"Am Vesakh-Tag wird Buddhas Geburtstag gefeiert. Es ist der wichtigste Feiertag in allen buddhistischen Ländern."
Sagt die buddhistische Nonne Dhammananda aus Bangkok.
"Aber hier in Thailand glauben wir, dass Buddha alles an ein und demselben Tag passiert ist: Buddhas Geburt, seine Erleuchtung, sein Tod. Buddhisten in einigen anderen Ländern dagegen feiern an diesem Tag nur seinen Geburtstag."
Buddha wurde im 6. Jahrhundert vor Christus in Lumbini, im heutigen Nepal, geboren. Er erhielt den Namen Gautama und war der Sohn eines Landadligen. Gautama erlebte eine wohl behütete Jugend. Alles, was ihm Sorgen bereiten konnte, hielt man von Gautama fern. Einmal jedoch, während eines Ausflugs, sah er einen Toten, umringt von weinenden Angehörigen. Auch die Begegnung mit einem alten, gebrechlichen Mann bedrückten Gautama.
Gautamas Weg zur Erleuchtung
Anders die Begegnung mit einem vollkommen in sich gekehrten Asketen. Gautama erkannte: Dieser Mönch ist sorgenfrei. Von dem Asketen tief beeindruckt beschloss er, genauso leben zu wollen. Gautama wurde Wanderasket und suchte Erleuchtung. Er lebte so enthaltsam, dass er immer weiter abmagerte. Dem Tode nahe erkannte er: Dieser Weg führt nicht zur Erlösung. Er fing wieder an zu essen und ging nach Bodhgaya. Dort setzte er sich unter einen Baum, um zu meditieren.
"Soll doch mein Körper hier auf dem Platz vertrocknen, mögen mir Haut, Knochen und Fleisch hinschwinden, bevor ich nicht die in vielen Weltzeitaltern schwer zu erlangende Erleuchtung erreicht habe, werde ich mich nicht von diesem Sitz regen."
Dann erlebte Gautama das, was Buddhisten als Erleuchtung bezeichnen. Er wurde zum Buddha, zum "Erwachten." Einige Zeit später ging er nach Sarnath. Dort hielt er seine erste Lehrrede. Einige Schüler schlossen sich ihm an. In den folgenden Jahren wanderte er mit seiner Gefolgschaft durch Nordindien und verkündete seine Lehre. Im Alter von 80 Jahren starb Gautama Buddha. Wie jemand, der 80 Jahre alt wurde, an einem Tag geboren und gestorben sein soll, lässt sich nicht naturwissenschaftlich, sondern nur mit Kategorien der Religion erklären, sagt Professor Sirikanchana, Religionswissenschaftlerin an der Thammasat University in Bangkok.
"Dass Buddhas Geburtstag, seine Erleuchtung und sein Tod auf einen Tag fallen, das lässt sich nur als ein Wunder begreifen. Dass diese drei Ereignisse am gleichen Vollmondtag im Monat Vaisakha passiert sind, muss, so sagen Buddhisten, an der besonderen Person Buddhas gelegen haben."
Buddha ist überall
In Thailand sind mehr als 90 Prozent der Bevölkerung Buddhisten und das Vesakh-Fest wird überall im Land gefeiert. Die meisten Buddhisten gehen in ihre Tempel, um zu meditieren. Ein wichtiges Ritual an diesem Feiertag ist das Baden des Baby-Buddhas. Die Gläubigen schöpfen aus einem mit Blumen geschmückten Becken parfümiertes Wasser und übergießen damit eine Buddha-Figur. Am Vesakh-Tag rezitieren die Mönche die Worte Buddhas und halten Vorträge. Und sie werden reichlich mit Spenden bedacht.
"An diesem Tag erhalten die Mönche besonders viele Esswaren, weit mehr als sie wirklich brauchen. Jeder bringt den Mönchen etwas mit. Aber meiner Meinung nach sollte man an Buddhas Geburtstag etwas tun, was nicht nur anderen hilft, sondern auch einem selbst zugutekommt."
Das Vesakh-Fest nehmen viele Buddhisten zum Anlass, ihr religiöses Leben zu überdenken. Vesakh ist ein Tag der guten Vorsätze und der guten Taten. Armen soll geholfen werden. Und es ist Tradition am Vesakh-Fest, besonders achtsam mit Tieren umzugehen. So werden Vögel, die in Bangkok am Straßenrand verkauft werden, aus ihren Käfigen in die Freiheit entlassen.
"Ich glaube, dass es für Buddhisten unwichtig ist, an diesem Tag an einer Zeremonie teilzunehmen. Was wirklich zählt, ist nach der Lehre Buddhas zu leben. Ich gebe am Vesakh-Tag mein Versprechen, in Zukunft weniger selbstsüchtig zu sein und Gutes zu tun. Bedürftige an Vesakh mit Essen zu versorgen, ist sehr verbreitet. Aber dass man selbst an diesem Tag religiös vorankommt - das ist viel wichtiger."
In vielen Städten, besonders in Südostasien, ziehen an Buddhas Geburtstag Prozessionen durch die Straßen. Buddha-Statuen werden auf Wagen, geschmückt mit Blumen und bunten Lichterketten, durch die Straßen gefahren.
Die Nonne Dhammananda aus Bangkok nimmt an keiner Prozession teil. Stattdessen spricht sie in ihrem Tempel über das Leben und die Lehre Buddhas.
"An Vesakh herrscht reges Treiben: Die Tempel werden geschmückt und die Leute dekorieren ihre Häuser. Die Gläubigen gehen in die Tempel und bringen Opfergaben dar. Am Abend kommen dann viele Leute mit brennenden Kerzen in die Tempel und umrunden damit dreimal die Stupas. Ich konzentriere mich an Vesakh darauf, mit den Menschen über den Buddhismus zu reden. Und ich erinnere sie daran, dass jeder Mensch, wie Buddha, unzerstörbar und unsterblich werden kann. Und dass man gerade an diesem Tag in sich gehen soll, um diese Verbindung zu Buddha zu spüren."