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Verständigung mit Kuba
"Obamas außenpolitisches Vermächtnis"

Die amerikanisch-kubanische Annäherung, die sich derzeit anbahnt, hält Grünen-Politiker Jürgen Trittin erst für den Beginn und noch nicht für das eigentliche Tauwetter zwischen beiden Staaten. Die größte Herausforderung für US-Präsident Obama sei es, die "ideologisch verbohrte Kongressmehrheit" in den USA vom Sinn der Verständigung zu überzeugen.

Jürgen Trittin im Gespräch mit Peter Kapern | 11.04.2015
    Jürgen Trittin von den Grünen
    Jürgen Trittin von den Grünen (imago / IPON)
    Peter Kapern: Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs endete der Kalte Krieg - diese Formel gehört zum Tatsachengrundbestand der Geschichtswissenschaften, auch wenn gerade eine Rückkehr des Kalten Kriegs wegen der Ukrainekrise befürchtet wird. Aber endete der Kalte Krieg wirklich vor 26 Jahren? Nicht ganz, denn zwischen den mächtigen USA und der kleine Sozialistenkolonie auf Kuba, da wollte einfach kein Tauwetter anbrechen. Bis US-Präsident Barack Obama Raoul Castro einen Dialog anbot. Und gestern, beim Amerika-Gipfel in Panama, da haben sich die beiden sogar die Hand gegeben.
    Und bei uns am Telefon ist nun Jürgen Trittin, der außenpolitische Experte der grünen Bundestagsfraktion. Tag, Herr Trittin!
    Jürgen Trittin: Tag, Herr Kapern!
    Kapern: Herr Trittin, wie bewerten Sie diesen Handschlag von Obama und Castro? Ist das was fürs Geschichtsbuch?
    Trittin: Es zeichnet sich etwas ab wie ein außenpolitisches Vermächtnis von Barack Obama. Er hat die USA aus einer alten Feindschaft mit dem Iran herausgeführt. Und er überwindet jetzt mit der möglichen Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Kuba den Kalten Krieg in Lateinamerika. Man muss ja sehen, am Ende des Tages waren es nicht die Kubaner, die isoliert waren auf dem Kontinent der Amerikas, sondern die USA. Alle anderen, auch und gerade große Demokratien wie Brasilien, hatten die Ausgrenzung von Kuba schon seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten, nicht mehr mitgemacht. Insofern ist das ein überfälliger Schritt, die USA aus einer Isolierung auf diesem wichtigen Kontinent rauszubringen.
    Kapern: Nun gibt es ja auch Fälle, in denen ist die Ausgrenzung von Ländern durchaus gerechtfertigt, beispielsweise, wenn in diesen Ländern Oppositionelle im Knast verschwinden.
    Menschenrechte nachhaltig thematisieren
    Trittin: Ich bin sehr dafür, dass man die Frage der Menschenrechte nachhaltig thematisiert. Das ist ja auch Gegenstand der europäisch-kubanischen Beziehungen. Nur, ob da die USA so der beste Partner sind, das muss natürlich in Frage gestellt werden. Wenn Sie sehen, dass vor 50 Jahren, als die Masse der Sanktionen gegen Kuba beschlossen war, die USA dabei waren, in Brasilien, in Argentinien, in Chile, überall faschistische Militärdiktaturen zu unterstützen, zum Teil aktiv mit zu installieren, und dass diese Völker dann gegen die USA Freiheit und Demokratie dort erkämpft haben, dann stellt sich die Lage halt etwas komplizierter dar.
    Es gibt eine sehr kritische Menschenrechtssituation in Kuba. Da werden Oppositionelle eingesperrt. Es gibt keinen Rechtsstaat, es gibt verschiedene andere Entwicklungen menschenrechtlicher Art auf dem gesamten Kontinent, übrigens auch Menschenrechtsverletzungen in den USA, begangen übrigens auf kubanischem Grund, in Guantanamo, das ist ein dauerhafter Menschenrechtsskandal, der dort stattfindet. Entscheidend ist für mich, dass man wieder zu normalen Beziehungen zurückkehrt, in denen solche Fragen dann thematisiert und bearbeitet werden können, aber wo man von einer unproduktiven Embargo-Politik, die eigentlich im Wesentlichen die einfachen Kubaner getroffen hat und nicht das Regime destabilisiert, endlich ein Ende macht. Wir wissen doch aus den Erfahrungen, die wir in Europa mit der Öffnung Osteuropas gemacht haben, da, wo Dialog, wo Reisefreiheit, wo auch ein Stück wirtschaftliche Entwicklung stattfindet, da muss man sich nicht darum sorgen, wer am Ende das attraktivere Gesellschaftsmodell hat.
    Kapern: Was heißt das genau, Herr Trittin: normale Beziehungen zu Kuba? Denn Kuba ist ja immerhin auch Teil eines lateinamerikanischen Lagers von Ländern, die allesamt die Menschenrechte, die Oppositionsrechte, die demokratischen Rechte einschränken, beispielsweise Venezuela. Wir haben ja gerade darüber gehört.
    Trittin: Wir haben eine schwierige Situation auch in Venezuela. Aber wir haben insbesondere auf dem lateinamerikanischen Kontinent, wenn Sie auf die 1950er-Jahre der Blockade zurückblicken, eine fantastische Entwicklung. Wenn Sie große Länder anschauen wie Brasilien. All diejenigen haben schon lange die Politik der Isolierung Kubas gegenüber nicht mitgemacht, und deswegen lief ja auch ein Großteil dessen, was der US-amerikanische Kongress da mit lauter Rhetorik beschlossen hat, schlicht und ergreifend ins Leere. Ich glaube, dass man gute diplomatische Beziehungen haben kann, und dass in diesen guten diplomatischen Beziehungen auch und gerade die Frage von Menschenrechten dann eine Rolle spielen werden. Da werden sich die USA allerdings auch kritischen Fragen aus dem Kontinent heraus stellen müssen. Denn auch sie haben, unbestreitbar der Tatsache, dass sie eine große Demokratie, ein großer Rechtsstaat sind, massive Menschenrechtsprobleme, etwa in der Bekämpfung des Terrors.
    Kapern: Herr Trittin, was bedeutet denn dieses US-amerikanisch-kubanische Tauwetter eigentlich für Europa und Deutschland? Ist es da Zeit, auch ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Kuba aufzuschlagen?
    Diplomatisches Wettrennen zwischen Europa und Amerika
    Trittin: Ich glaube, die Europäische Union, ja auch wesentlich gedrängt zum Beispiel von Spanien mit den tradiert guten Beziehungen auf den lateinamerikanischen Kontinent, hat in letzter Zeit lange versucht, hier mitzuhalten. Was jetzt stattfindet, bei der Öffnung Kubas, wird ein diplomatisches Wettrennen zwischen Europa und Amerika sein. Und ich glaube, Amerika hat zurzeit die Nase vorn. Es sollte in unserem Interesse sein, hier nicht völlig hinten runterzufallen, sondern das, was wir in den letzten Jahren auch an Kulturabkommen und Ähnlichem auf den Weg gebracht haben, diese Blockaden zu überwinden und wieder zu einem entspannteren Verhältnis zu Kuba zu kommen. Nicht, weil Kuba als solches so wichtig ist, sondern weil dies ein Symbol für ganz Lateinamerika gewesen ist und nach wie vor ist. Und deswegen glaube ich, dass solche Partnerschaftsbeziehungen, Kulturabkommen das sind, wo sich Europa nun auf den Weg machen muss.
    Kapern: Was darüber hinaus noch?
    Trittin: Ich glaube, dass bei diesen Verhandlungen wir natürlich auch reden werden über Fragen wirtschaftlicher Beziehungen. Es gibt eine große Tourismusbranche in Kuba, die im Wesentlichen lebt von Kanadiern und Europäern. Ich glaube, dass in der Frage der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Tourismus natürlich Chancen bestehen, die zu nutzen tatsächlich nun verbessert angegangen werden kann und wo man sich nicht mehr so krampfhaft abgrenzen muss, weil man fürchtet, Objekt von Sanktionen aus den USA zu werden. Allerdings, das wird die große Herausforderung für Barack Obama sein, nämlich, ob er es tatsächlich schafft, nicht nur eine Lockerung der Reisesanktionen hinzubekommen - also, dass man mehr Bargeld mitnehmen darf, wenn man denn nach Kuba fahren darf - sondern tatsächlich eine Aufhebung dieser Sanktion. Dem steht eine nach wie vor ideologisch verbohrte Kongressmehrheit in den USA noch entgegen. Insofern ist dies der Beginn eines möglichen Tauwetters, es ist noch nicht das Tauwetter selbst.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.