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Verständnis in Glaubensfragen

Ein stadtweiter interreligiöser Dialog, wie er sich in anderen Städten längst etabliert hat, findet in Berlin bisher nicht statt. Das soll sich ändern.

Von Jürgen König |
    Eine Broschüre liegt aus im Festsaal des Berliner Rathauses, sie beschreibt 50 Einrichtungen, die sich in Berlin um ein "religiöses Miteinander bemühen" – viele von ihnen waren auch für den moderierenden Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz neu:

    "Wussten Sie zum Beispiel, dass es ein Fußballturnier zwischen Imamen und Pfarrern gibt, in dem Schiedsrichter jüdischen Glauben sind? Ich zumindest wusste das nicht. Oder: Dass es ein religionsübergreifendes Gärtnern in den interkulturellen Gärten in Marzahn gibt und selbst einen interreligiösen Bauchtanz als Angebot finden Sie hier in dieser Broschüre, das Angebot geht an alle Berlinerinnen und Berliner."

    "Wie wird die Unkenntnis übereinander zur Neugier, voneinander zu lernen?" – das ist das Thema des Nachmittags im Saal: Unter anderem viele Vertreter jener 50 in der Broschüre beschriebenen Religionsgemeinschaften und Initiativen. Die Notwendigkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen, begründet Rüdiger Sachau, Leiter der Evangelischen Akademie in Berlin, so:

    "Wir sind in Berlin oft zu selbstgenügsam in unseren Kiezen und Bezirken. Und wir denken: Ist doch toll, dass wir hier in unseren Bezirken Gespräche führen. Aber: Wenn in Neukölln geredet wird, hat das im Wedding noch keine Folgen."

    Das Impulsreferat hält der Hamburger Erziehungswissenschaftler und Religionspädagoge Wolfram Weiße, der - wie alle Redner nach ihm – die Initiative des Senats begrüßt, allerdings aus für den Senat wenig schmeichelhaften Gründen:

    "Zum einen braucht man einen Rahmen und einen Raum, um den Dialog der vielen Gruppen zu entfalten. Dass der Senat hier einen solchen Rahmen stellt, ist sehr löblich, zumal der Berliner Senat nicht im Verdacht steht, selbst religiös Partei ergreifen zu wollen. Ich hatte auch von Hamburg aus gesehen nicht das Gefühl, dass die Berliner Politik ein übergroßes Interesse bisher an Religion hatte."

    Auf die Senatsschelte gingen weder André Schmitz noch der anwesende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ein. Auch die Vorschläge, die Wolfram Weiße mit Blick auf seine Hamburger Erfahrungen machte, nämlich den Religionsunterricht auch in Berlin nicht mehr konfessionell zu trennen, und: den religiösen Pluralismus der Berliner Universitäten voranzutreiben - all dies blieb unkommentiert. Auf eine solide Basis müsse das vielbeschworene religiöse Miteinander in Berlin gestellt werden, meinte Wolfram Weiße – und sah dafür gute Chancen:

    "Interreligiöser Dialog hat eine theologische Basis. Und das ist wichtig, damit nicht Dialog nicht nur aus Pragmatismus besteht und sehr schnell dann die Schwierigkeiten dann dazu führen, zu sagen: Ach nein, das hat ja doch keinen Zweck, mit einigen kann ich zwar, mit anderen aber nicht, sondern es gilt zu prüfen, ob es Fundamente dafür gibt. Sie wissen, dass es eine unselige Tradition von religiösen Absolutheitsansprüchen gibt, die im schlimmsten Falle zu wechselseitigem Ausschluss oder zu Krieg geführt haben. Um diese Tradition müssen wir wissen, aber wir können sie auch hinter uns lassen."

    Was kann man konkret tun? Auf diese Frage hatte die Theologin und Kulturwissenschaftlerin Tuba Isik-Yigit - sie ist auch Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz - eine ganz einfache Antwort. Wichtig sei es nur:

    "Einfach mehr Mut aufzuzeigen! Mehr Mut aufzuzeigen, auf die Menschen zuzugehen und bei der Begegnung mit dem kulturell oder religiös Anderen einmal einen Schritt zurück von der eigenen kulturellen Gebundenheit zu treten und einfach mal frei sich davon zu machen und dem anderen einmal frei zu begegnen und ihn sich erklären zu lassen."

    Ganz so einfach sei es nicht, sich "frei zu begegnen", antwortete Sandra Anusiewicz-Baer von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin:

    "Ich denke, es ist ganz klar, dass alle irgendwie schon vorgefertigte Urteile haben; es wäre ganz wichtig, wenn man vorwurfsfrei aufeinander zugeht."

    Ein wenig ziellos war die Diskussion schon – worum ging es eigentlich? Außer eben darum: Wir müssen uns alle endlich kennenlernen. Eine Sprecherin des Berliner interreligiösen Puppentheaters Mr. Ibrahim brachte zuletzt das auf den Punkt, was viele schon in den Pausengesprächen formuliert hatten:

    "Das ganze Wissen, was hier vorhanden ist, ist im Publikum. Es sitzt ein enormer Schatz an Wissen, der hier jetzt einmal zugeredet worden ist, es ist nicht viel gesagt worden, über das wir nicht alle schon einverstanden wären. Es ist ein bisschen Verschwendung von kostbarer Zeit."

    Aber dennoch gingen alle ganz zufrieden wieder auf die Straße, mit der Broschüre unterm Arm: ein Anfang ist gemacht.

    Link:

    Berliner Dialog der Religionen