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Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
So unterschiedlich arbeiten die Gremien bei ARD & Co.

Für die Aufsichtsgremien der neun ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios gelten jeweils sehr unterschiedliche Regeln. Das zeigt eine Deutschlandfunk-Recherche. Außerdem sind die Gremienbüros zum Teil mit wenig Personal besetzt. Und auch bei der Überwachung der Finanzen gibt es Auffälligkeiten.

Von Christoph Sterz |
Das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin am Regierungsviertel
Mit gut sechs von insgesamt mehr als acht Milliarden Euro erhält die ARD den größten Anteil am Rundfunkbeitrag (imago images / Future Image / Christoph Hardt via www.imago-images.de)
Die Verwaltungsräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind vor allem für die finanzielle Kontrolle von ARD, ZDF und Deutschlandradio zuständig. Beim RBB hatte diese Kontrolle allerdings offensichtlich Lücken: Dem wichtigsten internen Aufsichtsgremium des RBB wird vorgeworfen, der inzwischen zurückgetretenen Intendantin Patricia Schlesinger nicht ausreichend auf die Finger geschaut zu haben.
Schlesinger werden vor allem Vetternwirtschaft, dem eigenen Sender in Rechnung gestellte private Abendessen und ein insgesamt fragwürdiger Umgang mit  Rundfunkbeitrags-Geldern vorgeworfen. Die ehemalige Intendantin bestreitet die Vorwürfe.
Die amtierende Chefin des RBB-Verwaltungsrats, Dorette König, räumte bei einer Befragung im brandenburgischen Landtag jüngst Versäumnisse bei der Kontrolle ein. Der Verwaltungsrat müsse sein Agieren selbstkritisch hinterfragen. Unter anderem sei mehr Wirtschaftsprüfungskompetenz erforderlich.
Große Unterschiede bei Kontrollgremien
Der Fall Schlesinger spielt vorwiegend im RBB, dennoch stellt sich auch für die anderen Kontrollgremien der Öffentlich-Rechtlichen die Frage, ob sie ihrer Aufgabe ausreichend nachkommen oder überhaupt nachkommen können.
Deshalb hat die Medienredaktion des Deutschlandfunks einen umfangreichen Fragenkatalog an alle Gremienbüros der ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios geschickt und darüber hinaus in den jeweiligen Staatsverträgen recherchiert.
Dabei fällt vor allem auf, wie unterschiedlich die Grundlagen und Regeln für die ehrenamtlich tätigen Rundfunk-Kontrolleure sind. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Ausstattung der Gremienbüros. Sie sind die wichtigste Anlaufstelle der Gremienmitglieder und kümmern sich um alles Organisatorische. Aber sie sind allein wegen der Ehrenamtlichkeit der Räte auch inhaltlich wichtig: Die Büros bereiten die Sitzungen vor und nach, kümmern sich um Fortbildungen und arbeiten den Vorsitzenden zu.
Eine halbe Stelle für den Verwaltungsrat
Für all diese Aufgaben sind beim RBB allerdings bislang nur zwei gehobene Sachbearbeiterinnen zuständig. Und auch die Gremiengeschäftsstellen anderer kleinerer Häuser sind allesamt eher dünn besetzt.
Radio Bremen verfügt etwa nur über eine halbe Stelle für den Verwaltungsrat. Der Hessische Rundfunk und das Deutschlandradio haben aktuell insgesamt zwei Stellen für den überwiegend für die Kontrolle des Programms zuständigen Rundfunkrat und den Verwaltungsrat. Der Saarländische Rundfunk verfügt über eine inhaltlich arbeitende Person für beide Gremien.
Bei den größeren Anstalten fällt vor allem der SWR auf: Die zweitgrößte ARD-Anstalt hat nur insgesamt zwei inhaltlich arbeitende Menschen im Gremienbüro. Dagegen sind zum Beispiel die größte ARD-Anstalt, WDR, mit sieben oder der Bayerische Rundfunk mit sechs Planstellen fürs Inhaltliche deutlich stärker aufgestellt. Das ZDF hat als Haus mit den meisten Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag insgesamt zwölf Stellen im Gremienbüro, fünf davon für die inhaltliche Arbeit.
Ausstattung zum Teil „nicht ausreichend“
Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD, die alle Gremien des Senderverbunds koordiniert, sieht mit Sorge, dass die Geschäftsstellen zum Teil so unterschiedlich ausgestattet sind. Das zeigt sich indirekt auch daran, dass die Menge der angebotenen Fort- und Weiterbildungen für die Kontrolleure je nach Rundfunkanstalt variiert. Beim Saarländischen Rundfunk wird zum Beispiel standardmäßig nur eine Klausurtagung am Anfang der Amtsperiode angeboten, während es etwa beim Bayerischen Rundfunk BR regelmäßige Fortbildungen und sogar jederzeit abrufbare Webinare mit Fortbildungsunterlagen gibt.
Wenig überraschend ist, dass vor allem die Gremien des RBB davon sprechen, die eigene personelle Ausstattung sei „nicht ausreichend“. Besonders mit Blick auf den Plan der Politik, dass die Aufsichtsgremien bald noch mehr Aufgaben bekommen sollen, halten auch die Kontrolleure etwa vom SWR oder dem Saarländischen Rundfunk eine personelle Aufstockung für wichtig.
In Bremen und NRW strenge Vorgaben für Qualifikation
Ein weiterer zentraler Punkt bei der Aufsicht der Öffentlich-Rechtlichen ist die konkrete Besetzung der Verwaltungsräte. Ausreichendes Fachwissen bei diesen wichtigsten Kontrolleuren gilt als unabdingbar, um sicher zu gehen, dass die Rundfunkbeiträge auch wirklich sinnvoll verwendet werden.
Die Anforderungen an die Verwaltungsräte sind aber alle einzeln geregelt, zum Beispiel im WDR-Gesetz oder im Radio-Bremen-Gesetz. Die größte und die kleinste ARD-Anstalt sind es auch, die die strengsten Vorgaben haben: ein Wirtschaftsprüfungsexamen etwa, die Befähigung zum Richteramt oder auch Kenntnisse im Bereich der Personalwirtschaft.
Etwas weniger streng definiert sind die Regeln bei MDR, NDR und BR. Beim Deutschlandradio ergänzen zwei externe Sachverständige den Verwaltungsrat: ein Kommunikationswissenschaftler und ein Diplom-Ökonom vom Bund der Steuerzahler.
Aber es gibt auch Häuser, in denen es beim Verwaltungsrat gar keine fachlichen Vorgaben gibt. Das ist so beim SWR, RBB, ZDF, HR und beim Saarländischen Rundfunk.
Viele Staatsverträge, viele Unterschiede
Auch die grundsätzlichen Aufgaben der Verwaltungsräte sind zumindest in der konkreten Ausgestaltung nicht einheitlich. So gibt es etwa eine große Spannbreite bei der Frage, ab welcher Summe der Verwaltungsrat geplante Ausgaben zum Beispiel für Bauprojekte oder einem Vertrag mit einem neuen Energieversorger genehmigen muss.
Der Saarländische Rundfunk hat mit 62.500 Euro die niedrigste Schwelle, während der Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks schon bei Beschaffungen ab 30.000 Euro zumindest informiert werden muss. Bei vielen anderen öffentlich-rechtlichen Häusern, wie dem Deutschlandradio, Radio Bremen, dem WDR oder dem ZDF, liegt die Grenze zwischen 100.000 und 250.00 Euro.

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Aber es gibt auch deutliche Ausreißer nach oben: Beim Mitteldeutschen Rundfunk muss der Verwaltungsrat erst bei der „Übernahme von Verpflichtungen im Werte von mehr als zwei Millionen Euro“ zustimmen. Beim Bayerischen Rundfunk ist die Zustimmung sogar erst ab drei Millionen Euro erforderlich. Spitzenreiter ist der Norddeutsche Rundfunk: Dort müssen die „Übernahme von fremden Verbindlichkeiten, Bürgschaften und Garantie und Übernahme von Verpflichtungen“ erst ab fünf Millionen Euro dem Verwaltungsrat vorgelegt werden.
Das bedeutet aber nicht, dass es je nach Anstalt eine millionenschwere Kontrolllücke gibt: Neben den Genehmigungsschwellen müssen sich die Intendantinnen und Intendanten von Verwaltungs- und Rundfunkrat beispielsweise ihren Wirtschaftsplan fürs nächste Wirtschaftsjahr genehmigen lassen. Außerdem schauen Wirtschaftsprüfer, ob dieser Plan auch eingehalten wurde. Und auch die Landesrechnungshöfe und die Expertenkommission KEF prüfen die Öffentlich-Rechtlichen genau.
Dennoch wird mit den Genehmigungsschwellen genau festgelegt, ab welcher Summe die Verwaltungsräte gewissermaßen ganz besonders hinschauen müssen. Dass es auf diesem Gebiet so große Unterschiede gibt, erscheint mindestens bemerkenswert.
ARD will Ausstattung überprüfen
Dass es bei den Aufgaben, den Voraussetzungen und der personellen Ausstattung solche zum Teil immensen Unterschiede gibt, scheint auch den ARD-Intendantinnen und -Intendanten bekannt zu sein. WDR-Intendant und ARD-Vorsitzender Tom Buhrow sprach in einem dpa-Interview vor kurzem von „sehr unterschiedlicher“ personeller Ausstattung der Aufsicht. Es sei zu „überprüfen, ob überall in der ARD die Geschäftsstellen der Aufsicht adäquat ausgestattet sind“.
Auch die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD wird sich voraussichtlich bei ihrem nächsten Treffen Mitte September mit dem Thema befassen. Andererseits sind es vor allem die Regierungen und Parlamente der Bundesländer, die bei dem Thema gefragt sind: Vor allem sie hätten es in der Hand, über die jeweiligen Staatsverträge die Regeln und Vorgaben für die Aufsichtsgremien zu vereinheitlichen.