Man soll gehen, wenn's am schönsten ist, heißt ein alter Spruch. Und Martin Roth scheint ihn jetzt zu beherzigen: Seit fünf Jahren leitet er das V&A, das Victoria and Albert Museum in London – und ist damit außerordentlich erfolgreich: Unter Roths Leitung überraschte das traditionsreiche britische Kunstgewerbemuseum mit spektakulären, gefeierten Ausstellungen wie zum Beispiel der großen Schau "David Bowie is", die jahrelang durch die Welt tourte. Und gerade erst – im Juli – wurde das "V&A" zum Museum des Jahres in Großbritannien gewählt. Warum also geht Martin Roth gerade jetzt? Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte er:
"Weil's so gut läuft. Es klingt absurd. Aber ich glaube nicht, dass ich das V&A noch besser hinbekomme. Das ist wirklich eine Glückssituation. Ich kann höchstens versuchen, den Status quo so zu halten, wie er ist. Abgesehen davon, dass das auch ziemlich mühsam ist – aber darum geht es gar nicht. Ich habe mir fünf Jahre vorgenommen gehabt. Jetzt sind es genau fünf Jahre Ende September. Ich habe die ersten zwei Jahre gelitten wie ein Hund, es war wahnsinnig schwierig, alptraumartig schwierig. Wir haben, Gott sei Dank, glaube ich, das Richtige gemacht. Und ich hatte auch das Glück, die richtigen Kollegen zu finden, die richtigen Leute zu treffen. Habe dann viel Unterstützung auch gehabt aus der Bevölkerung, von den Trustees. Wir haben Glück gehabt mit den Projekten. Und ganz ehrlich: Ich weiß nicht, was ich noch besser machen könnte."
Roth ist ein politisch denkender Museumsmann
Und da kann Martin Roth auch niemand ernsthaft widersprechen. Zusammen mit seinem Team – dessen Kompetenz er in den höchsten Tönen lobt – hat Martin Roth es geschafft, das alt ehrwürdige Victoria and Albert Museum neu zu erfinden. Roths Ausstellungsprogramm begeisterte sowohl Kritiker als auch Besucher: Mit intelligent musealisierter Popkultur in der Bowie-Schau, die seit 2013 mehrere Millionen Menschen besucht haben. Und mit gesellschaftspolitischer Relevanz wie zum Beispiel einer Ausstellung über das "Design des Ungehorsams".
Martin Roth ist ein politisch denkender Museumsmann. Und so lässt sich seine Entscheidung, das V&A jetzt zu verlassen, nicht allein mit dem Kalenderspruch erklären, "man soll gehen wenn's am schönsten ist":
"Ich möchte einfach mich politisch wieder mehr engagieren und nicht in tagelangen Sitzungen aufgefressen werden."
Martin Roth hatte sich in London sehr in der Brexit-Debatte engagiert: Die Anti-EU-Haltung vieler Briten kritisierte er scharf. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte er jetzt: Möglicherweise sei das Europa, an das er immer noch glaube, schon längst nicht mehr existent. Und Roth weiter:
"Es ist erbärmlich, was die Kunst- und Kulturwelt gegen die politischen und gesellschaftlichen Bedrohungen unternimmt. Man schaut zu und befasst sich mit sich selber."
Martin Roth hat ganz offensichtlich nicht vor, einfach nur zuzuschauen.