Im Elsass flammt der Widerstand gegen die ungeliebte Verwaltungsreform neu auf, denn es kristallisiere sich immer deutlicher heraus, dass es eine Reform der Reform willen gewesen sei, sagt Pierre Klein, von der Initiative "Citoyenne Alsacienne".
"Die neuen Regionen haben nicht mehr Macht und nicht mehr Finanzen als die Addierung der ehemaligen Regionen."
Statt die Verwaltungsreform zu nutzen, um die Regionen mit mehr Kompetenzen auszustatten, habe Paris die zentralistischen Zügel noch einmal angezogen. Die Handlungsspielräume vor Ort seien äußerst gering, so Klein.
"Wir haben im Moment nicht die Mittel, auf Augenhöhe mit Baden-Württemberg und gewissen Kantonen der Schweiz zu arbeiten, es muss immer alles nach Paris und von Paris verwaltet werden."
Das Elsass sieht sich als Bindeglied in der Grenzregion
Jean-Marie Woehrling nickt zustimmend. Der Präsident der René Schickele-Gesellschaft setzt sich für die Zweisprachigkeit des Elsass und Lothringens ein. Die Elsässer verorteten sich mit ihren kulturellen und sprachlichen Wurzeln als Bindeglied zwischen Frankreich sowie den deutschen und den schweizerischen Nachbarn. Dem trage das Gebilde Grand Est, das bis Reims, vor die Tore von Paris reiche, in keiner Weise Rechnung.
"Es ist klar, dass für uns ist die Zusammenarbeit grenzüberschreitend sehr wichtig ist. Das ist ein Problem, das die Leute in der Champagne -Ardenne nicht haben."
Noch würde die Hälfte der Schülerinnen und Schüler im Elsass zweisprachig erzogen, aber die Deutschkenntnisse gingen zurück und der neue Zuschnitt der Region werde sicher nicht dafür sorgen, dass sich das ändert, glaubt Woehrling.
"Die Leute in Reims haben natürlich kein Interesse an Zweisprachigkeit und doch sollen die jetzt die gleichen Ziele verfolgen wie wir, da stimmt was nicht."
Ein Großteil der Elsässer ist gegen die neue Struktur
All das habe den Widerspruchsgeist der Elsässer gestärkt. Umfragen zufolge sind 84 Prozent der Bevölkerung nach wie vor gegen die aktuelle Struktur und 100 Persönlichkeiten aus allen Teilen der Bevölkerung, darunter Fußballtrainer Arsène Wenger, haben einen aktuellen Aufruf für mehr Eigenständigkeit unterzeichnet. Nur Protest helfe gegen den Pariser Starrsinn, ist Woehrling überzeugt.
"Man muss genügend laut schreien, dass Paris nachgibt, das ist in dieser Frage nicht anders als in allen anderen Fragen."
Die Chancen, dass Paris sich bewegt, dass ein neues Gesetz auf den Weg gebracht wird und sich in der Nationalversammlung dafür Mehrheiten finden, stehen im Moment allerdings nicht besonders gut, denn es gibt bei aller Kritik auch Befürworter wie Valérie Debord. Sie ist Vizepräsidentin der Region Grand Est.
"Die Reform war schlecht gemacht und in gewisser Weise brutal, sie hat die Leute nicht mitgenommen, alles richtig. Aber sie ist eine Chance, Ober und Unter-Elsass unterhalb der Ebene der Region zusammenzuführen."
Auch der zurückgetretene Präsident, Philippe Richert, versuchte im Rahmen seiner Abschiedsrede den Gegnern von Grand Est, zu denen er lange Zeit selbst gehörte, die Angst davor zu nehmen.
"Die Identität der Elsässer hat auch ohne Verwaltungsstrukturen bestanden, das Elsass hat Jahrhunderte überdauert. Es wird auch weiter existieren."
"Frankreich soll die regionalen Besonderheiten mehr stärken"
Davon sind weder Woehrling noch Klein überzeugt. Irgendwann, wenn in den Schulen, in den Medien nur noch von Grand Est die Rede sein wird, werde die Erinnerung an das, was das Elsass ausmacht, verblassen. Da helfe es auch nicht, die beiden Departements, das Ober- und das Unterelsass, zusammen zu legen. Frankreich müsse regionale Besonderheiten viel stärker berücksichtigen und mehr Autonomie wagen, sagt Klein
"Man sieht weiter von der Plattform des Straßburger Münster als von der Tour Eifel. Und hier sieht man über den Rhein, dass da eine andere Entwicklung der Demokratie besteht, und eine andere Entwicklung möglich ist und von daher appellieren wir an eine Renovation der französischen Demokratie."