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Video-Nutzung auf Facebook
Verrechnet und verkauft

Facebook setzt alles daran, zur Video-Plattform zu werden - vor allem, um noch besser Werbung verkaufen zu können. Mit den Nutzungsstatistiken nimmt der Konzern es dabei nicht immer so genau. Eine Gruppe von Werbetreibenden hat nun Klage eingereicht.

Von Jan Bornemann | 22.10.2018
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am 27.09.2017 während ihrer Rede in der Halle 39 in Hildesheim (Niedersachsen) auf dem Smartphone-Display eines Zuschauers zu sehen.
    Viele Medienhäuser haben in den vergangenen Jahren vor allem in Videoinhalte investiert. (picture alliance / Julian Stratenschulte/dpa)
    "Video, Video, Video" - so lautet spätestens seit 2016 das Mantra von Facebook. Gründer Mark Zuckerberg spricht längst vom "goldenen Video-Zeitalter" seiner Plattform und prognostiziert, dass der Social-Media-Riese bald größtenteils aus Bewegtbild bestehen werde.
    So weit nicht überraschend bei einem Unternehmen, das mit der Aufmerksamkeit seiner Nutzer sehr viel Geld verdient. Mehr Sinne ansprechen - mit diesem Versprechen lockte Facebook eine zahlungswillige Werbeindustrie auf seine Plattform und lieferte ihr üppige Nutzungsstatistiken, die den Video-Hype untermauern sollen.
    Betrachtungsdauer von Videos geschönt
    Die Metriken hat das Unternehmen dabei jedoch selbst in der Hand. Aktueller Streitgegenstand ist einer dieser Kennwerte: die von Facebook berechnete durchschnittliche Betrachtungsdauer von Videos. Denn zwei Jahre lang hatte man dabei Video-Abrufe von unter drei Sekunden einfach aus der Statistik herausgerechnet. An die Werbetreibenden wurde in der Folge ein deutlich überhöhter Wert weitergegeben: Sie gingen davon aus, dass ihre Videos in der Summe länger geschaut wurden als das tatsächlich der Fall war - etwa auch dann, wenn die meisten Nutzer das Video einfach ignorierten.
    Diesen Fehler hat Facebook zwar schon 2016 öffentlich gemacht und behoben - nach eigenen Angaben kurz nach seiner Entdeckung. Nun wird dem Konzern allerdings vorgeworfen, nicht nur das Ausmaß der Fehlers zahlenmäßig kleingeredet zu haben, sondern schon mindestens ein Jahr früher davon gewusst zu haben.
    Enormer Einfluss auf die Medienwelt
    US-amerikanische Werbetreibende haben Facebook deshalb verklagt. Aus wirtschaftlichen Gründen habe man die statistische Ungenauigkeit billigend in Kauf genommen, sagen sie. Das sei nicht nur unlauterer Wettbewerb, sondern Betrug.
    Unabhängig vom Ausgang des juristischen Verfahrens steht jedoch fest: Der Einfluss des größten sozialen Netzwerks auf die Medienwelt ist enorm. Nicht nur die Werbeindustrie, auch Medienhäuser sind dem von Facebook hausgemachten Video-Hype gefolgt und haben ihre Ausspielwege vermehrt auf Bewegtbild ausgerichtet.