"Wir haben selten einen Eingriff in den Fußball gehabt, der so eklatant war wie die Einführung des Videoassistenten", sagte DFB-Schiedsrichter Jochen Drees, der seit einem Jahr das Projektteam Videoassistent des DFB leitet, im Deutschlandfunk-Sportgespräch.
82 Fehlentscheidungen korrigiert
Im Großen und Ganzen habe diese Neuerung die Bundesliga gerechter gemacht, sagte Drees im Dlf-Sportgespräch und begründete seine Feststellung mit 82 Fehlentscheidungen auf dem Platz, die in der Saison 2018/2019 dank des Einsatzes der Assistenten in Köln noch korrigiert wurden. Die Videoassistenten weisen die Schiedsrichter während eines Spiels auf Fehlentscheidungen hin. Ihr Arbeitsplatz ist der sogenannten Kölner Keller, ein inzwischen sehr modern eingerichteter Raum mit vielen Bildschirmen und Computern.
Die Arbeitsgrundlage des Videoassistenten sei in erster Linie ein Abgleich mit der Wahrnehmung des Schiedsrichters - keine Bewertung seiner Entscheidung und auch nicht dessen, was am Ende als Ergebnis da stehe. "Er muss erst einmal bewerten, was er sieht. Das ist eine Herausforderung für viele Videoassistenten, sich auf diese Ebene einzulassen und diese Fähigkeiten auszubilden", sagte Drees.
Spezialisierung und Professionalisierung
Nicht jeder Schiedsrichter, der auf dem Feld spuper Leistungen bringe, werde das auch als Videoassistent bringen können. Das seien Erfahrungswerte der ersten Jahre. "Wir haben Schiedsrichter, die von der Hierarchie her eher im unteren Mittelfeld rangieren, die sind fantastische Videoassistenten. Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass es eine Spezialisierung beim Thema Videoassistenten geben wird", sagte Drees.
Dies gelte auch für die Schiedsrichtern. Die Bedinungen für Schiedsrichter müssten so professionell gestaltet sein, dass man sich Vor- und Nachbereitend um das Spiel kümmern könne. "Das wird dazu führen, dass wir natürlich immer weiter professionalisieren werden ohne den Anspruch zu haben, dass wir nur noch Profi-Schiedsrichter hier haben werden."
Frage der Abschaffung "erübrigt sich"
Drees verstehe aber auch, dass einige Fans mit dem Videoassistenten unzufrieden sind. Es seien zu wenige Informationen über die Arbeitsweise vermittelt worden, worunter die Akzeptanz gelitten habe. Er versuche, das zu ändern, glaube aber: "Es wird immer Leute geben, die sagen: Ich will das nicht, ich möchte das so wie früher haben." In diese Richtung machte der DFB-Schiedsrichter im Gespräch mit dem Deutschlandfunk jedoch wenig Hoffnung: "Ich glaube, die Frage, ob man den Videoassistent abschafft, erübrigt sich." Sinnvoller wäre es, sich darüber auszutauschen, wie der Videoassisten "am wenigsten stört".
Für mehr Transparenz sorgen
Drees sprach sich daher dafür aus, für mehr Transparenz zu sorgen. "Ich bin ein großer Freund davon, Bilder im Stadion zu zeigen." Im Moment scheitere dies aber unter anderem daran, dass die DFL - anders als die FIFA bei Weltmeisterschaften - keinen Zugriff auf die Leinwände habe, weil diese Eigentum der Vereine sind. Außerdem sei die Qualität der Leinwände in den Stadien zu unterschiedlich. "Wenn ich es anbiete, dann muss ich es allen gleich anbieten", sagte Drees. Auch für einen Dialog mit den Fans zeigte er sich offen, ohne dass dies konkret geplant ist.
"Die Art der Emotionalität hat sich durch den Videoassistenten geändert", so die Beobachtung des DFB-Schiedsrichters, der in seiner Karriere selbst mehr als 100 Erstliga-Spiele gepfiffen und auch als Videoassistent gearbeitet hat. Manche Fans jubelten über Tore mit etwas Vorbehalt - sollte ein Tor aber bestätigt werden, würden die Fans zweimal feiern. Die veränderte Emotionalität sei aber ein Preis, den man für den Videobeweis zahlen müsse.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.