Linda Snecker ist 34 Jahre alt und sitzt für die Linkspartei im schwedischen Reichstag. Ihr geht es wie immer mehr Politikern im Land: Sie bekommt Hassbotschaften, wird anonym bedroht:
"Wenn ich eine SMS von einer unbekannten Nummer kriege, rechne ich tatsächlich immer damit, dass es eine Drohung ist oder dass sie ein Bild enthält, das ich ganz sicher nicht haben möchte. Ist es eine Drohung, dann geht es immer um sexuelle Gewalt."
Nach Zahlen des schwedischen Rates zur Verbrechensbekämpfung hat inzwischen jeder vierte Politiker oder jede vierte Politikerin Hassbotschaften bekommen oder ist persönlich bedroht worden. Tendenz steigend, und im Herbst wird gewählt.
Geheimdienst beobachtet Polarisierung und schärferen Ton
Schweden hat sich seit der letzten Wahl vor vier Jahren verändert. Das liegt vor allem an der Flüchtlingskrise, am Streit um die vermeintlich zunächst zu großzügige rot-grüne Minderheitsregierung, unter der im Spitzenjahr 2015 mehr als 160.000 Asylsuchende ins Land gekommen waren; am Streit über ihren angeblichen Versuch, den ebenso angeblichen Zusammenhang von verstärkter Einwanderung und mehr Kriminalität zu vertuschen.
Das Ergebnis beschreibt Anders Thornberg, Chef des Inlandsgeheimdienstes "Säpo":
"Wir beobachten eine neue politische Landschaft mit zunehmender Polarisierung und einem schärferen Ton in den sozialen Medien. Es geht härter zu als 2014. Wir tun alles, um einen sicheren Wahlkampf zu gewährleisten. Aber wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet."
Tipps für Politiker, wie sie sich am besten schützen
Und die "Säpo" bereitet andere darauf vor. Genauer: etwa 50.000 offenbar gefährdete Politiker bis hinunter auf die kleinste lokale Ebene. In diesen Tagen schickt der Geheimdienst ihnen eine Art "Sicherheitsfibel" nach Hause mit einer Fülle von Anweisungen, Ratschlägen und Warnungen. Susanna Trehörning, bei der Säpo für den Personenschutz zuständig, nannte im schwedischen Fernsehen ein Beispiel:
"Der Klassiker ist, man erzählt öffentlich, dass man nach Thailand in Urlaub fliegt. Es kann sich aber auch um Termine oder ähnliches handeln. Man verrät, wo man sein wird. Da ist es natürlich unglaublich leicht für Leute, die jemandem etwas Böses wollen, ihn oder sie zu finden."
Im Handbuch für Politiker zur persönlichen Sicherheit wird weiter davon abgeraten, normale Handys für vertrauliche Gespräche zu nutzen, man soll sich auf Flughäfen nicht unnötig lange vor den Sicherheitskontrollen aufhalten, Koffer auf keinen Fall mit Parteiaufklebern kenntlich machen, sich in sozialen Netzwerken nicht provozieren lassen, keine privaten Informationen preisgeben, grundsätzlich keine Interviews zu Hause geben und noch grundsätzlicher niemals über eigene Sicherheitsmaßnahmen reden.
Justizminister warnt vor Verrohung im politische Diskurs
Nur eines steht nicht im Handbuch, aber Justizminister Morgan Johansson hat es gesagt. Ein Appell an Politikerkollegen, denen Johansson offenbar Mitschuld gibt an der zunehmenden Verrohung gibt:
"Wenn man als Politiker nicht auf Argumente, sondern auf persönliche Angriffe setzt, findet man das selbst vielleicht gar nicht so schlimm. Es kann aber immer jemanden da draußen geben, der das Gesagte ernst nimmt und dann entsprechend handelt."