Es ist der Soundtrack der Spiele von Paris: Bei jeder der gut 850 olympischen und paralympischen Siegerehrungen und vielen weiteren Momenten erklang „Parade“ von Victor Le Masne. „Ich bin überwältigt. Wenn ich die Musik höre, wie sie jetzt ein Eigenleben bekommen hat, wie sie zum Soundtrack dieser Momente geworden ist, das ist sehr emotional.“
Ein Stück, gut fünf Minuten lang, dass nicht nur zur Untermalung großer Sportmomente dient, sondern gleichzeitig auch musikalische Welten verbindet. Erst ganz leise und langsam mit Streichern beginnend, wird es immer majestätischer. „Nur die symphonische Musik kann diese Art von Emotionen erschaffen.“
Einzigartige Rhythmen und Beats
Später wird aus dem großen klassischen Stück ein elektronischer Partyhit. „Der Rhythmus, diese Beats, auch das ist einzigartig. Ich brauchte es, um das Fieber, um die Freude auszudrücken. Ich glaube, ich brauchte beide Welten, um das zu transportieren, was ich wollte.“
Emotionen, um die geht es dem Komponisten der Spiele, der zur Vorbereitung stundenlang an seinem Computer Sportwettkämpfe schaut und dabei am Klavier versucht, den richtigen Soundtrack zu finden. Live-Improvisation als erster Baustein der olympischen Musik. "Ich bin total in die Arbeit eingetaucht. Erwartungen hatte ich keine, denn im Leben eines Komponisten ist das total ungewöhnlich und einzigartig, das kann man mit nichts vergleichen.“
Erster Kontakt kommt 2021 zustande
Zum ersten Mal kommt Le Masne 2021 mit den Organisatoren der Spiele in Kontakt, damals ist er gerade in Tansania. „Meine Frau war schwanger mit unserem ersten Kind, es war der letzte Urlaub vor der Geburt, ein sehr wichtiger Urlaub.“
Eigentlich will La Masne deshalb nicht arbeiten, hat weder Instrumente noch Computer dabei, doch am ersten Urlaubstag ruft sein Agent an und erzählt ihm von einem besonderen Auftrag. Für die Schlussfeier der Spiele von Tokio soll er eine neue Version der französischen Nationalhymne vorlegen, innerhalb von zwei Wochen muss ein erstes Demo abgegeben werden.
Le Masne arrangiert die Marseillaise ganz neu
„15 Tage lang ist es in meinem Kopf gewachsen. In der ganzen Zeit habe ich kein Klavier gespielt oder so. Aber jeden Tag hab ich drüber nachgedacht, beim Schwimmen und überall. Und als wir zurück waren, hatte ich nur eine Nacht um es fertig zu stellen. Und deshalb hab ich es in ein paar Stunden geschrieben, – das ist sonst nie so.“
Le Masne arrangiert die Marseillaise ganz neu, setzt alle Harmonien und Arrangements ganz anders, weniger militärisch und ist sich sicher, es würde nicht akzeptiert werden, doch im Gegenteil: die Organisatoren der Spiele sind total begeistert.
59 Tracks für die olympische Eröffnungsfeier
Und so bekommt Le Masne den großen Auftrag für die Spiele von Paris. 18 Monate arbeitet er quasi rund um die Uhr, arrangiert Stücke neu, wie das Chanson, das Celine Dion zum Ende der Eröffnungsfeier singt. Und: der 41-jährige Le Masne komponiert eine kaum zählbare Menge an Stücken für die Zeremonien der Spiele. „Fünf bis sechs Stunden Musik sind es. Allein für die olympische Eröffnungsfeier waren es 59 Tracks.“
Über 500 Musikerinnen und Musiker sind dabei, unter anderem vom Orchestre de Paris oder dem Orchestre National de France. Allein für diesen ersten Abend füllen die Noten einen ganzen Schrank. Es ist der Job seines Lebens, eine Ehre und riesige Herausforderung. Wie dieser Job entlohnt wird, dazu schweigt der Komponist.
„Es geht nicht um Geld. Es ist das erste Mal, dass ich so lange an einem Projekt gearbeitet hab. Ich hatte sonst Projekte mit weniger Zeitaufwand. Deshalb kann ich nicht sagen, ob es der lukrativste Job meines Lebens ist.“
Le Masne setzt den musikalischen Ton für Paris 2024
Mit seiner Musik setzt Le Masne schon mit der olympischen Eröffnungsfeier auf der Seine musikalisch den Ton für die folgenden Wochen. Er illustriert die vielen intensiven Momente der Feier für ein Milliardenpublikum überall auf der Welt, macht sie durch die Musik erlebbar. „Wir leben in einer musikalischen Ära. Ich denke, Musik kann die Emotionen am besten transportieren. Sie sagt den Zuhörern, was für eine Art Moment als nächstes kommt.“
Und so brauchen auch Olympische und Paralympische Spiele am Ende Musik, auch diese Tage des Sports müssen im 21. Jahrhundert in Klänge eingebettet werden, eine verantwortungsvolle Aufgabe für den Komponisten. „Du musst als Land stolz sein, aber auch die olympischen Werte sind sehr schön und bedeutend. Ich wollte, dass die Musik zu diesen Werten passt.“
Jetzt, am Ende der Paralympics, verspürt Victor Le Masne eine tiefe Zufriedenheit. „Wenn man sich an die Spiele erinnert, dann ist das auch der Song dazu. Deshalb bin ich natürlich sehr sehr stolz.“
Und das gilt auch für seine Heimatstadt Paris. „Wir Pariser kritisieren und streiten gerne, aber dieser Sommer war wirklich ein schöner Moment der Einheit. Paris sah toll aus, ich bin stolz darauf, was Paris und Frankreich geschafft haben. Alle haben wirklich zusammen an einer Sache gearbeitet. Es war wirklich toll.“