Noch zwei Tage nach der Havarie, als in Finnland und Schweden bereits die Geigerzähler hoch ausschlugen, ließen die russischen Behörden die Öffentlichkeit im Unklaren: Ja, es habe eine Havarie gegeben – aber genaueres über Hergang, Opferzahl usw. wurde zwei Tage danach noch nicht bekannt gegeben. Die westlichen Korrespondenten versuchten, über inoffizielle Kanäle zu recherchieren, was aber eher schlecht als recht gelang, erinnert sich Johannes Grotzky, Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks, damals Korrespondent in Moskau:
"Wir haben tagelang geschwommen und wenn man heute meine alten Berichte hört, würde man sagen: So etwas Faktenloses kann man doch gar nicht senden. Das einzig authentische war ein schlechter Telefon-O-Ton und ein verzweifelter Grotzky, der immer noch nicht wusste, was los war. Wir haben erste Informationen bekommen aus dem Westen über erhöhte Strahlenwerte, die im Westen aufgeschlagen sind, und als wir dann in der Sowjetunion nachforschten, hieß es: Das sei alles Verunglimpfung."
Blogs, Internet, Satellitenfernsehen - all die Medien, die heute eine vertiefende Recherche möglich machen, gab es damals ja noch nicht, insofern war die Überprüfung von Fakten schwierig. Die Korrespondenten der DDR-Medien sollten auch gar nicht recherchieren – alles, was sie aus Moskau sendeten, wurde doppelt und dreifach in Ost-Berlin redigiert – 1986 war jene kritische Zeit, in der das Verhältnis der DDR zum großen Bruder UdSSR angespannt war – Gorbatschow und seine Perestroika waren verdächtig.
Wolfgang Mertin, der damalige Korrespondent des DDR-Fernsehens in Moskau, erinnert sich, dass er aufgrund seiner guten Kontakte zum russischen Fernsehen wusste, dass am Tag 3 nach der Havarie eine Meldung in der Hauptnachrichtensendung WREMJA verlesen werden sollte. Wie damals üblich, wurde eine solch wichtige Meldung ganz an den Schluss der Sendung gestellt:
"Ich habe dann sofort auch begonnen mit der Verlesung, ich durfte ja nichts hinzufügen, ich habe versucht, das Wichtigste zu komprimieren, es war eine Mitteilung des Ministerrats der DDR, ich war gerade am Ende, da begann der Vorspann der Aktuellen Kamera und wir hatten um 19 Uhr 31 die Meldung auf dem Schirm gehabt, das war die erste Meldung, die ein ausländischer Journalist aus sowjetischer Quelle hatte. Das war die eigentliche Sensation, dass das Ding nie vorher begutachtet worden ist."
Dass ausgerechnet das DDR-Fernsehen als erstes ausländisches Programm die Meldung aus Moskau verbreitete, blieb ein Kuriosum der Mediengeschichte. Trotz dieser halbherzigen Pressemitteilung am 29. April 1986 waren die Medien in der DDR und in der Sowjetunion aber keinesfalls an Aufklärung interessiert, sondern man wollte vor allem eines: Zeit gewinnen, meint Johannes Grotzky:
"Es hat sich später auch herausgestellt, dass die zuständigen Ministerien in Kiew massiv gelogen haben, denn man wollte eines erreichen: Den wichtigsten Feiertag damals in der Sowjetunion noch in Ruhe begehen, und man hat eben auch am 1. Mai, also etliche Tage nach dieser Havarie, nach diesem Kernkraftunfall in aller Öffentlichkeit ohne Warnung der Bevölkerung alle Paraden abgehalten."
Auch in der DDR war man nicht zimperlich – und spielte den Atomunfall nach Kräften herunter. Noch Tage danach, am 30.April 1986 sendete das DDR-Fernsehen ein Interview mit zwei Physikern – eigentlich hochgeachtete Wissenschaftler ihres Fachs – doch in diesem Fall Sprachrohre der offiziellen Parteipropaganda:
"Es gibt weder ein Risiko für die Menschen, noch für die Natur, und ich würde auch diese Meldungen, …., dass das Menschen gefährdet, und dass man sich in Räumen aufhalten soll, sowas taucht ja auch schon auf, würde ich auch alles sehen in erster Linie unter dem Motto der Panikmache."
Auch der russische Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow spielte damals eine durchaus zweifelhafte Rolle: Am 14. Mai erklärte er in einer Rede, dass der Unfall für den Westen vor allem eine gute Gelegenheit gewesen sei, die Sowjetunion und ihre Partner zu verunglimpfen. Allerdings sagte Gorbatschow später in mehreren Interviews, dass auch er nicht wirklich über das ganze Ausmaß der Katastrophe informiert wurde.
Heute ist man besser informiert über den Unfall in Fukushima, sollte man meinen – jedoch gebe es durchaus Parallelen zwischen der Havarie in Japan und der in Tschernobyl, meint Johannes Grotzky:
"In einem Punkt ja: Verschleierung und eben auch Nicht-Wissen, was wirklich passiert ist, das trifft heute in Fukushima genauso zu, wie es damals in Tschernobyl war."
"Wir haben tagelang geschwommen und wenn man heute meine alten Berichte hört, würde man sagen: So etwas Faktenloses kann man doch gar nicht senden. Das einzig authentische war ein schlechter Telefon-O-Ton und ein verzweifelter Grotzky, der immer noch nicht wusste, was los war. Wir haben erste Informationen bekommen aus dem Westen über erhöhte Strahlenwerte, die im Westen aufgeschlagen sind, und als wir dann in der Sowjetunion nachforschten, hieß es: Das sei alles Verunglimpfung."
Blogs, Internet, Satellitenfernsehen - all die Medien, die heute eine vertiefende Recherche möglich machen, gab es damals ja noch nicht, insofern war die Überprüfung von Fakten schwierig. Die Korrespondenten der DDR-Medien sollten auch gar nicht recherchieren – alles, was sie aus Moskau sendeten, wurde doppelt und dreifach in Ost-Berlin redigiert – 1986 war jene kritische Zeit, in der das Verhältnis der DDR zum großen Bruder UdSSR angespannt war – Gorbatschow und seine Perestroika waren verdächtig.
Wolfgang Mertin, der damalige Korrespondent des DDR-Fernsehens in Moskau, erinnert sich, dass er aufgrund seiner guten Kontakte zum russischen Fernsehen wusste, dass am Tag 3 nach der Havarie eine Meldung in der Hauptnachrichtensendung WREMJA verlesen werden sollte. Wie damals üblich, wurde eine solch wichtige Meldung ganz an den Schluss der Sendung gestellt:
"Ich habe dann sofort auch begonnen mit der Verlesung, ich durfte ja nichts hinzufügen, ich habe versucht, das Wichtigste zu komprimieren, es war eine Mitteilung des Ministerrats der DDR, ich war gerade am Ende, da begann der Vorspann der Aktuellen Kamera und wir hatten um 19 Uhr 31 die Meldung auf dem Schirm gehabt, das war die erste Meldung, die ein ausländischer Journalist aus sowjetischer Quelle hatte. Das war die eigentliche Sensation, dass das Ding nie vorher begutachtet worden ist."
Dass ausgerechnet das DDR-Fernsehen als erstes ausländisches Programm die Meldung aus Moskau verbreitete, blieb ein Kuriosum der Mediengeschichte. Trotz dieser halbherzigen Pressemitteilung am 29. April 1986 waren die Medien in der DDR und in der Sowjetunion aber keinesfalls an Aufklärung interessiert, sondern man wollte vor allem eines: Zeit gewinnen, meint Johannes Grotzky:
"Es hat sich später auch herausgestellt, dass die zuständigen Ministerien in Kiew massiv gelogen haben, denn man wollte eines erreichen: Den wichtigsten Feiertag damals in der Sowjetunion noch in Ruhe begehen, und man hat eben auch am 1. Mai, also etliche Tage nach dieser Havarie, nach diesem Kernkraftunfall in aller Öffentlichkeit ohne Warnung der Bevölkerung alle Paraden abgehalten."
Auch in der DDR war man nicht zimperlich – und spielte den Atomunfall nach Kräften herunter. Noch Tage danach, am 30.April 1986 sendete das DDR-Fernsehen ein Interview mit zwei Physikern – eigentlich hochgeachtete Wissenschaftler ihres Fachs – doch in diesem Fall Sprachrohre der offiziellen Parteipropaganda:
"Es gibt weder ein Risiko für die Menschen, noch für die Natur, und ich würde auch diese Meldungen, …., dass das Menschen gefährdet, und dass man sich in Räumen aufhalten soll, sowas taucht ja auch schon auf, würde ich auch alles sehen in erster Linie unter dem Motto der Panikmache."
Auch der russische Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow spielte damals eine durchaus zweifelhafte Rolle: Am 14. Mai erklärte er in einer Rede, dass der Unfall für den Westen vor allem eine gute Gelegenheit gewesen sei, die Sowjetunion und ihre Partner zu verunglimpfen. Allerdings sagte Gorbatschow später in mehreren Interviews, dass auch er nicht wirklich über das ganze Ausmaß der Katastrophe informiert wurde.
Heute ist man besser informiert über den Unfall in Fukushima, sollte man meinen – jedoch gebe es durchaus Parallelen zwischen der Havarie in Japan und der in Tschernobyl, meint Johannes Grotzky:
"In einem Punkt ja: Verschleierung und eben auch Nicht-Wissen, was wirklich passiert ist, das trifft heute in Fukushima genauso zu, wie es damals in Tschernobyl war."