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Verunsicherte Gesellschaft (Teil 4)
Die Krisen Europas

Die EU hat 2016 viele Krisen durchgemacht: die Herausforderungen durch die Flüchtlinge, der Brexit, der aufstrebende Populismus. Das Friedensprojekt Europa gerät ins Wanken. Auch weil sich viele Bürger mit der EU als Institution nicht identifizieren können. Viele wünschen sich mehr politische Beteiligung.

Von Johanna Herzing | 30.12.2016
    Nach dem Brexit-Referendum liegen zwei Plakate mit den Aufschriften "27 stronger together" und "A new start 4 Europe" vor einer Statue.
    Das Brexit-Referendum war ein schwerer Schlag für die EU. (dpa / picture-alliance / BELGA / Nicolas Maeterlinck)
    "Ich bin sehr früh am 24. Juni aufgestanden und habe mein Radio eingeschaltet und ich hatte so ein furchtbares Gefühl sofort. Ich hab dann die Stimme von dem Nigel Farage gehört und da wusste ich sofort: Jetzt wird alles anders. Ich glaube, ich war über eine politische Entscheidung noch nie so betroffen und traurig. Ich hab auch Angst vor der Zukunft."
    "Das Land ist kaputt gespart – ich sehe es an meiner Familie, ich sehe es an Nachbarn – alle reden darüber, dass sie nicht mehr können. Und gäbe es die Rentner nicht, die ihre Kinder unterstützen oder die ländliche Bevölkerung, die im Sommer viel anbauen kann, dann würde Griechenland verhungern."
    "Ich bin enttäuscht von der Abschottungspolitik der EU. Ich würde mir wünschen mehr Offenheit und Solidarität mit Menschen, die sich nicht freiwillig dazu entschlossen haben zu reisen, so wie ich das kann."
    "Man versucht schon länger, eine europäische Identität herzustellen, aber am Ende kämpfen die Länder immer noch lieber für sich. Das ist nicht verwunderlich, das war immer so."
    Enttäuschte junge Europäer
    Junge Europäer im Winter 2016 - und ein EU-Kommissionspräsident im Herbst vor dem Europa-Parlament in Straßburg:
    "Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete, Herr Ratspräsident, werte Kollegen. Einiges lässt vermuten, dass wir es in Teilen mit einer existenziellen Krise der Europäischen Union zu tun haben."
    EU-Kommissionspräsident Juncker am Rednerpult.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker appelliert immer wieder, für den Erhalt der EU zu kämpfen. (Gregor Fischer, dpa / picture-alliance)
    Nationale Egoismen, mangelnde Solidarität, Populismus, soziale Ungerechtigkeit, hohe Staatsverschuldung, Jugendarbeitslosigkeit, Terror, EU-Mitgliedsstaaten, die sich der Flüchtlingsaufnahme verweigern, der Brexit – es ist eine lange Liste der europäischen Krisen, ihrer Ursachen und Symptome, an der sich Jean-Claude Juncker in seiner "Rede zur Lage der Union" abgearbeitet. Die Krise als Dauerzustand, als Dauer-Erschöpfungszustand. Jean-Claude Juncker appelliert, die historische Errungenschaft eines geeinten Europas zu verteidigen.
    "Ich glaube an Europa, weil mein Vater mir diese Werte vermittelt hat. Aber was vermitteln wir unseren Kindern heute? Was werden wir ihnen hinterlassen? Eine Union, die in Zwietracht auseinanderbricht? Eine Union, die ihre Vergangenheit vergessen und die keine Vision für die Zukunft hat? Unsere Kinder, meine Damen und Herren, haben etwas Besseres verdient. Ein Europa, das ihre Art zu leben bewahrt, das sie verteidigt und sie beschützt."
    Friedensprojekt EU erhalten
    Die Europäische Union, das Friedensprojekt, das es gerade für die nachfolgende Generation zu erhalten gilt. Ein gern gewähltes Sujet für Europa-Reden in Krisen-Zeiten. Die Jugend als Mahner und Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Doch was denken junge Menschen in Europa und vor allem über Europa? Vorlesungsschluss an einem Freitagmittag an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
    "Ich heiße Peradyko Peresenko." - "Ich bin Miriam und komme aus NRW" - "Ich bin Judith und komme aus Magdeburg." - "Ich bin der Jan und komme aus Tschechien." - "Ich studiere Europäische Studien."
    An Europa kommt an der Viadrina keiner vorbei. Die Grenze zum EU-Nachbarn Polen verläuft nur wenige Schritte vom Campus entfernt: Die Oder trennt Frankfurt von Slubice. Rund ein Viertel der Studierenden an der Viadrina stammt aus dem Ausland, die meisten kommen aus EU-Mitgliedsländern. Und auch in die andere Richtung funktioniert der Austausch: Von keiner anderen deutschen Hochschule brechen so viele Studierende – etwa jeder zweite - zu einem Studienaufenthalt im Ausland auf.
    "Ich glaube, da geht schon ein Riss durch die Gesellschaft, dass die Leute, die nach dem Ende des Kalten Krieges geboren sind, in einem relativ freien System aufgewachsen sind. Geprägt von Schüleraustauschen, irgendwelchen Reisen, Seminaren in verschiedenen Ländern, dass die sich gar nicht mehr denken, dass es mal anders gewesen sein kann, während die ältere Generation eben andere Zeiten kennengelernt hat."
    Ein Europa mit Schlagbäumen, mit Kriegen - für die Studierenden längst ferne Vergangenheit:
    "Das kommt uns so selbstverständlich vor, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken, dass das ein Prozess war und dass wir diesen Prozess auch weiterführen müssen."
    Leidenschaft für Europa ist keine Leidenschaft für EU
    Die Studenten Mareike Ploog und Sebastian Legierko aus Hannover posieren am 23.08.12 auf dem Dach eines Gebäudes in Buenos Aires. Sie beginnen gerade ihr Auslandssemester in der argentinischen Hauptstadt. 
    Mit dem Erasmus-Programm der EU können Studierende für ein oder mehrere Semester im Ausland studieren. (dpa / picture-alliance / Lena Klimkeit )
    Reisefreiheit, Erasmus-Semester im Ausland, von der EU geförderte Forschungsprojekte, Praktika- und Job-Möglichkeiten in 28 Ländern, Zusammenleben und Arbeiten in Frieden – die akademische Jugend hat eigentlich allen Grund, die Europäische Union für eine gute Idee zu halten. Doch die Leidenschaft für Europa, das stellt sich schnell heraus, ist nicht zwingend auch eine Leidenschaft für die Europäische Union:
    "Ich fühle mich da einfach sehr fern. Also ich war relativ viel in Weißrussland unterwegs und da haben immer alle zu mir gesagt: Bei euch in Europa, wie ist das da eigentlich? Und ich hab dann irgendwann verstanden, dass die die EU meinen. Und dann konnte ich immer nur antworten, 'Ja, ich bin halt in der EU, ich bin in Deutschland, aber ich fühle mich eigentlich nicht als Teil davon, sondern ich lebe da eben zufällig.'"
    Jan aus Tschechien pflichtet seiner Kommilitonin bei:
    "Vielleicht identifiziert man sich mit Europa, aber nicht mit den Institutionen, die durchaus nicht durchschaubar sind, wer da gewählt wird, von wem und warum. Und wenn dann eine Entscheidung aus Brüssel kommt, es wird meistens als etwas total Fremdartiges gesehen und nicht nur in Osteuropa, auch in fast allen Ländern – außerhalb von Deutschland - wird das dann als Brüsseler Diktat angesehen. Auch wenn es gut gemeint ist, es wird den Leuten sehr schlecht kommuniziert."
    Junge Menschen fühlen sich nicht als Teil der EU
    Ob sie selbst, also ob junge Menschen in der EU politischen Einfluss hätten? Judith winkt ab. Als Beispiel führt sie die Visafreiheit für Ukrainer und Weißrussen an. Die sollte es, ginge es nach ihr, schon längst geben, aber:
    "Die Entscheidung, die die EU da trifft, ist nicht irgendwas, wo ich Einfluss drauf nehmen kann und dann rede ich auch mit meinen Freunden darüber: Die EU hat das gemacht!. Aber ich bin gar nicht Teil dieser EU, sondern das ist irgendwas anderes, was das entschieden hat."
    Tatsächlich haben jüngere Menschen in den Institutionen der EU wenig zu sagen. Sie sind auch kaum vertreten. So führt der sogenannte Youth Monitor der Europäischen Kommission gerade mal zwölf Europaabgeordnete an, die bei ihrer Wahl 2014 zwischen 18 und 30 Jahre alt waren. Dass die junge Generation in Brüssel und Straßburg kaum in Erscheinung tritt, könnte auch damit zusammenhängen, dass das Europaparlament nach wie vor als wenig einflussreich gilt. Jan findet:
    "Wenn man da ist als EU-Parlamentarier, dann hat man ja ziemlich wenig Spielraum. Da hängt es sehr davon ab, aus welcher Partei, aus welchem Land man kommt. Aber für die Alltagseuropäer: Ja, man kann sich irgendwo engagieren, irgendwelche Stiftungen, aber ob das zu einer europäischen Identität oder zu einem Europagefühl führt, das ist ja eine Frage."
    Fremdeln mit europäischen Institutionen
    Desillusionierung oder Desinteresse? Egal, wie man die Aussagen der Studierenden bewerten mag - sie sind Ausdruck eines Problems, das zwar nicht neu ist, für die EU in der Krise aber eine besondere Last darstellt: Europaweit fremdeln beträchtliche Teile der Bürgerinnen und Bürger – jung wie alt – mit den europäischen Institutionen.
    Fahnen vor dem Europaparlament in Straßburg
    Viele Bürger fremdeln mit den Institutionen der EU. (Deutschlandfunk / Andreas Diel)
    So ist beispielsweise in Deutschland die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft laut einer Bertelsmann-Studie mit rund 69 Prozent recht hoch. Doch glaubt man wiederum einer Studie im Auftrag der Körber-Stiftung, dann sind knapp zwei Drittel der Deutschen unzufrieden mit dem Zustand der Union. Gewünscht wird vor allem eine transparentere und bürgernähere EU – 96 Prozent der Befragten gaben das an.
    "Es ist schade, dass das Positive, das Menschliche, das Europa ausmacht, so zurücktritt, weil es dann immer nur um Schulden und wirtschaftliche Unterschiede und wer muss wen unterstützen und das finde ich so schade."
    "Es ist schwer in Großbritannien laut zu sagen, dass dies oder jenes an Europa gut ist. Denn man wird so schnell kritisiert, wenn man so was sagt. Weil alle können dann sagen: 'Aber das ist eine Geldverschwendung, dass die immer nach Straßburg fahren!'. Es gab keinen von den EU-Befürwortern, die stark genug waren, das zu verteidigen und zu sagen: Diese Straße in Wales wurde teilweise von EU-Geld finanziert und steht jetzt da wegen dieser Finanzierung."
    ‚Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt‘ – Dieser Sinnspruch des französischen Sozialdemokraten und ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors wird dieser Tage gern zitiert. Hat doch die Europäische Union seit ihrer Gründung Anfang der 1990er Jahre vor allem auf die wirtschaftliche Integration gesetzt. Die Idee einer politischen Union geriet schnell ins Hintertreffen. Das rächt sich nun, so die weit verbreitete Diagnose.
    Europäische Union reif für die Abwicklung?
    Dazu gesellen sich der seit Langem erhobene Vorwurf vom Demokratiedefizit, eine sozial gespaltene europäische Gesellschaft, Bürger, die überzeugt sind, nicht gehört zu werden, und die die Idee des Friedensprojektes nicht mehr ausreichend begeistert. Ist die Europäische Union also reif für die Abwicklung? Wer glaubt noch an die Europäische Idee? Und vor allem: Wer spricht das laut aus? Stimmt, was Navid Kermani in einem Interview im Deutschlandfunk sagte?
    "Europa hat nicht zu viele Gegner, es hat zu lausige Unterstützer und zu lausige Anhänger. Den jungen Leuten, denen muss man das nicht erklären, denen muss man eher mal erklären, dass sie zur Wahlurne gehen und sich engagieren."
    "Wir haben dann Bürgertische, Bürgerplattformen organisiert, wo wir Leute eingeladen haben, teilzunehmen und ihre eigenen Proposals und Politikideen einzubringen. Daraus sind dann zwölf Themenbereiche entstanden und dieses Manifest haben wir dann auch vor den Wahlen sehr vielen Politikern präsentiert."
    Daphne Büllesbach, Programmdirektorin des Berliner Büros von European Alternatives, einem Netzwerk, das europaweit zivilgesellschaftliche Initiativen zusammenbringen will.
    "Unser Slogan ist Demokratie, Gleichheit und Kultur jenseits des Nationalstaates! Wir sind europa-freundlich und EU-skeptisch oder kritisch."
    Die junge Frau im Hinterhof-Büro im Berliner Stadtteil Kreuzberg ist ohne Zweifel engagiert. Sie will, dass Europa, genauer die EU, anders wird. Was sich ändern sollte, steht in dem Manifest, an dem Bürger aus ganz Europa in einem mehrjährigen Prozess mitgewirkt haben. Es umfasst sehr konkrete Vorschläge zu Themen wie Arbeit, Soziales, Finanzen, Demokratie, Gemeinwohl, Migration oder Menschenrechte. Es ist der Versuch europäischer Bürger, in Brüssel und Straßburg gehört zu werden. Die Aktion liegt rund zwei Jahre zurück. Ein Erfolg?
    "In der Tat gibt es da eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Aufwand und auch dem Enthusiasmus, dem man von so vielen Menschen bekommt und dem Ergebnis: Nehmen Parlamentarier das auf? Es gab einige von den Grünen, die Vorschläge übernommen haben für ihr Wahlprogramm, aber es ist richtig, dass das schwierig ist."
    Wille zur Beteiligung ist da
    Der Wille, sich zu beteiligen, sich zu engagieren sei da, sagt Büllesbach. Aber die europäische Zivilgesellschaft sei noch zu stark national organisiert, europaweite Bürgerinitiativen wären zu selten. Die Skepsis vieler Europäer gegenüber den Brüsseler Institutionen und Entscheidungen erklärt sie so:
    "Warum wir uns heute da befinden, wo wir sind, ist sicher auch eine Konsequenz der Großen Koalitionspolitik, die wir ja nicht nur in Deutschland sehen, sondern in vielen Ländern, die Alternativlosigkeit gepredigt hat und da ist eine Konsequenz: 'Ok, ob ich jetzt SPD oder CDU wähle, das macht keinen großen Unterschied für mich, dann wähle ich eine Partei, die wirklich einen Unterschied macht und dieses Versprechen bringt'. Diese Partei steht im Moment rechts außen, und sie steht in recht vielen Ländern rechts außen, und auf der progressiven Seite gibt es da leider sehr wenig Antworten."
    Der rasante Aufstieg nationalistischer und populistischer Bewegungen in Europa, er sorgt für Verwunderung - quer durch alle politischen Lager:
    "Die Frage ist: Was sind die Ursachen für diese Sucht geradezu, sich ins nationale Schneckenhaus zurückzuziehen? Das ist die Angst! Und die Angst ist im persönlichen Leben wie politischen Leben der schlechteste Ratgeber überhaupt. Man muss sich fragen, woher kommt das, dass wir auf einmal diese Angst empfinden?"
    Der langjährige CDU-Europapolitiker Karl Lamers
    Der langjährige CDU-Europapolitiker Karl Lamers hat den Prozess der europäischen Einigung miterlebt. (imago/stock&people/Gerhard Leber)
    Fragt sich auch der frühere CDU-Europa- und Außenpolitiker Karl Lamers. Vor Kurzem ist er 81 Jahre alt geworden. Den Prozess der europäischen Einigung hat er nicht nur miterlebt, sondern auch politisch begleitet. Schon als Schüler hat er sich politisch engagiert. Nach dem moralischen Tiefpunkt des Zweiten Weltkriegs, sagt Lamers, war Europa Deutschlands Chance, sich zu bewähren:
    "Wir stürzten uns geradezu mit Leidenschaft in dieses europäische Geschehen und wir waren begeistert Europäer, weil es ohne Zweifel für uns von allergrößtem Nutzen war – und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem politisch und moralisch."
    Damals, so Lamers, habe eine unglaubliche Aufbruchsstimmung geherrscht. Er ist überzeugt:
    "Entscheidend ist ja gar nicht das, was ist, sondern das, was die Menschen glauben, was sein wird. Wenn Sie die Zukunft mit Hoffnung verbinden, dann sind sie auch bereit in der Gegenwart manche Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Aber die Hoffnung auf die Zukunft ist entscheidend für ihre Bereitschaft, sich zu engagieren."
    Hoffnung auf Zukunft muss da sein
    Doch wer bietet derzeit am überzeugendsten die Hoffnung auf eine bessere Zukunft? Oder versprechen finstere Prophezeiungen mehr Erfolg? Daphne Büllesbach von European Alternatives:
    "Ich glaube, dieser Sieg von Trump hat uns das vielleicht auch noch mal bewusster gemacht, dass wir nicht erfolgreich genug sind, in der Ansprache von denjenigen, die nicht in den urbanen Ballungszentren wohnen, die nicht in unserem Facebook-Stream sind, aber in anderen Foren. Und dass wir unsere Strategien überdenken müssen, um da eine andere Ansprache zu finden und vielleicht auch lauter und klarer dafür einstehen, für welche Werte wir stehen."
    Was ist also zu tun, um EU und Bürger einander wieder näher zu bringen? Die Rezepte sind zahlreich. Europäische Utopien werden entworfen, Demokratie wird radikal neu gedacht. Es wird publiziert, debattiert, gestritten, und das nicht nur auf der großen Bühne. Europa und die EU sind – und das kann auch eine Chance sein – überhaupt wieder Gesprächsthema.
    Verbesserungsvorschläge
    Es gibt Vorschläge, was besser oder doch wenigstens anders werden könnte. Manche setzen an großen, andere an kleinen Stellschrauben an. Es muss eigentlich nur noch jemand daran drehen.
    "Ich bin ja unbedingt dafür, die Demokratie in Europa zu stärken, Europa plausibler zu machen. Und auch, was die Globalisierung, diese globale Wirklichkeit angeht: Wir brauchen geradezu eine Didaktik der Politik. Was ich mir konkret vorstelle: Dass man bei jedem größeren politischen Vorhaben, vor allen Dingen auch bei Gesetzesvorhaben, immer den globalen Kontext erwähnt, dass man sagt, weshalb man das machen will."
    "Im Grunde genommen würde ich mir wünschen dass die Gelder, die jetzt in die Banken fließen, in die Infrastruktur, in den Aufbau der Wirtschaft investiert werden, dass wieder Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich glaube, 60 Prozent der Jugendlichen in Griechenland sind arbeitslos, was macht das mit einem Land? Das erstarrt ja."
    Flaggen vor dem Europäischen Parlaments in Brüssel, mit Blick von der Rue Wiertz.
    Die Jugend ist im Europäischen Parlament nur sehr schwach vertreten. (picture alliance / Daniel Kalker)
    "Ich hab aber das Gefühl, dass das EU-Parlament, das ich ja auch wählen kann, stärker wird. Und das gibt mir Hoffnung und so fühle ich mich dem Ganzen auch ein Stück weit näher."
    "Vielleicht macht das die EU sogar stärker, wenn dieses Land Großbritannien, das immer seit Jahren jammert…vielleicht in den Jahren nach Brexit können die anderen Länder zusammenkommen, wie sie zusammenkommen wollen."
    "Also wir stehen vor großen Herausforderungen in dieser einen, aber zutiefst uneinigen, weil ungleichen und ungerechten und ungleichzeitigen Welt. Und bei allem Respekt, den ich vor unserem eigenen Land habe und auch vor unseren Nachbarn, vor ihrer Bedeutung, ihrer Leistung in der Geschichte: Wir sind doch ziemlich kleine Gebilde und wir müssen uns deswegen schon zusammenschließen."
    Johanna Herzing (Deutschlandfunk – Hintergrund) 
    Johanna Herzing studierte Osteuropäische Geschichte und Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und der Universität Warschau. Stationen u. a. in verschiedenen Online-Redaktionen, Volontariat beim Deutschlandradio. Seit 2011 als Redakteurin, Moderatorin und Autorin in der Abteilung "Hintergrund" beim Deutschlandfunk. Alumna des Marion Gräfin Dönhoff-Journalistenstipendiums und des EU Journalism Fellowship in Brüssel.