Uli Blumenthal: Der Mensch ist etwas besonderes. Alle Religionen und Philosophien betonen stets die Sonderrolle des Menschen gegenüber den Tieren. Doch die Biologie sieht das inzwischen anders. Der Mensch ist biologisch ein Tier mit besonderen Fähigkeiten, mehr nicht. Die Grenze ist längst nicht mehr so einfach zu ziehen, wenn Gene oder Zellen zwischen Menschen und Tieren verpflanzt werden können. Vieles, was in den Labors der Wissenschaftler stattfindet oder geplant ist, bedarf der ethischen Bewertung und Kontrolle. Aber die Faktenlage ist kompliziert. Deshalb hat der deutsche Ethikrat heute Experten aus aller Welt nach Berlin geladen, zu einer öffentlichen Anhörung über Mischwesen aus Mensch und Tier. Für Forschung aktuell war Michael Lange dabei. Herr Lange, welche Forschungsarbeiten haben den deutschen Ethikrat bewogen, das Thema Mensch-Tier-Mischwesen auf die Tagesordnung zu setzen?
Michael Lange: Es waren die Arbeiten britischer Forscher, die hatten im letzten Jahr in Großbritannien eine Diskussion ausgelöst, weil sie tierische Eizellen zum Klonen verwenden wollten, um dann embryonale menschliche Stammzellen zu gewinnen. Also das soll folgendermaßen funktionieren: Man nimmt eine Eizelle, zum Beispiel von einem Rind, entnimmt das Erbgut und steckt dann das Erbgut eines Menschen, zum Beispiel aus einer Hautzelle, in diese Rindereizelle hinein. So entsteht ein Embryo und dann eine Zellkultur. Die britischen Wissenschaftler sagen, dass das im Grunde genommen ethisch viel vertretbarer sei, weil aus dieser Zellkultur und aus diesem Embryo definitiv kein Mensch entstehen kann. Hier beim Deutschen Ethikrat in Berlin hat aber Professor Matthias Beck, Theologe und Mediziner von der Universität Wien, klargestellt, dass es dennoch menschliche embryonale Stammzellen sind und dass die nach deutschem Recht und auch nach österreichischem Recht nicht hergestellt werden sollen. Also da ist wiedermal die Meinung anders zwischen Briten und Deutschen.
Blumenthal: Also das heißt, der Deutsche Ethikrat hat sich mit einem Thema beschäftigt, das eigentlich in Deutschland kein Thema ist, aber im Ausland sehr wohl.
Lange: Zumindest in Großbritannien. Allerdings muss man sagen, das wird inzwischen auch naturwissenschaftlich diskutiert. Also in Deutschland ist diese Technik verboten, aber sie wurde zum Beispiel in den USA durchgeführt. Sie wurde auch durchgeführt in China und in Großbritannien haben jetzt die Forschungen begonnen. Die ersten Ergebnisse zeigen aber, dass die Stammzellen, die mithilfe von Rindereizellen gewonnen wurden, längst nicht so gute Fähigkeiten haben wie die embryonalen Stammzellen, die mithilfe menschlicher Embryonen entstanden sind. Und möglicherweise sind auch andere Zellen, die im Moment sehr stark diskutiert werden, noch besser – die sogenannten iPS-Zellen. Das heißt, das sind Zellen aus dem menschlichen Körper, die reprogrammiert werden, die wieder jung gemacht werden, die wieder embryonal gemacht werden. Und diese Zellen sind möglicherweise besser als diese Zellen, die man als Mischzellen bezeichnen kann. Die genaue Bezeichnung wurde übrigens hier nach langer Diskussion auf Cybriden festgelegt – ich kannte den Begriff auch noch nicht – ist aber ein sauberer Begriff weil hier verschiedene Zellbestandteile zusammengebracht werden. Bei Hybriden werden bestimmte genetische Bestandteile zusammengebracht, bei Cybriden Zellbestandteile.
Blumenthal: Was haben die Ethiker in Berlin gesagt: Ist es ein Unterschied, ob die genannten Mischwesen ganze Lebewesen sind oder Zellen in einer Kulturschale?
Lange: Da sind sich eigentlich alle einig, dass da ein wesentlicher Unterschied ist, auch wenn nicht alle einig sind, ob das jetzt in der Zellkultur gemacht werden darf. Die Zellkultur hat keine Menschenwürde sozusagen, sagen die meisten Ethiker, sagen die meisten Philosophen, wohl aber ein Lebewesen, das menschlich ist. Aber da könnten eben auch in Zukunft die Grenzen verschwimmen. Es ist tatsächlich so, dass es immer mehr Forschungen gibt, bei denen man versucht, bestimmte menschliche Zellen in Tiere hereinzubekommen. Der Grund ist relativ klar: Wenn man Tiere in Tierversuchen einsetzt, dann müssen diese Tiere, dann sollen diese Tiere eigentlich menschliche Eigenschaften haben. Mann will ja, dass man daran vorhersagen kann, wie zum Beispiel ein Medikament auf den Menschen wirkt. Was das Medikament bei Mäusen macht, ist relativ egal. Also wäre es doch schön, wenn zum Beispiel eine Maus eine Menschliche Leber hätte. Aber alle Versuche, das bei erwachsenen Tieren zu machen, die sind immer wieder gescheitert. Das heißt also, man hat versucht, menschliche Zellen in die Maus hinein zu spritzen. Dann entsteht erstens entweder ein Tumor oder die Zellen gehen zugrunde. Es entsteht aber keine menschliche Leber. Deshalb hat man immer mehr Experimente gemacht, dass man die Zellen schon in der Keimbahn oder in der Embryonalentwicklung zusammenbringt. Dass man zum Beispiel embryonale Zellen von Mäusen und Menschen zusammenbringt und dann versucht, zum Beispiel eine Maus mit menschlichen Zellen in ihrem Gehirn zu schaffen. Und das sind in der Tat Forschungen, die natürlich die Ethiker und die Philosophen hier auf den Plan gerufen haben und die hier sehr kontrovers, manchmal auch sehr verworren diskutiert wurden.
Blumenthal: Dann müsste die Ethiker aber auch beschäftigt haben, wann dann diese Maus einen besonderen Schutzstatus hat. Also wie lange ist sie noch reine Maus und ab wann fängt sie dann an, eine Maus mit menschlichen Zellen zu werden und einen ganz anderen Status zu besitzen?
Lange: Ab wann kann man die Maus wirklich als menschlich bezeichnen? Einige sagten, man macht es einfach an der Form ab. Die Maus sieht immer noch aus wie eine Maus, alle bisherigen Versuche gingen nicht soweit, dass man an einer Maus irgendetwas menschliches erkennen konnte. Aber das ist natürlich im Grunde genommen zu einfach. Denn gerade wenn man zum Beispiel menschliche Zellen im Gehirn hat, könnte es ja sein, dass diese Zellen irgendetwas menschliches im Gehirn anstellen. Man hat da bisher nichts gefunden, aber man weiß im Grunde genommen auch gar nicht so genau, wonach man suchen soll. Einige sagten etwas scherzhaft: Wenn die Maus morgens die Zeitung liest, dann sollte man vorsichtig werden. Aber das ist natürlich kein Argument, denn die Maus hat ja ein viel kleineres Gehirn. Das heißt, selbst wenn es da menschliche Denkvorgänge gibt, wird die Maus nicht die gleichen Fähigkeiten entwickeln und das ist natürlich ein sehr, ich sag mal zwar sehr zukunftsweisende Debatte, aber eigentlich fehlen da heute die Möglichkeiten, das zu erforschen. Und da wurde auch klar, eigentlich müsste man Verhaltensforscher fragen, die zur Selbsterkenntnis der Maus irgendetwas sagen können. Die waren heute nicht hier, die haben gefehlt. Und deshalb konnte diese Debatte auch nicht zu Ende geführt werden.
Blumenthal: Wenn wir einfach mal sagen, Maus bleibt Maus, aber solche Experimente, wenn solche Verpflanzungen, Transplantationen stattfinden, beispielsweise bei Primaten, dann stellt sich die ethische Dimension, die ethische Frage doch eigentlich viel, viel klarer als nur über die Gehirngröße?
Lange: In der Tat. Und da wurde hier auch ganz klar gesagt, solche Experimente bei Affen, zum Beispiel bei Schimpansen zu machen, wäre ethisch auf jeden Fall verwerflich. Der Affe ist schon genetisch sehr dicht am Menschen dran und man würde hier quasi eine neue Art schaffen. Und man würde dieses Lebewesen den Menschen eventuell näherbringen. Der Wissenschaftler Robert ... von der Universität von Wisconsin-Madison sagte, im Grunde genommen würde dieser Affe einen neuen moralischen Status erhalten, der ihn fast schon zum Menschen macht. Und das Ganze wiederum, sagten einige Kritiker, würde ja die Menschenwürde relativieren. Man wüsste gar nicht mehr, wo der Mensch anfängt und wo er aufhört. Und deshalb haben sich die Wissenschaftler eigentlich auch wie die Ethiker und die Philosophen hier dagegen ausgesprochen und trotzdem haben Sie es immer wieder versucht, ich sag mal Science-Fiction-Bilder zu erzeugen. Und vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass diese Forschung, wenn sie möglich ist eines Tages, die Ethiker vor neue Fragen stellen wird, ob ein Affe tatsächlich Menschenrechte bekommt, wenn er ein wenig oder ein bisschen menschlicher wird.
Blumenthal: Michael Lange über verwischte Grenzen. Er berichtete über die öffentliche Anhörung des Deutschen Ethikrates zu Tier-Mensch-Mischwesen.
Michael Lange: Es waren die Arbeiten britischer Forscher, die hatten im letzten Jahr in Großbritannien eine Diskussion ausgelöst, weil sie tierische Eizellen zum Klonen verwenden wollten, um dann embryonale menschliche Stammzellen zu gewinnen. Also das soll folgendermaßen funktionieren: Man nimmt eine Eizelle, zum Beispiel von einem Rind, entnimmt das Erbgut und steckt dann das Erbgut eines Menschen, zum Beispiel aus einer Hautzelle, in diese Rindereizelle hinein. So entsteht ein Embryo und dann eine Zellkultur. Die britischen Wissenschaftler sagen, dass das im Grunde genommen ethisch viel vertretbarer sei, weil aus dieser Zellkultur und aus diesem Embryo definitiv kein Mensch entstehen kann. Hier beim Deutschen Ethikrat in Berlin hat aber Professor Matthias Beck, Theologe und Mediziner von der Universität Wien, klargestellt, dass es dennoch menschliche embryonale Stammzellen sind und dass die nach deutschem Recht und auch nach österreichischem Recht nicht hergestellt werden sollen. Also da ist wiedermal die Meinung anders zwischen Briten und Deutschen.
Blumenthal: Also das heißt, der Deutsche Ethikrat hat sich mit einem Thema beschäftigt, das eigentlich in Deutschland kein Thema ist, aber im Ausland sehr wohl.
Lange: Zumindest in Großbritannien. Allerdings muss man sagen, das wird inzwischen auch naturwissenschaftlich diskutiert. Also in Deutschland ist diese Technik verboten, aber sie wurde zum Beispiel in den USA durchgeführt. Sie wurde auch durchgeführt in China und in Großbritannien haben jetzt die Forschungen begonnen. Die ersten Ergebnisse zeigen aber, dass die Stammzellen, die mithilfe von Rindereizellen gewonnen wurden, längst nicht so gute Fähigkeiten haben wie die embryonalen Stammzellen, die mithilfe menschlicher Embryonen entstanden sind. Und möglicherweise sind auch andere Zellen, die im Moment sehr stark diskutiert werden, noch besser – die sogenannten iPS-Zellen. Das heißt, das sind Zellen aus dem menschlichen Körper, die reprogrammiert werden, die wieder jung gemacht werden, die wieder embryonal gemacht werden. Und diese Zellen sind möglicherweise besser als diese Zellen, die man als Mischzellen bezeichnen kann. Die genaue Bezeichnung wurde übrigens hier nach langer Diskussion auf Cybriden festgelegt – ich kannte den Begriff auch noch nicht – ist aber ein sauberer Begriff weil hier verschiedene Zellbestandteile zusammengebracht werden. Bei Hybriden werden bestimmte genetische Bestandteile zusammengebracht, bei Cybriden Zellbestandteile.
Blumenthal: Was haben die Ethiker in Berlin gesagt: Ist es ein Unterschied, ob die genannten Mischwesen ganze Lebewesen sind oder Zellen in einer Kulturschale?
Lange: Da sind sich eigentlich alle einig, dass da ein wesentlicher Unterschied ist, auch wenn nicht alle einig sind, ob das jetzt in der Zellkultur gemacht werden darf. Die Zellkultur hat keine Menschenwürde sozusagen, sagen die meisten Ethiker, sagen die meisten Philosophen, wohl aber ein Lebewesen, das menschlich ist. Aber da könnten eben auch in Zukunft die Grenzen verschwimmen. Es ist tatsächlich so, dass es immer mehr Forschungen gibt, bei denen man versucht, bestimmte menschliche Zellen in Tiere hereinzubekommen. Der Grund ist relativ klar: Wenn man Tiere in Tierversuchen einsetzt, dann müssen diese Tiere, dann sollen diese Tiere eigentlich menschliche Eigenschaften haben. Mann will ja, dass man daran vorhersagen kann, wie zum Beispiel ein Medikament auf den Menschen wirkt. Was das Medikament bei Mäusen macht, ist relativ egal. Also wäre es doch schön, wenn zum Beispiel eine Maus eine Menschliche Leber hätte. Aber alle Versuche, das bei erwachsenen Tieren zu machen, die sind immer wieder gescheitert. Das heißt also, man hat versucht, menschliche Zellen in die Maus hinein zu spritzen. Dann entsteht erstens entweder ein Tumor oder die Zellen gehen zugrunde. Es entsteht aber keine menschliche Leber. Deshalb hat man immer mehr Experimente gemacht, dass man die Zellen schon in der Keimbahn oder in der Embryonalentwicklung zusammenbringt. Dass man zum Beispiel embryonale Zellen von Mäusen und Menschen zusammenbringt und dann versucht, zum Beispiel eine Maus mit menschlichen Zellen in ihrem Gehirn zu schaffen. Und das sind in der Tat Forschungen, die natürlich die Ethiker und die Philosophen hier auf den Plan gerufen haben und die hier sehr kontrovers, manchmal auch sehr verworren diskutiert wurden.
Blumenthal: Dann müsste die Ethiker aber auch beschäftigt haben, wann dann diese Maus einen besonderen Schutzstatus hat. Also wie lange ist sie noch reine Maus und ab wann fängt sie dann an, eine Maus mit menschlichen Zellen zu werden und einen ganz anderen Status zu besitzen?
Lange: Ab wann kann man die Maus wirklich als menschlich bezeichnen? Einige sagten, man macht es einfach an der Form ab. Die Maus sieht immer noch aus wie eine Maus, alle bisherigen Versuche gingen nicht soweit, dass man an einer Maus irgendetwas menschliches erkennen konnte. Aber das ist natürlich im Grunde genommen zu einfach. Denn gerade wenn man zum Beispiel menschliche Zellen im Gehirn hat, könnte es ja sein, dass diese Zellen irgendetwas menschliches im Gehirn anstellen. Man hat da bisher nichts gefunden, aber man weiß im Grunde genommen auch gar nicht so genau, wonach man suchen soll. Einige sagten etwas scherzhaft: Wenn die Maus morgens die Zeitung liest, dann sollte man vorsichtig werden. Aber das ist natürlich kein Argument, denn die Maus hat ja ein viel kleineres Gehirn. Das heißt, selbst wenn es da menschliche Denkvorgänge gibt, wird die Maus nicht die gleichen Fähigkeiten entwickeln und das ist natürlich ein sehr, ich sag mal zwar sehr zukunftsweisende Debatte, aber eigentlich fehlen da heute die Möglichkeiten, das zu erforschen. Und da wurde auch klar, eigentlich müsste man Verhaltensforscher fragen, die zur Selbsterkenntnis der Maus irgendetwas sagen können. Die waren heute nicht hier, die haben gefehlt. Und deshalb konnte diese Debatte auch nicht zu Ende geführt werden.
Blumenthal: Wenn wir einfach mal sagen, Maus bleibt Maus, aber solche Experimente, wenn solche Verpflanzungen, Transplantationen stattfinden, beispielsweise bei Primaten, dann stellt sich die ethische Dimension, die ethische Frage doch eigentlich viel, viel klarer als nur über die Gehirngröße?
Lange: In der Tat. Und da wurde hier auch ganz klar gesagt, solche Experimente bei Affen, zum Beispiel bei Schimpansen zu machen, wäre ethisch auf jeden Fall verwerflich. Der Affe ist schon genetisch sehr dicht am Menschen dran und man würde hier quasi eine neue Art schaffen. Und man würde dieses Lebewesen den Menschen eventuell näherbringen. Der Wissenschaftler Robert ... von der Universität von Wisconsin-Madison sagte, im Grunde genommen würde dieser Affe einen neuen moralischen Status erhalten, der ihn fast schon zum Menschen macht. Und das Ganze wiederum, sagten einige Kritiker, würde ja die Menschenwürde relativieren. Man wüsste gar nicht mehr, wo der Mensch anfängt und wo er aufhört. Und deshalb haben sich die Wissenschaftler eigentlich auch wie die Ethiker und die Philosophen hier dagegen ausgesprochen und trotzdem haben Sie es immer wieder versucht, ich sag mal Science-Fiction-Bilder zu erzeugen. Und vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass diese Forschung, wenn sie möglich ist eines Tages, die Ethiker vor neue Fragen stellen wird, ob ein Affe tatsächlich Menschenrechte bekommt, wenn er ein wenig oder ein bisschen menschlicher wird.
Blumenthal: Michael Lange über verwischte Grenzen. Er berichtete über die öffentliche Anhörung des Deutschen Ethikrates zu Tier-Mensch-Mischwesen.