Jahren erklärt
"Die Methode, die wir an Schafen und dann an Mäusen entwickelt hatten, funktioniert nicht gut bei Primaten. Deshalb mussten wir herausbekommen, was biologisch das Besondere ist an den Eizellen der Primaten."
Lange: Damals hatte er tatsächlich schon Stammzellen aus Rhesusaffen gewonnen, also aus dem Hautgewebe von Rhesusaffen Erbgut entnommen und in Eizellen von Rhesusaffen gespritzt, und da waren tatsächlich Stammzellen entstanden. Damals arbeitete er daran, dass ja tatsächlich geklonte Rhesusaffen zur Welt kommen sollten. Und das war dann tatsächlich 2009 der Fall. Also da hat er seine Erfolge bei Rhesusaffen erzielt. Und danach hat er sich wohl daran gemacht, das ganze auch mit dem Menschen zu versuchen. Also von 2009 bis 2013 hat er noch einmal vier Jahre Zeit gehabt und hat das jetzt in dem sehr seriösen Fachjournal Cell veröffentlicht.
Reuning: Also wenn wir uns jetzt noch einmal an den Koreanern Hoo Suk-Hwang erinnern, der ja mit seinem Experiment gescheitert ist, war der Umweg über die Affen das, was den Forschern um Shoukrat Mitalipov einen entscheidenden Vorteil gebracht hat?
Lange: Ich glaube, es war diese wirkliche ruhige Herangehensweise, ganz Schritt für Schritt. Und dazu gehört es eben, dass man zuerst Mäuse erforscht, dann Affen erforscht und dann irgendwann einmal riskiert, auch beim Menschen zu forschen. Und das zeichnet, glaube ich, auch diese Arbeitsgruppe aus: Die ist also nicht auf den lauten und schnellen Erfolg aus. Aber sie hat tatsächlich, während andere gesagt haben, Mensch, das mit dem Klonen, das ist doch nicht der richtige Weg, sind die da hartnäckig dran geblieben und haben im Stillen und Verborgenen und auch ohne, dass Journalisten sie besuchen konnten, in ihrem abgelegenen Primaten-Forschungszentrum, haben da weiter geforscht.
Reuning: Wie sah es denn dort aus? Sie haben es ja besucht.
Lange: Ja, man fährt tatsächlich von Portland, das ist eine sehr große Stadt, nach Beaverton, so ein bisschen aufs Land raus. Und dann mitten unter Nadelbäumen, wirklich in einem fast schon kanadisch anmutenden Wald, da ist eine riesige freie Fläche und da leben Tausende von kleinen Affen. Und ab und zu kommen so Fänger mit Säcken und greifen sich mal einen raus, und der muss dann für die Forschung herhalten. Und dann gibt es ein Laborgebäude, da arbeitet Shoukrat Mitalipov mit seinen Mitarbeitern an sehr feinen Labortechniken.
Reuning: Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser Veröffentlichung in "Cell" ein? Ist das tatsächlich der Durchbruch in der Klonforschung und auch in der Stammzellforschung?
Lange: Ich glaube, nein. Ich glaube, das ist ein verspäteter Durchbruch. Damals wollten alle, dass es gelingt. Weil es etwas Besonderes war, dass reife Zellen aus der Haut wieder jung werden, dass da embryonalen Stammzellen draus werden. Das, dachte man, könnte nur mit Klonen gelingen. Aber inzwischen, wir haben es eben im Erklärstück ja gehört, gibt es andere Methoden. Zum Beispiel die Reprogrammierung. Diese IPS-Zellen, für die gab es im letzten Jahr sogar den Medizin-Nobelpreis. Und da haben Hunderte von Forschergruppen ihre ganze Energie draufgesetzt, während hier nur wirklich eine, vielleicht noch zwei oder drei andere Forschergruppen wirklich weiter an dieser Klontechnik arbeiten. Und das therapeutische Klonen, was vor zehn Jahren der große Hoffnungsträger war, von dem wird kaum noch geredet. Und ich glaube auch nicht, dass durch diesen einen Laborerfolg jetzt diese Technik wieder auferstehen wird.
Reuning: Vergleichen wir noch einmal die Methoden: In diese entkernte Eizelle wird die DNA eines erwachsenen Menschen gegeben. Und ich nehme mal an, die hat im Laufe des Lebens ihres Besitzers ja auch schon einige Schäden angesammelt. Ist das überhaupt möglich, mit der noch etwas Sinnvolles anzustellen?
Lange: Ich denke, man kann noch etwas Sinnvolles anstellen. Aber ob man daraus tatsächlich einen Menschen klonen kann, ist die eine Frage. Ich denke, nein. Diese Zelle ist geschädigt, die hat viele Schäden, und dass es in Einzelfällen gelungen ist, Tiere zu klonen, sagt nicht, dass man es bei Menschen überhaupt riskieren sollte. Nicht nur ethisch ist das verwerflich, sondern auch medizinisch unsinnig. Was aber interessant sein könnte, ist, dass man ja die Uhr der Zellen, die Lebensuhr zurückdrehen kann, indem man ja die Zellen aus der Haut nimmt, in einer Eizelle spritzt, dreht die Eizelle die Lebensuhr zurück auf Anfang. Und dadurch wachsen diese Zellen im Labor. Und man hat sozusagen, wenn man das von einem Patienten macht, zum Beispiel von einem Parkinson-Patienten, hat man ein Modell für diesen Parkinson-Patienten in der Kulturschale. Man kann Parkinson-Forschung an einzelnen Zellen ohne Tierversuche, ohne Menschen zu belasten machen. Oder man kann Medikamente ausprobieren. Ich glaube, da ist diese Forschung sinnvoll. Also, da könnte tatsächlich eine Anwendungsmöglichkeit liegen. Die meisten Leute sprechen stattdessen immer wieder von Transplantation, künstlichen Nieren, künstlichen Organe. Wenn es so etwas überhaupt geben wird, sind da die anderen Methoden weit überlegen. Zum Beispiel die Reprogrammierung, dass man durch biochemische oder auch genetische kleine Faktoren versucht, diese Lebensuhr zurück zu drehen. Das ist sehr viel gezielter als mit dieser groben Methode des Klonens. Also ich glaube, die Wissenschaft ist inzwischen weiter. Und die Medizin ist allerdings immer noch weit entfernt.
Reuning: Aber was erwarten Sie? Wird die Veröffentlichung die Disziplin weltweit beeinflussen? Wird das Klonen von menschlichen Embryonen in der Forschung doch vielleicht wieder gesellschaftsfähig?
Lange: Ich glaube, das kann es nur werden, wenn es tatsächlich gelingt, durch Krankheitsmodelle, dass man tatsächlich Krankheiten in die Petrischale holt, wenn das gelingt, wenn diese Forschung erfolgreich ist, dass man Zellen, die geklont wurden, tatsächlich im Labor vermehrt und daran interessante Forschung machen kann, die dem Menschen wirklich nutzt. Das würde die Forschung wieder salonfähig machen. Umgekehrt: Sobald jemand anfängt, da auch nur Menschen-Klonversuche, also einen geklonten Menschen auf die Welt zu bringen, dann ist diese Forschung diskreditiert und dann ist der Ruf, den man sich sonst langsam versucht wieder aufzubauen, auf einen Schlag ruiniert. Also es ist zumindest wieder spannend, aber ich sehe keinen Wendepunkt in der Forschung.
Lange: Ich wusste, dass er Klon-Technik betreibt und dass er sozusagen sich damals auch mit dem Wissenschaftler Hoo Suk-Hwang, der damals als Fälscher entlarvt wurde, ein Rennen geliefert hat. Aber er setzte dabei nicht von Anfang an auf menschliche Zellen, sondern der setzte auf Zellen von Rhesusaffen. Der sagte sich: Wenn ich die Methode an Rhesusaffen kennenlernen und erforschen kann, das sind auch Primaten genau wie Menschen, und dann ist das ein wichtiger Schritt. Und dann sollte man systematisch und langsam vorgehen. Und das hat er mir in einem sehr ausführlichen Interview damals vor fünf Jahren erklärt
"Die Methode, die wir an Schafen und dann an Mäusen entwickelt hatten, funktioniert nicht gut bei Primaten. Deshalb mussten wir herausbekommen, was biologisch das Besondere ist an den Eizellen der Primaten."
Lange: Damals hatte er tatsächlich schon Stammzellen aus Rhesusaffen gewonnen, also aus dem Hautgewebe von Rhesusaffen Erbgut entnommen und in Eizellen von Rhesusaffen gespritzt, und da waren tatsächlich Stammzellen entstanden. Damals arbeitete er daran, dass ja tatsächlich geklonte Rhesusaffen zur Welt kommen sollten. Und das war dann tatsächlich 2009 der Fall. Also da hat er seine Erfolge bei Rhesusaffen erzielt. Und danach hat er sich wohl daran gemacht, das ganze auch mit dem Menschen zu versuchen. Also von 2009 bis 2013 hat er noch einmal vier Jahre Zeit gehabt und hat das jetzt in dem sehr seriösen Fachjournal Cell veröffentlicht.
Reuning: Also wenn wir uns jetzt noch einmal an den Koreanern Hoo Suk-Hwang erinnern, der ja mit seinem Experiment gescheitert ist, war der Umweg über die Affen das, was den Forschern um Shoukrat Mitalipov einen entscheidenden Vorteil gebracht hat?
Lange: Ich glaube, es war diese wirkliche ruhige Herangehensweise, ganz Schritt für Schritt. Und dazu gehört es eben, dass man zuerst Mäuse erforscht, dann Affen erforscht und dann irgendwann einmal riskiert, auch beim Menschen zu forschen. Und das zeichnet, glaube ich, auch diese Arbeitsgruppe aus: Die ist also nicht auf den lauten und schnellen Erfolg aus. Aber sie hat tatsächlich, während andere gesagt haben, Mensch, das mit dem Klonen, das ist doch nicht der richtige Weg, sind die da hartnäckig dran geblieben und haben im Stillen und Verborgenen und auch ohne, dass Journalisten sie besuchen konnten, in ihrem abgelegenen Primaten-Forschungszentrum, haben da weiter geforscht.
Reuning: Wie sah es denn dort aus? Sie haben es ja besucht.
Lange: Ja, man fährt tatsächlich von Portland, das ist eine sehr große Stadt, nach Beaverton, so ein bisschen aufs Land raus. Und dann mitten unter Nadelbäumen, wirklich in einem fast schon kanadisch anmutenden Wald, da ist eine riesige freie Fläche und da leben Tausende von kleinen Affen. Und ab und zu kommen so Fänger mit Säcken und greifen sich mal einen raus, und der muss dann für die Forschung herhalten. Und dann gibt es ein Laborgebäude, da arbeitet Shoukrat Mitalipov mit seinen Mitarbeitern an sehr feinen Labortechniken.
Reuning: Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser Veröffentlichung in "Cell" ein? Ist das tatsächlich der Durchbruch in der Klonforschung und auch in der Stammzellforschung?
Lange: Ich glaube, nein. Ich glaube, das ist ein verspäteter Durchbruch. Damals wollten alle, dass es gelingt. Weil es etwas Besonderes war, dass reife Zellen aus der Haut wieder jung werden, dass da embryonalen Stammzellen draus werden. Das, dachte man, könnte nur mit Klonen gelingen. Aber inzwischen, wir haben es eben im Erklärstück ja gehört, gibt es andere Methoden. Zum Beispiel die Reprogrammierung. Diese IPS-Zellen, für die gab es im letzten Jahr sogar den Medizin-Nobelpreis. Und da haben Hunderte von Forschergruppen ihre ganze Energie draufgesetzt, während hier nur wirklich eine, vielleicht noch zwei oder drei andere Forschergruppen wirklich weiter an dieser Klontechnik arbeiten. Und das therapeutische Klonen, was vor zehn Jahren der große Hoffnungsträger war, von dem wird kaum noch geredet. Und ich glaube auch nicht, dass durch diesen einen Laborerfolg jetzt diese Technik wieder auferstehen wird.
Reuning: Vergleichen wir noch einmal die Methoden: In diese entkernte Eizelle wird die DNA eines erwachsenen Menschen gegeben. Und ich nehme mal an, die hat im Laufe des Lebens ihres Besitzers ja auch schon einige Schäden angesammelt. Ist das überhaupt möglich, mit der noch etwas Sinnvolles anzustellen?
Lange: Ich denke, man kann noch etwas Sinnvolles anstellen. Aber ob man daraus tatsächlich einen Menschen klonen kann, ist die eine Frage. Ich denke, nein. Diese Zelle ist geschädigt, die hat viele Schäden, und dass es in Einzelfällen gelungen ist, Tiere zu klonen, sagt nicht, dass man es bei Menschen überhaupt riskieren sollte. Nicht nur ethisch ist das verwerflich, sondern auch medizinisch unsinnig. Was aber interessant sein könnte, ist, dass man ja die Uhr der Zellen, die Lebensuhr zurückdrehen kann, indem man ja die Zellen aus der Haut nimmt, in einer Eizelle spritzt, dreht die Eizelle die Lebensuhr zurück auf Anfang. Und dadurch wachsen diese Zellen im Labor. Und man hat sozusagen, wenn man das von einem Patienten macht, zum Beispiel von einem Parkinson-Patienten, hat man ein Modell für diesen Parkinson-Patienten in der Kulturschale. Man kann Parkinson-Forschung an einzelnen Zellen ohne Tierversuche, ohne Menschen zu belasten machen. Oder man kann Medikamente ausprobieren. Ich glaube, da ist diese Forschung sinnvoll. Also, da könnte tatsächlich eine Anwendungsmöglichkeit liegen. Die meisten Leute sprechen stattdessen immer wieder von Transplantation, künstlichen Nieren, künstlichen Organe. Wenn es so etwas überhaupt geben wird, sind da die anderen Methoden weit überlegen. Zum Beispiel die Reprogrammierung, dass man durch biochemische oder auch genetische kleine Faktoren versucht, diese Lebensuhr zurück zu drehen. Das ist sehr viel gezielter als mit dieser groben Methode des Klonens. Also ich glaube, die Wissenschaft ist inzwischen weiter. Und die Medizin ist allerdings immer noch weit entfernt.
Reuning: Aber was erwarten Sie? Wird die Veröffentlichung die Disziplin weltweit beeinflussen? Wird das Klonen von menschlichen Embryonen in der Forschung doch vielleicht wieder gesellschaftsfähig?
Lange: Ich glaube, das kann es nur werden, wenn es tatsächlich gelingt, durch Krankheitsmodelle, dass man tatsächlich Krankheiten in die Petrischale holt, wenn das gelingt, wenn diese Forschung erfolgreich ist, dass man Zellen, die geklont wurden, tatsächlich im Labor vermehrt und daran interessante Forschung machen kann, die dem Menschen wirklich nutzt. Das würde die Forschung wieder salonfähig machen. Umgekehrt: Sobald jemand anfängt, da auch nur Menschen-Klonversuche, also einen geklonten Menschen auf die Welt zu bringen, dann ist diese Forschung diskreditiert und dann ist der Ruf, den man sich sonst langsam versucht wieder aufzubauen, auf einen Schlag ruiniert. Also es ist zumindest wieder spannend, aber ich sehe keinen Wendepunkt in der Forschung.