Gerade mal 23 Jahre ist Rudolf Augstein alt, als am 4. Januar 1947 zum ersten Mal "Der Spiegel" - damals noch in Hannover - erscheint. Der junge Herausgeber und Chefredakteur hat die Lizenz von der britischen Militärregierung erhalten - und ist mit seinem Nachrichtenmagazin selbstbewusst, investigativ, manchmal auch zynisch:
"Zynismus heißt für mich: Die Welt so sehen wie sie ist und nicht wie sie sein will."
Spätestens 1962 wird "Der Spiegel" für alle ein Begriff. Mit dem bundeswehrkritischen Artikel "Bedingt Abwehrbereit" bringt das Nachrichtenmagazin Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß und Bundeskanzler Konrad Adenauer in Rage:
"Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande."
Die Redaktionsräume werden durchsucht, Augstein sitzt 103 Tage in Untersuchungshaft. Und draußen vor dem Gefängnis demonstrieren Menschen für die Pressefreiheit:
"Es war eine der wenigen Nächte, in denen ich nicht schlafen konnte. Die Demonstrationen schallten so laut durch diese dicken Gefängnismauern, dass es mir unmöglich war, einzuschlafen."
Später tritt Verteidigungsminister Strauß zurück. Ein Wendepunkt sei die Spiegel-Affäre gewesen, sagt der heutige Chefredakteur Klaus Brinkbäumer:
"Weil der Spiegel damit wirklich groß wurde, richtig populär wurde. Die Auflage schoss in die Höhe, die Leute sprachen über den Spiegel und das war eine Art zweite Geburtsstunde."
"Der Spiegel" deckt zahlreiche Skandale auf
Der Spiegel deckt zahlreiche Skandale auf – etwa um das Wohnungsunternehmen Neue Heimat, die Barschel-Affäre, den Parteispendenskandal. Politiker sind auf Augsteins Sturmgeschütz der Demokratie nicht besonders gut zu sprechen. Ein Scheißblatt, sagt Willy Brandt und Helmut Kohl meint:
"Wer also dieses Magazin liest, ist selbst schuld, schad fürs Geld."
Das Geld geben manche ab 1993 für den "Focus" aus. Mit seinem Erscheinen - ebenfalls am Montag - ändert sich einiges:
"Ich würde sagen, dass Focus beim Spiegel im ersten Jahr zu einer Verunsicherung geführt hat. Plötzlich kamen ganz viele kleine Infografiken ins Heft, die Texte wurden bisschen kürzer. So für eine kurze Phase hat der Spiegel nach seiner Richtung gesucht. Und letztlich war das aber ein Anstoß auch zur Erneuerung. Der Spiegel wurde farbig, er wurde moderner und auch modernisierungswilliger."
Heute deckt "Der Spiegel" immer noch Geschichten auf, seine Strahlkraft aber ist umstritten. Es zittert wohl kein Politiker mehr, wenn mittlerweile samstags der Spiegel erscheint. Chefredakteur Brinkbäumer sieht das Magazin weiterhin als Leitmedium - und:
"Sturmgeschütz der Demokratie: Ich mags nicht so gerne militärisch, Sturmgeschütz ist nicht mein Begriff, Verteidiger der Demokratie allemal."
Sinkende Auflage und Umsätze
Allerdings sorgt "Der Spiegel" selbst immer wieder mal für Schlagzeilen – durch Chefredakteurs-Wechsel oder mit einem Sparprogramm und betriebsbedingten Kündigungen. Denn auch er hat mit sinkender Auflage und Umsätzen zu kämpfen. Längst gibt es ihn auch digital, dazu kommt Spiegel-Online:
"Auf welchem Weg wir die Leser erreichen, ist mir tatsächlich heute nicht mehr wichtig. Mit ist es wichtig, dass es die besten Geschichten sind, dass es die besten, die großen Enthüllungen sind."
Und es ist wohl die größte Herausforderung im nächsten Jahrzehnt des Spiegel, damit künftig genug Geld zu verdienen.