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Verteilung BAföG-Millionen
"Es ist eine Schweinerei, die da passiert"

Die frei gewordenen BAföG-Gelder von 1,1 Milliarden Euro pro Jahr sollten in Wissenschaft und Bildung fließen. Die Hochschulen kritisieren, dass das Geld bei Ihnen nicht ankommt, Finanzzusagen der Länder bleiben aus. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes DHV Professor Bernhard Kempen findet im DLF klare Worte für das Agieren der Politik.

Bernhard Kempen im Gespräch mit Kate Maleike |
    Formular für den Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
    Die frei gewordenen BAföG-Millionen kommen in den Hochschulen nicht an. (dpa/picture alliance/Jan-Peter Kasper)
    Kate Maleike: Viele haben das genau schon Ende Mai kommen sehen. Damals hatten die Koalitionsspitzen der Bundesregierung verkündet, dass der Bund künftig dauerhaft und allein das BAföG finanzieren will. Die dadurch frei werdenden Gelder sollen die Länder nach ihren Bedarfen in Bildung und Wissenschaft einsetzen. Und die Rede ist immerhin von 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Und genau um diesen Kuchen hat jetzt ein Hauen und Stechen begonnen, vor allem aus dem Hochschulbereich kommt Kritik, dass die Länder mit ihnen eine Hängepartie veranstalten, weil eben die Finanzzusagen fehlen. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes DHV Professor Bernhard Kempen hat jetzt auf den Tisch gehauen und die Länder aufgefordert, endlich vollständig offenzulegen, wie hoch denn die frei werdenden BAföG-Mittel ausfallen und wie sie diese zu verwenden gedenken. Guten Tag, Herr Kempen! Warum schwillt Ihnen denn so der Kamm?
    Bernhard Kempen: Weil es ein riesiges Ärgernis ist, man kann auch noch drastischere Worte benutzen, wie die Politik hier agiert, und zwar die Politik in den Ländern. Man kann das bewerten, wie man will, dass die Bundesministerin sich bereit erklärt hat, das BAföG sozusagen in die Bundeskasse zu nehmen, aber dass die Länder die Mittel, die hier frei geworden sind, nicht für die Hochschulen in dem Maße einsetzen, wie das verabredet war, das ist geradezu ungeheuerlich. Denn die politische Absprache zwischen Bund und Ländern war, dass die Beträge, diese sechs Milliarden, dass die sozusagen anteilmäßig verteilt auf Studenten-BAföG und Schüler-BAföG dann auch in den Ländern ausgegeben werden. Und was wir nun erleben, ist, dass einzelne Bundesländer das Geld überall hinstecken, dass es also benutzt wird, um Kita-Plätze zu finanzieren oder auch einfach nur den Landeshaushalt zu sanieren. Und das geht nicht, das ist tatsächlich in hohem Maße unmoralisch. Es ist, zu Deutsch, eine Schweinerei, die da passiert. Und ich glaube, da wird es allerhöchste Zeit, dass politisch richtig reagiert wird.
    "Das ist im hohen Maße unmoralisch"
    Maleike: Worauf beziehen Sie sich denn, wenn Sie sagen, dass die Hochschulen quasi das Nachsehen haben? Gibt es da eine Gefechtsgrundlage?
    Kempen: Es ist noch nicht überall raus, sondern es ist ja so, dass einige Länder jetzt erklärt haben, was sie machen wollen. Andere grübeln noch, die sind also noch nicht ganz entschieden. Aber nach der Übersicht, die uns zur Verfügung steht und die zurückgeht auf eine Studie, die die Konrad-Adenauer-Stiftung in Auftrag gegeben hat, wenn man diese Studie zugrunde legt, ergibt sich eben, dass die Länder ganz unterschiedlich da agieren wollen. Es gibt eigentlich nur ein einziges Bundesland nach dieser Übersicht, das wirklich ohne Wenn und Aber gesagt hat, okay, die BAföG-Millionen lassen wir den Hochschulen zugutekommen, und zwar ist das das Land Hessen. Und umgekehrt gibt es auch am anderen Ende der Skala ein Bundesland, nämlich Niedersachsen, die gesagt haben, das Geld fließt überall hin, aber nicht in die Hochschulen. Und dazwischen liegen die anderen Länder. Bremen sagt, ja, wir wollen das auch in die Hochschulen geben, aber wenn man dann genau hinschaut, sieht man, nein, so ganz genau wollen sie das doch nicht dahin tun, sondern ein Teil soll eben doch auch in die Schulen fließen. Und im Übrigen soll das, was an die Hochschulen fließt, auch nicht einfach zur Grundfinanzierung dazukommen, sondern es soll da hingehen, dass erst mal ein Fonds gebildet wird und dann muss man sich da wettbewerblich drum bemühen et cetera, et cetera. Das sind also Gelder, die letztlich den Studenten zugutekommen sollten, die ihnen aber jetzt doch nicht zugutekommen, und das ärgert uns.
    "Man sollte bei den Absprachen bleiben"
    Maleike: Ja, aber es kommt dann Stellen zugute, die auch, finde ich, berechtigterweise sagen, wir brauchen auch mehr Unterstützung, Stichwort Kitas und Schulen. Warum reicht Ihnen das eigentlich nicht, wenn der Bund auch gleichzeitig sagt – und daran arbeitet er ja gerade mit einer Grundgesetzveränderung –, dass der Bund sich auch stärker in die dauerhafte Finanzierung der Wissenschaft einklinkt?
    Kempen: Frau Maleike, ich glaube, was wir nicht machen dürfen und machen sollen, ist, Kindergartenplätze gegen Hochschulstudienplätze ausspielen oder da irgendwelche Aufgaben aufmachen und sagen, wichtiger ist es doch, dass wir die Straßen sanieren oder dies und das. Ich glaube, diese Prioritätendiskussion muss an anderer Stelle geführt werden. Hier sind wir in einem Bereich, in dem wir politisch bereits festgelegt waren, es war bereits abgesprochen, dass dieses Geld nun wirklich in die Hochschulen, vor allen Dingen in die Hochschulen und zum kleineren Teil in die Schulen fließen soll. Und ich meine, dann sollte man auch bei diesen Absprachen bleiben. Eine andere Baustelle ist tatsächlich, wie wir die dringend benötigten Kita-Plätze schaffen können. Aber das nun miteinander zu verwurschteln und hier gegeneinander hin- und herzurechnen, das halte ich für falsch. Von daher noch mal die dringende Aufforderung: Bleibt bei den Absprachen, die ihr politisch – allerdings leider nicht vertraglich, aber politisch – gemacht habt, nämlich, setzt dieses Geld für die Hochschulen ein!
    "Da muss politischer Druck entfacht werden"
    Maleike: Sie sprechen die Selbstverpflichtungserklärung an, die die Länder ja gegeben hatten. Das ist ja ein Dilemma. Was ist für Sie der Ausweg?
    Kempen: Na ja, ich glaube, tatsächlich ist es hier die Aufgabe einer wachsamen Presse, aber natürlich auch aller anderen Akteure, die mit diesem Thema zu tun haben, also auch der großen Wissenschaftsorganisationen, hier den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen, das kann nicht sein, dass ihr hier trickst und täuscht, sondern ihr müsst mal bei dem, was ihr zugesichert habt, auch bleiben. Also noch mal: Da muss laut geschrien werden und da muss politischer Druck entfacht werden und es müssen diejenigen angeprangert werden, die sich hier nicht an ihre Absprachen gehalten haben.
    Maleike: Mehr Klarheit also wünscht sich der deutsche Hochschulverband dringend von den Ländern in Bezug auf die Verwendung der BAföG-Millionen, die ab 2015 dauerhaft frei werden. Dazu war das der DHV-Präsident Bernhard Kempen, danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.