Britta Fecke: Wenn die Folgen des Klimawandels die uns bekannte Welt nicht vollkommen aus den Angeln heben sollen, dann wäre es ratsam, einen Temperaturanstieg von 1,5 bis zwei Grad Celsius nicht zu überschreiten. So die Wissenschaftler des UN-Klimarates IPCC. Dafür müsste der Kohlendioxid-Ausstoß bis spätestens 2050 komplett heruntergefahren werden. Da die Treibhausgas-Emissionen aber nach wie vor steigen, scheint das Ziel nicht sehr realistisch. Auch deshalb sind alternative Lösungen interessant, die zum Beispiel die Intensität der Sonneneinstrahlung beeinflussen könnten, so dass hier unten auf der Erdoberfläche weniger Energie ankommt. Im nächsten Jahr sollen zu diesem Zweck reflektierende Partikel in die Stratosphäre gebracht werden.
Wie das geschehen soll und welche Klimamodelle diesem Experiment zugrunde liegen, das will ich nun mit Dr. Oliver Geden besprechen, er ist Leiter der Forschungsgruppe EU bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Geden, die Stratosphäre beginnt ja ungefähr 18 Kilometer über dem Äquator. Wie will man denn dort reflektierende Partikel überhaupt hinbringen?
Oliver Geden: Man kann die dort hinbringen, indem man entweder mit Flugzeugen arbeitet, die auf dieser Höhe fliegen können und diese Partikel entlassen. Aber bei dem Feldexperiment, was wir im nächsten Jahr vermutlich sehen werden, wird man einfach mit einem Ballon arbeiten, der auf dem Boden fest verankert ist und der dann eine Vorrichtung hat, mit der man die Partikel hochbringen kann.
Erste Tests in der Stratosphäre
Fecke: Es ist ganz niedlich, dass Sie von Feldexperiment sprechen, weil ein Feld ist die Stratosphäre ja nun gerade nicht.
Geden: Nein, sie ist nicht ein Feld, wie man das auf Land hätte. Da fehlt gewissermaßen der Begriff. Aber es bedeutet, dass man zum ersten Mal außerhalb von Klimamodellen und außerhalb des Labors, in dem man vielleicht Equipment testet, diese Partikel tatsächlich vor der Tür oder in 18 Kilometer oder 20 Kilometer Höhe testet - und testet, wie sie reagieren in der Stratosphäre, was man bislang noch nie gemacht hat.
Fecke: Nun ist es ja sogar bei wirklichen Feldexperimenten so, dass man nie genau weiß, ob nicht zum Beispiel die Pflanzen, die man auf den Acker gebracht hat, sich doch irgendwie außerhalb des Feldes verbreiten. Die Stratosphäre ist ja nun noch ein größeres Feld. Was glauben Sie, was für Auswirkungen können passieren da oben?
Geden: Man macht das deshalb, weil man im Grunde genommen schon ein natürliches Analog hat: Das sind große Vulkanausbrüche, zum Beispiel den Pinatubo in Indonesien 1991. Dort passiert genau das, dass größere Mengen an Partikeln, in dem Fall Schwefel in diese Höhe ausgestoßen wird und das einen Temperatureffekt hat – temporär nur, ein halbes Jahr, ein Jahr vielleicht. So ist man darauf gekommen, dass es funktionieren könnte, und die Idee einiger Forscher ist, im Grunde genommen diesen natürlich beobachtbaren Effekt ingenieurtechnisch nachzubauen. Genau das macht man in Klimamodellen. Man sieht den Temperatureffekt. Die Nebenwirkungen auf die Ökosysteme sind das, was unsicher ist. Aber man muss auch in dieser Höhe das Material testen.
Der Versuch, der nächstes Jahr von Forschern der Harvard-Universität gemacht werden soll, wird ein ganz kleiner sein. Da geht es nur um ein Kilogramm an Material. Aber das Besondere ist eben: Man macht es zum ersten Mal draußen. Man hat jetzt jahrelang regelmäßig Zeitungsartikel zu diesem Thema gehabt, wo Schemata gezeigt wurden, wie kann das funktionieren. Wenn es zum nächsten Jahr zum ersten Mal wirklich gemacht wird, wenn auch nur als kleines Experiment, wird das, glaube ich, die Wahrnehmung dieser Option stark verändern in Politik und in Öffentlichkeit, und das kann auch problematisch sein für die Klimapolitik.
Keine Alternative zur Emissionsreduzierung
Fecke: Wieso problematisch?
Geden: Es könnte natürlich sein, dass viele Politiker oder auch die Öffentlichkeit diese Option missverstehen als Plan B oder Plan C - in dem Sinne: Na ja, wenn wir nicht genug Emissionen reduzieren, können wir immer noch das machen. Das wäre ein problematisches Missverständnis. Die Forscher, die an diesen Optionen arbeiten, sehen das eher als Variante, Zeit zu gewinnen, wenn wir nicht schnell genug unsere Emissionen drastisch reduzieren - wie von Ihnen eben auch gesagt. Bis zum Jahr 2050 müssten die CO2-Emissionen eigentlich auf null sein. Wenn wir das nicht rechtzeitig schaffen, könnte solares Strahlungsmanagement eine Variante sein, Zeit zu gewinnen. Aber es darf nicht passieren, dass Öffentlichkeit, dass Politik sich daran gewöhnt, dass man das ja statt Emissionsreduktion machen könnte, oder dass man es auf alle Zeiten machen könnte.
Fecke: Was sind denn das eigentlich für Partikel, die da ausgebracht werden? Was für reflektierende Eigenschaften haben die?
Geden: Im Moment, aufgrund der Vulkanausbrüche, modelliert man im Grunde genommen Schwefelpartikel, die zum Beispiel das Problem mit sich bringen, dass sie für die Ozonschicht schädlich sind, weshalb die ersten Versuche, die man machen wird, auch mit anderem Material passieren werden. Man wird möglicherweise auch testen müssen, welche anderen Materialien kann man verwenden, die in der Natur so gar nicht vorkommen. Reflektieren klingt ein bisschen drastisch. Wenn man so ein System aufbauen würde, ginge es um ein bis zwei Prozent der Sonneneinstrahlung, was eine Menge Energie ist. Es ist aber nicht so, dass man dann gewissermaßen eine Hülle um die Erde hat, mit der man die Sonne nicht mehr sieht. Es geht darum, die Energie zuvor ein wenig zu verändern.
Ich selbst bin jetzt kein Befürworter des Systems, aber ich glaube, wir kommen an einen Punkt, wo Länder ernsthaft erwägen werden, solche Technologien einzusetzen, die jetzt noch nicht anwendungsreif sind. Das bedeutet, dass sich die internationale Klimapolitik ernsthaft damit beschäftigen muss, diese Technologien auch zu regulieren. Bislang ist das ein Thema, das in IPCC-Berichten auftaucht, sehr ungeliebt ist, aber die Gefahr besteht, dass diese Technologie von zwei, drei großen Staaten mit der entsprechenden technologischen Kapazität eingesetzt wird, auch gegen den Willen der Staatengemeinschaft, und da wird man einen Umgang finden müssen, politisch, wie man mit solchen Dingen, auch der Gefahr geopolitischer Verwerfungen umgeht, weil es ja nicht sein kann, dass zwei, drei Staaten für den Rest der Welt entscheiden, wie die globale Temperatur aussieht.
Große Herausforderung für internationale Klimapolitik
Fecke: Es klingt auch ein bisschen so, als würden die Wettergott spielen.
Geden: Ja, sie spielen im Grunde genommen mehr als Wettergott. Es gibt ja Staaten wie China, die jetzt auch schon im Bereich Wettermodifikation arbeiten - das ist vielleicht eine Stufe darunter -, also versuchen, Wolken so zu manipulieren, dass es zum rechten Zeitpunkt an der richtigen Stelle regnet. Hier, um im Bild zu bleiben, würde man Klimagott spielen, aber nicht nur für das Wetter im eigenen Land, sondern wenn man das im großen Stil macht - und das zeigen auch die Vulkanausbrüche -, hat es Auswirkungen überall auf der Welt. Deshalb darf man die Entscheidung auch nicht zwei oder drei Staaten überlassen. Im Moment gibt es da keine Kandidaten für. Kein Staat auf der Welt sagt, wir wollen das einsetzen. Aber es sagt auch kein Staat bislang, wir wollen, dass es ein Moratorium gibt, oder dass es auch verboten wird. Man redet einfach nicht darüber - und ich glaube, sobald die ersten Versuche oder die ersten Tests in der Stratosphäre stattfinden, wird man es auch regulieren müssen.
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