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Verwaltungsgericht Schwerin
Streit um Beratung von Asylsuchenden

Im westmecklenburgischen Dorf Horst sind einige Asylsuchende aus Hamburg in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Das Land Mecklenburg-Vorpommern verweigert dem Hamburger Flüchtlingsrat, der dort Asylbewerber beraten will, den Zutritt. Der Konflikt landete vor Gericht.

Von Silke Hasselmann |
Mehrere Menschen vor Tapeziertisch mit Flyern und Postern vor dem Verwaltungsgericht in Schwerin
Aktvistinnen demonstrieren für erweiterte Rechte auf Beratung in Erstaufnahmeeinrichtungen (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
Schwerin, Wismarsche Straße. Zweihundert Meter neben dem Verwaltungsgericht: eine Kundgebung mit rund 20 eher jüngeren Leuten.
"Schön, dass so viele Leute da sind. Schön, dass ihr da seid bei dieser kleinen, aber sehr notwendigen Kundgebung..."
Eben noch: Rap-Musik aus kleinen Lautsprechern. Nun startet eine kurze Ansprache mit dem Verlesen der Polizeiauflagen:
"Ja, die Regeln sind wirklich sehr einfach: Keine Waffen, keine Hunde, kein Alkohol. Nichts davon hatten wir geplant, also wunderbar. Die Kundgebung trägt das Motto 'Recht auf unabhängige Beratung - Break Isolation'."
Flüchtlingsorganisationen wollen Solidarität zeigen
Derweil wird der Platz im Saal 2 des Verwaltungsgerichtes eng, denn mindestens 40 Leute wollen die Öffentliche Sitzung der Ersten Kammer verfolgen. Die meisten von ihnen arbeiten ehrenamtlich in Flüchtlingsorganisationen wie "Pro Bleiberecht Rostock" und "Straßen- und Sozialarbeit Schwerin", die sich wiederum zum Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern zusammengeschlossen haben. Ob im oder vor dem Gericht - sie wollen Solidarität mit dem Hamburger Flüchtlingsrat zeigen, der gegen das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern klagt. Denn das hat die Fachaufsicht über die Erstaufnahmeeinrichtung in Nostorf-Horst.
Das ist die erste Anlaufstelle für jene Asylsuchenden, die gerade nach Deutschland gekommen sind und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vom Bundesamt für Migration und Flüchtling zur Abwicklung ihrer Asylverfahren zugewiesen werden. Zudem nutzt Hamburg die Aufnahmeeinrichtung in Nostorf-Host, um dort einige Migranten aus dem eigenen Bestand unterzubringen - jedenfalls noch bis September 2019. Das Problem, wie es die sich selbst so bezeichnenden Aktivisten sehen:
"Wir fahren regelmäßig nach Horst, der Flüchtlingsrat Hamburg alle zwei Wochen und macht dort Beratung in der Übergangslösung.' Pro Bleiberecht' macht einmal im Monat 'ne Mahnwache. Denn wir denken, dass es immer nötig ist, gegen die Isolation von Geflüchteten in Erstaufnahmelagern einzustehen und sie auch aktiv zu durchbrechen." (Beifall)
Vorwurf der "Abschottung" von der Umwelt
Auch in der mündlichen Verhandlung taucht der Begriff "Isolation" gelegentlich auf, was fast schon den Eindruck vermittelte, es ginge um Isolationshaft. Der Vorstand des Hamburger Flüchtlingsrates Franz Forsmann erklärte, was der Kern des Problems aus seiner Sicht sei: Die Geflüchteten, die nach Nostorf-Host kommen, würden "abgeschottet" von der Umwelt und somit auch "systematisch abgeschnitten" von der Möglichkeit, sich unabhängig über das deutsche Asylrechtssystem zu informieren. Sie wüssten folglich gar nicht, was sie sagen müssten und was nicht, bevor sie in das erste Gespräche mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gingen. Umgekehrt werde dem Flüchtlingsrat Hamburg, der eine anerkannte Nichtregierungsorganisation mit Gemeinnützigkeitsstatus ist, der Zugang gerade auch zu solchen Migranten verwehrt, die gerade frisch dazugekommen seien.
Die Vertreter des beklagten Innenministeriums schüttelten immer wieder ihre Köpfe. Dem Flüchtlingsrat Hamburg werde im Wechsel mit dem Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern jeden zweiten Freitag vier Stunden lang eine Räumlichkeit auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung zur Verfügung gestellt, um seine Beratung durchzuführen. Freilich müsse angemeldet werden, um welche Asylbewerber konkret man beraten wolle. Die Namen könne man doch gar nicht immer wissen, wenn man keinen freien Zugang zu den Leuten habe, erwiderte Franz Forsmann.
Flüchtlingsrat-Anwältin spricht von "politischem Kampf"
Schnell räumte die Anwältin des Flüchtlingsrates ein, dass es hier um einen "politischen Kampf" gehe, der "auf dem Wege des Verwaltungsrechtes ausgefochten" werden soll. Ob das funktioniert, ist nach dem Verlauf der Verhandlung ausgesprochen fraglich.
Der Vorsitzende Richter, Michael Skeries, befasste sich mit der juristischen Substanz der Klage und ließ die Zuhörer schon bald mit dem Eindruck zurück, dass diese Klage in jeder Hinsicht auf schwachen Füßen steht. Weder lasse sich aus dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz noch aus der EU-Aufnahmerichtlinie für Asylbewerber (2013/33/EU) eine Grundlage dafür ableiten, dass eine Nichtregierungsorganisation wie der Hamburger Flüchtlingsrat stellvertretend für möglicherweise betroffene Asylsuchende in Horst Rechte einfordern kann. Der Flüchtlingsrat habe jedenfalls weder schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung klarmachen können, in welchen eigenen Rechten er verletzt sein könnte.
Am Ende einigte man sich darauf, ins schriftliche Verfahren überzugehen. Ein Urteil wird nicht lange auf sich warten lassen - im Gegensatz übrigens zum Parallelverfahren in Hamburg. Das läuft ebenfalls seit drei Jahren, hat bereits vier Richter verschlissen, ist aber noch nicht einmal terminiert.
Derweil sind die Belegungszahlen in Nostorf-Horst, das über 600 Menschen aufnehmen kann, derzeit überschaubar. Wie das Schweriner Innenministerium auf Anfrage mitteilte, waren am Morgen 262 Personen in der Zuständigkeit Mecklenburg-Vorpommern und 96 Personen aus der Zuständigkeit der Hamburger Behörde in der Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf-Horst anwesend.