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"Vertrauen wieder hergestellt"

Nachdem ein Referentenpapier der Evangelischen Kirche für Ärger bei Katholiken sorgte, führten beide Kirchen ein klärendes Gespräch: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Wolfgang Huber, zeigte Verständnis für die große Enttäuschung auf katholischer Seite und entschuldigte sich für den Text, den er als "Missgriff" bezeichnete.

Wolfgang Huber im Gespräch mit Bettina Klein | 15.10.2009
    "Die intellektuelle und positionelle Präsenz in gesellschaftlich relevanten und politisch heiklen Fragen wird in den letzten Jahren deutlich von der Evangelischen Kirche dominiert und geprägt. Die inhaltliche Profilierung der christlich-kirchlichen Positionen im Diskurs der Gesellschaft verantwortet nicht selten die Evangelische Kirche."

    Bettina Klein: Deutlich von der Evangelischen Kirche dominiert werde der Diskurs. Das war ein Auszug aus dem umstrittenen Papier, das in der Evangelischen Kirche kursierte - und an die Öffentlichkeit lanciert wurde. Das Verhältnis zu den Katholiken schien darauf eingetrübt und das machte ein Krisengespräch nötig auf höchster Ebene gestern Abend in Karlsruhe.

    Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Er sprach gestern Abend mit Bischof Wolfgang Huber, und den EKD-Ratsvorsitzenden begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Huber.

    Wolfgang Huber: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Das Vertrauen ist komplett wieder hergestellt?

    Huber: Ja, das Vertrauen ist wieder hergestellt. Wir haben gute Verabredungen getroffen, darüber, wie die gemeinsame Arbeit im Kontaktgesprächskreis weitergeht, der ja ein wichtiges Organ für die Zusammenarbeit zwischen Evangelischer und Katholischer Kirche ist und bleibt. Wir haben ausgemacht, dass wir auch in einem größeren Bogen die ökumenische Entwicklung der letzten Jahre miteinander auswerten und besprechen und daraus Folgerungen ziehen wollen für die nächsten Jahre, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, wir gehen auf das Reformationsjubiläum zu und wollen herausfinden, was wir auf diesem Weg auch ökumenisch gemeinsam machen können.

    Klein: Wie viel Vertrauen ist denn kaputt gegangen?

    Huber: Dadurch, dass in der Öffentlichkeit der Text aus dem EKD-Kirchenamt dargestellt worden war, ohne zu sagen, welcher Status diesem Text zukam, dadurch ist wirklich große Enttäuschung entstanden, und der Text enthält Aussagen, für die man sich wirklich nur entschuldigen kann.

    Deswegen war es auch wichtig, dass wir ausdrücklich als evangelische Vertreter erklärt haben, dass dieser Text ein Missgriff ist, und bei allen um Entschuldigung gebeten haben, die ihre Kirche und sich persönlich durch einzelne, wirklich anstößige Aussagen beschwert fühlen mussten. Das war ein notwendiger klärender Schritt und ich bin dankbar dafür, dass Erzbischof Zollitsch diese Entschuldigung auch angenommen hat.

    Klein: Entschuldigung auf der einen Seite, es war kein offizielles EKD-Papier, aber stoßen Sie auf der anderen Seite nicht damit diejenigen in Ihrer Kirche vor den Kopf, die eben dahinter stehen, hinter diesen Äußerungen?

    Huber: Nein, das ist nicht der Fall. Auch derjenige, der es verfasst hat, sieht ein, dass Äußerungen von der Art, dass die Katholische Kirche wie ein angeschlagener Boxer wirke, um nur dieses eine Zitat zu verwenden, nicht Äußerungen sind, hinter denen man stehen kann. Insofern gibt es ja auch nicht Flügel in der Evangelischen Kirche, die unterschiedlich votieren im Blick auf das Verhältnis zur Römisch-Katholischen Kirche.

    Wir wissen alle, dass wir in Deutschland ökumenisch in einer einmaligen Situation sind. Es gibt gewichtige, bleibende Unterschiede zwischen den Kirchen, aber gewichtiger ist das gemeinsame Evangelium, das uns anvertraut ist, und wir wissen alle, dass in der gesellschaftlichen Situation, in der wir uns befinden, das gemeinsame Zeugnis des Evangeliums für die Welt die vordringliche Aufgabe ist.

    Wie gesagt, Unterschiede sind dadurch überhaupt nicht relativiert, aber das ist der Grundton, in dem wir ökumenisch arbeiten. Und deswegen war es ja so, dass die Kirchenkonferenz der EKD, in der alle Gliedkirchen, alle 22 Gliedkirchen, vertreten sind, sich diesen Text, über den wir jetzt reden, in keiner Weise zueigen gemacht hat. Sie hat ihn vielmehr klar zurückgewiesen. Und es ist außerordentlich ärgerlich, dass er dann später anonym, missbräuchlich und äußerst gezielt verbreitet worden ist. Dadurch ist dieses ganze Unglück ausgelöst worden.

    Klein: Haben Sie eine Vorstellung, wer aus welchem Interesse, aus welcher Motivlage heraus dieses Papier an die Öffentlichkeit gegeben hat?

    Huber: Nein. Ich weiß nicht, wer es an die Öffentlichkeit gegeben hat, und ich beteilige mich auch nicht an Spekulationen darüber, aus welchem Motiv das geschehen ist. Wenn mit einer solchen, jedenfalls schäbigen Absicht - so viel kann man sagen - anonym ein Text weitergegeben wird und die Empfänger allenfalls das Postamt wissen, wo es aufgegeben worden ist, dann spricht das doch für sich selbst. Welche Motive es auch immer gewesen sein mögen, diese Motive verdienen keinerlei Respekt.

    Klein: Jedenfalls ist nun ein Klima geschaffen, das die Evangelische Kirche in die Situation versetzt hat, auf die Katholiken zuzugehen, und da fragt sich mancher auch in dem Fall, wer Ihre Nachfolge antreten soll, Bischof Huber.

    Huber: Das hat überhaupt keinen Zusammenhang mit der Nachfolgefrage, denn es gibt unter denjenigen Persönlichkeiten, die für den Rat der EKD kandidieren, überhaupt keine Differenz in der Beurteilung dieses Vorgangs. Von daher kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, welche Folgerungen abgeleitet werden sollen aus diesem Vorgang für die Ratswahl.

    Klein: Also die Evangelische Kirche ist in keiner Weise gerufen oder gezwungen, auf Wünsche der Katholischen Kirche einzugehen, was die künftige Person an der Spitze angeht?

    Huber: Das wäre vollkommen abwegig, wenn man sich vorstellen wollte, dass die Katholische Kirche Einfluss darauf nehmen will, wer Vorsitzender des Rats oder wer Mitglied des Rats der EKD werden will. Das würde keinerlei ökumenischen Spielregeln entsprechen.

    Klein: Das heißt nun mal ganz theoretisch gefragt: Im Zweifel muss die katholische Bischofskonferenz oder müsste sie auch damit klarkommen, wenn zum Beispiel eine geschiedene Frau dem Rat der EKD künftig vorstehen würde?

    Huber: Das verdient überhaupt gar keiner Kommentierung, weil die Evangelische Kirche ganz eigenständig in der Frage ist, wer zum Vorsitz im Rat gewählt wird.

    Klein: Herr Huber, geht es aber auch darum: Wer hat in Fragen, die die Gesellschaft bewegen, eine Art Deutungshoheit? Oder geht es darum für Sie gar nicht?

    Huber: Es ist wünschenswert, dass in wichtigen gesellschaftlichen Fragen wir mit einer Stimme sprechen, weil wir dann das, was wir als christliche Kirchen vorbringen wollen, mit einem größeren Nachdruck vorbringen können. Aber es gibt auch Situationen, in denen das stattfindet, was wir hypothetische ethische Urteile genannt haben, nämlich Urteile, die an Voraussetzungen gebunden sind, Urteile, in denen auch die unterschiedlichen konfessionellen Kulturen eine Rolle spielen, und dann ist es auch mal hilfreich, wenn in einer ethischen Frage, in der Pro und Kontra abgewogen wird und bestimmte Positionen aus christlicher Sicht klar ausgeschlossen sind, aber doch ein Korridor von Möglichkeiten entsteht, auch unterschiedliche Akzente gesetzt werden, und das mag in früheren Jahrzehnten so gewesen sein, dass da der Eindruck verbreitet war, dass eher die Katholische Kirche sozusagen Vorgaben gemacht hat in der Deutung solcher Fragen. Das beschreibt aber die gegenwärtige Situation ganz bestimmt nicht mehr.

    Klein: Sehen Sie eine Art Konkurrenz dennoch zwischen Katholischer und Evangelischer Kirche, wenn es eben um Fragen in der Gesellschaft geht?

    Huber: Nein. Ich sehe keine Konkurrenz, sondern ich sehe eine Ergänzung. Ich sehe ganz viel Gemeinsamkeit, denken Sie als Letztes an den gemeinsamen Text, den wir zu demokratischer Verantwortung gemacht haben, Demokratie braucht Tugenden, denken Sie an Fragen, wie wir in der gemeinsamen Konferenz der Kirchen für Entwicklungen zu Fragen von Rüstungsexporten und vielem anderen Stellung genommen haben, denken Sie daran, dass auch in den bioethischen Fragen die Gemeinsamkeiten weit größer waren als unterschiedliche Akzente.

    Überwiegend ist das Gemeinsame und in diesem Gemeinsamen gibt es dann mal unterschiedliche Hervorhebungen. Das ist auch das, was die Menschen von uns erwarten, dass wir klar machen, was der christliche Glaube ist, und dass wir von da aus erklären, warum Evangelische und Katholische Kirche unterschiedliche Profile haben. Erzbischof Zollitsch hat das früher mal so ausgedrückt: Wir sind wie die zwei Arme Christi, die in die Gesellschaft hineinreichen und die Menschen für das Evangelium gewinnen.

    Klein: Bischof Huber, in dem Papier, über das wir jetzt gerade gesprochen haben, drückte sich ja auch eine gewisse Unzufriedenheit mit Fortschritten in der Ökumene aus. Sind Sie vollkommen komplett zufrieden damit und sagen Sie, da ist kein Wort wahr dran?

    Huber: Nein. Ich habe ja auch in anderen Zusammenhängen gesagt, dass ein gewisser Stillstand in der Ökumene für mich zu denjenigen Punkten auch in meiner eigenen Tätigkeit als Bischof und als Mitglied des Rats der EKD gehört, bei denen ich mir mehr gewünscht hätte. Und wenn gesagt worden ist, wir arbeiten jetzt einmal auf, was in den letzten zehn Jahren geschehen ist, dann schließt das ja Vorgänge wie "Dominus Iesus" ein, jene Erklärung aus dem Vatikan vom Jahr 2000, in der die Kirchen der Reformation nicht als Kirchen im eigentlichen Sinn anerkannt worden sind.

    Das ist unglücklicherweise 2007 noch einmal wiederholt worden und wir haben auch gestern wieder darauf hingewiesen und darüber ausdrücklich gesprochen, dass innerkatholische Vorgänge wie die neue Entwicklung mit der Piusbruderschaft und alles, was damit zusammenhängt, auch unmittelbar belastende Wirkung für die Evangelische Kirche hat. Aber da auch die Bischofskonferenz gerade an diesem Punkt sich auch deutlich erklärt hat, braucht das nicht unbedingt eine Belastung der innerdeutschen Ökumene zu sein.

    Klein: Bischof Wolfgang Huber, der EKD-Ratsvorsitzende. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Huber.

    Huber: Ich bedanke mich auch, Frau Klein.