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Verteidigungsausschuss
Umstrittene Beraterverträge: Von der Leyen unter Druck

Überteuerte Gutachten, Auftragsvergaben ohne Wettbewerb: Wegen des Verdachts von Rechtsverstößen und Vetternwirtschaft beim Einsatz externer Berater hat sich Verteidigungsminsterin Ursula von der Leyen in einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses den Fragen der Abgeordneten gestellt.

Von Dirk-Oliver Heckmann |
    Ursula von der Leyen (CDU), Verteidigungsministerin, trifft zu einer Sitzung des Bundeskabinetts am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam ein. Das Bundeskabinett will auf der Tagung die Weichen für Deutschlands digitale Zukunft stellen.
    Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wollte sich nach der Befragung nicht öffentlich äußern. Sie hatte bereits Anfang November vor dem Bundestag Fehler eingeräumt - diese lägen allerdings im Promillebereich (dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger)
    "Frau Ministerin – ich hoffe, Sie haben nichts mehr vor heute Abend!" Das sagte ein Abgeordneter der FDP Verteidigungsministerin von der Leyen, als sie im Sitzungssaal erst einmal eine Runde zur Begrüßung machte.
    "Doch, hab ich!", war ihre Antwort, nach kurzem Zögern. Unklar, ob das eher als Witz oder als kleine Drohung aufzufassen war. Punkt 18 Uhr ging es los mit dem Frage-Marathon.
    Einziges Thema auf der Tagesordnung: Die umstrittene Vergabe von Verträgen mit externen Beratern im Verteidigungsministerium. Der Bundesrechnungshof hatte sich die Verträge aus den Jahren 2015 und 2016 stichprobenartig angeschaut und kam in einem vertraulichen Bericht, der dem Deutschlandfunk Hauptstadtstudio vorliegt, zu folgendem Ergebnis:
    In über 80 Prozent der betrachteten Fälle habe die Bundeswehr den Bedarf nicht – wie gefordert – nachgewiesen. In fast keinem Fall sei die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt worden. 80 Prozent der untersuchten Aufträge sind demnach freihändig vergeben worden, oft ohne Wettbewerb.
    Offenbar 80 Prozent der untersuchten Aufträge ohne Wettbewerb vergeben
    Noch dazu habe das Ministerium keinen Gesamtüberblick über alle Verträge mit Dritten gehabt – so dass der Haushaltsausschuss nur über einen Bruchteil der Verträge überhaupt informiert werden konnte. Die Opposition sieht Hinweise auf ein System der Vetternwirtschaft.
    Vier und halb Stunden später war Marie Agnes Strack-Zimmermann, verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, die erste, die sich äußerte:
    "Also, zumindest ist klar: Es wird geantwortet. Auch sehr detailliert. Wir haben das Gefühl, dass da großes Interesse besteht, klaren Tisch zu machen. Das ist erst mal positiv zu bewerten. Dass man offensichtlich jetzt in Bewegung gerät, die Dinge aufzuklären. Aber wenn man selber nicht so genau weiß, wo der Wurm drin ist, dann muss man natürlich erst mal den Wurm finden, bevor man unsere Fragen detailliert beantworten kann."
    Unzufriedener äußerte sich Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken: "Die Fragen, die wir als Fraktion Die Linke vorgelegt haben, sind bei Weitem nicht beantwortet. Es haben sich weitere Fragen im Rahmen dieser Sondersitzung ergeben. Nämlich dass offensichtlich Unter-Unternehmen und Unter-Unter-Unternehmen jeweils beauftragt wurden. Und das Ministerium nicht sagen kann, wer es war und was die konkret gemacht haben. Insofern kann man das Ganze schon als eine Augias-Stall bezeichnen, den wir da vor uns haben."
    An der falschen Stelle zu viel Geld ausgegeben?
    Grundsätzlich skeptisch äußerte sich auch Fritz Felgentreu, SPD-Obmann im Ausschuss: "Wenn ich beobachte, dass – um die Frage zu klären, welche Möbel man für Kasernen kauft, ein Gutachten im Wert von 1,3 Millionen Euro in Auftrag gegeben worden ist, dann sieht man das daran ganz deutlich: Für 1,3 Millionen Euro hätte die Bundeswehr einen Brigadegeneral 13 Jahre lang bezahlen können.
    Das zeigt doch, dass wir hier an der falschen Stelle zu viel Geld ausgeben und uns wieder darauf konzentrieren sollen, dass der Staat ertüchtigt wird, seine Kernaufgaben wahrzunehmen."
    Von der Leyen: Ein Fehler im Promillebereich
    Von der Leyen wollte sich nach der Befragung nicht öffentlich äußern. Sie hatte bereits Anfang November vor dem Bundestag Fehler eingeräumt. Aber sie betonte auch, das Ministerium habe zehntausende Verträge geschlossen; die Fehler lägen also im Promillebereich.
    Für die kommende Woche wird jetzt ein schriftlicher Bericht erwartet. Danach soll eine weitere Sondersitzung stattfinden. Dann wird sich entscheiden, ob es zu einem Untersuchungsausschuss kommen wird. Große Lust scheint keine Seite drauf zu haben – außer die AfD.
    "Das machen wir dann alles zusätzlich zu unserer normalen Arbeit", meinte ein Oppositions-Vertreter hinter vorgehaltener Hand. Ohnehin: Von der Leyen solle man nicht unterschätzen, meinte ein anderer. Das Ministeramt sei zwar ein Schleudersitz. Aber die Ministerin, die sei zäh.