Die Deutsche Fußball Liga hat viel versucht. Wochenlang hat sie in einer Task-Force ein Konzept erstellt, um Geisterspiele in der Bundesliga möglich zu machen. Minutiös listet das Konzept auf, wo die bis zu 300 Personen im Stadionbereich zu stehen haben, wie die Teams anreisen sollen, und was die Vereine tun müssen, damit die Spieler wieder zusammen trainieren dürfen. Alleine für den letzten Punkt sollen die Vereine mehr als 30 Vorgaben erfüllen. Zum Beispiel sollen Spieler und Betreuer sich die Hände desinfizieren, auf Abstand bleiben und sich so kurz wie nötig in der Kabine aufhalten.
Handshakes und gemütliche Gruppengespräche trotz Corona
Das Konzept deckt viele Eventualitäten ab – die Kommission hat sogar einen Weg gefunden, dass nicht sofort die ganze Mannschaft in Quarantäne muss, wenn es einen positiven Test gibt. Einen Faktor hat die DFL aber nicht mit einberechnet: die Dummheit mancher Spieler und Vereine. Salomon Kalou und sein Livestream beweisen das. Was zu sehen ist: Handshakes und gemütliche Gruppengespräche in der Kabine. Obwohl genau das laut Konzept vermieden werden soll. Was nicht zu sehen ist: Temperaturkontrollen am Eingang, Händewaschen, Desinfektionsspender. Obwohl die DFL genau das verlangt.
Und auch wenn der Verein Kalou inzwischen suspendiert hat: Die Szenen im Video zeigen, dass es nicht nur die Verfehlung eines einzelnen Spielers war, wie die Hertha in einer Stellungnahme schreibt. Das Video zeigt das Versagen des gesamten Vereins. Denn die Verantwortlichen sind nicht nur damit gescheitert, den Spielern die einfachsten Hygieneregeln beizubringen. Auch dass Kalou sich über das Coronavirus lustig macht und einfach weiterfilmt, als der Physiotherapeut ihn auffordert, das Video zu löschen, zeigt: In der Mannschaft fehlt es nicht nur an Respekt vor einem gefährlichen Virus, sondern auch vor dem medizinischen Personal.
Wieso sollten Bundesligisten diese Privilegien erhalten?
Und das, obwohl Kalou und seine Kameraden hoch privilegiert sind: Anders als viele Selbstständige brauchen sie keine Existenzängste zu haben. Anders als viele Krankenpflegerinnen und -pfleger werden sie regelmäßig auf das Virus getestet. Und anders als viele andere Sportlerinnen und Sportler dürfen sie sich berechtigte Hoffnungen machen, bald wieder Wettkämpfe zu bestreiten – wenn die Politik am Mittwoch ihr Okay gibt.
Angesichts des Verhaltens der Herthaner stellt sich aber - noch mehr als vorher schon - die Frage: Warum sollen Bundesliga-Spieler und Vereine diese Privilegien bekommen? Auch wenn DFL-Präsident Christian Seifert die Mehrheit der Sportminister durch besonnene und hartnäckige Argumentation auf seine Seite gezogen hat: Das Video von Salomon Kalou zeigt, dass zumindest er und Hertha BSC nicht verstanden haben, was in der aktuellen Situation nötig ist. Behält die Bundesliga trotzdem ihre Privilegien, braucht man sich in der Politik nicht wundern, wenn in der restlichen Bevölkerung der Verdruss über die aktuellen Einschränkungen weiter steigt.