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Vertrauen in der Politik
"Orientierung an ökonomischen Motiven ist immer zerstörerisch"

Der Philosoph Martin Hartmann sieht in Vorgängen wie der CDU-Maskenaffäre eine Gefahr für das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik. Menschen würden heute durch Integrität gebunden. Wenn diese gebrochen werde wie im Fall der Maskengeschäfte, sei das verheerend, sagte Hartmann im Dlf.

Martin Hartmann im Gespräch mit Benedikt Schulz |
Eine Sicht auf den Plenarsaal im Deutschen Bundestag.
Die Maskenaffäre der Union im Bundestag hat das Vertrauen in eine Gemeinwohlorientierung der Politik erschüttert (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Kira Hofmann)
In der ersten Phase der Coronakrise haben die Menschen der Politik nach Einschätzung von Martin Hartmann der Politik mehr vertraut als derzeit. Hartmann ist Professor für Philosophie mit Schwerpunkt Praktische Philosophie an der Universität Luzern. Damals sei das Vertrauen darauf gerichtet gewesen, dass die Politik die Krise kompetent lösen werde - verbunden mit der Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahmen. Nun herrsche Enttäuschung vor, weil die Leute den Eindruck hätten, es wird nicht das geliefert, was sie an Vertrauen investiert hätten.
Martin Hartmann: "Vertrauen: Die unsichtbare Macht" zusammenhält
Wem vertrauen wir: Unserem Partner? Den Virologen? Der Demokratie? Gerade in der Krise ist Vertrauen unter Druck wie nie – und gleichzeitig die Basis von allem. Wie es trotzdem gelingen kann, erklärt Philosoph Martin Hartmann in seinem Buch.

"Wir merken: Einige haben sich bereichert"

Vorgänge wie die sogenannte Maskenaffäre in der Union seien eine Gefahr für das Vertrauen in die Politik, so Hartmann. Die Menschen hätten eine Gemeinwohlorientierung der politischen Akteure vorausgesetzt. "Es war Teil unseres schönen Vertrauens, dass sie im Allgemeinwohl handeln. Jetzt merken wir: Da haben sich einige Leute bereichert." Eine Orientierung an ökonomischen Motiven sei im Politischen aber immer zerstörerisch.
Maskenaffäre und Zusatztätigkeiten - Was Abgeordnete nebenbei verdienen dürfen
Die CDU-Abgeordneten Georg Nüßlein und Nikolas Löbel sollen sich durch Geschäfte mit Corona-Masken bereichert haben. Andere sind durch Nähe zu Aserbaidschan aufgefallen. Was ist passiert, welche Maßnahmen sind im Gespräch?
Der CSU-Parlamentarier Georg Nüßlein und der CDU-Abgeordnete Nikolaus Löbel sollen Provisionen in sechsstelliger Höhe für die Vermittlung von Kaufverträgen mit Corona-Schutzmasken kassiert haben. Löbel hat die Zahlung von rund 250.000 Euro an seine Firma bereits eingeräumt. Auch Nüßlein soll sich für einen Maskenkauf einer hessischen Textilfirma eingesetzt haben. Dafür gingen 660.000 Euro Provision an die Firma "Tectum Holding GmbH", dessen alleiniger Geschäftsführer laut Handelsregisterauszug Nüßlein ist. Nüßleins enge wirtschaftliche Verbindung zu der betreffenden Textilfirma wurde durch eine Steuerprüfung aufgedeckt.

Ermittlungen gegen Unionspolitiker Nüßlein und Löbel

Beide Politiker haben inzwischen ihre jeweilige Partei verlassen, Löbel legte sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung nieder. Gegen Löbel hat die Staatsanwaltschaft Mannheim mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, es sind zudem mehrere Anzeigen gegen ihn eingegangen. Nüßlein will im Herbst nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Auch gegen ihn ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung von Mandatsträgern. Für Wirbel sorgen zudem Lobbykontakte weiterer CDU-Politiker zum autoritär regierten Aserbaidschan.

Ehrenerklärungen helfen nicht

Als ersten Schritt zur Aufklärung der Maskenaffäre hat die Unionsfraktion im Bundestag alle ihre Abgeordneten aufgefordert, eine Selbstauskunft darüber abzugeben, ob sie für Dritte Kontakte zur Bundesregierung oder Institutionen im Land hergestellt haben. Hartmann betonte, die Politik dürfe sich nicht die Illusion machen, sie könne diese Probleme mit Absichts- oder Ehrenerklärungen in den Griff bekommen und diese auf die Maskengeschäfte reduzieren. "Denn wir ahnen ja, dass da vielleicht noch ganz andere Dinge dahinterstecken." Auch die Einschätzungen von Unionspolitikern, es handele sich bei den Maskengeschäften um das Fehlverhalten Einzelner, sieht Hartmann mit Blick auf die Vertrauensfrage kritisch. Die Psychologie kenne es als "Halo-Effekt", dass von Einzelnen immer auf viele Fälle geschlossen würde, egal ob es diese gebe oder nicht. Einzelfälle würden verallgemeinert und bekämen eine symbolische Dimension. Dies sei für Vertrauen in vielerlei Hinsicht fatal, erklärte Hartmann. Wenn die Politik Transparenz schaffen wolle, müsse sie das dauerhaft tun. Dazu gehöre auch eine Ansprache, die auch Laien verstünden.