"Selfie from Hell" - Eine junge Frau möchte ihrem Freund ein Selfie schicken. Sie zupft ihre Bluse zurecht, schaut verführerisch in die Kamera und drückt den Auslöser ihres Smartphones. Der Schrecken nimmt seinen Lauf. Hinter ihr im halbdunklen Wohnzimmer ist eine dunkle Gestalt zu erkennen, die mit jedem Selfie näher kommt: Der Kurzfilm "Selfie from Hell" von Erdal Ceylan ist ein Miniatur-Schocker. Einhundert Sekunden Gänsehaut für die Generation Internet. Auf Youtube hat der Clip mehr als zwölf Millionen Klicks. Ein ungewöhnlicher Erfolg für einen Kurzfilm: "Wir haben die Theorie, dass jeder Filmemacher früher oder später an einem Kurzfilm mitwirkt, und obwohl das so ist, erfährt man nie davon. Kurzfilme finden zwar auf zahlreichen Kurzfilmfestivals national und international statt, aber wenn man die Leute nach ihren Lieblingskurzfilmen fragt, kommt vielleicht mal ein Vorfilm von einem Pixar-Film, aber das war es dann eigentlich auch."
Das möchte der Medienwissenschaftler Stefan Grund ändern. Zusammen mit zwei Freunden hat er "Shortfil.ms" gegründet - eine Art Netflix für Kurzfilme. Auf der Internetplattformen tragen die drei Kurzfilme zusammen, die sie auf Portalen wie Youtube oder Vimeo finden, die dort in der Masse der Videos aber oftmals untergehen. Ziel ist, Kurzfilme als Kunstform wieder zu entdecken: "Für mich ist besonders das Format interessant. Ich finde interessant, dass uns einerseits immer wieder erzählt wird, dass die Aufmerksamkeitsspanne immer weiter sinkt, und Jugendliche nicht länger als zehn Minuten bei einem Video bleiben können, aber Kurzfilme trotzdem immer noch kein Publikum haben. Eigentlich müsste das das Medium der Zukunft sein."
Im vergangenen Jahr fast 300 Kurzfilme zusammengetragen
Fast achthundert Kurzfilme haben die drei im vergangenen Jahr zusammen getragen. Darunter virale Hits wie das Selfie-Video. Oder der Sundance-Kurzfilm "Funnel" mit "Better Call Saul"-Star Bob Odenkirk. Aber auch zahlreiche Kurzfilme unbekannter Filmemacher. Ein Schwerpunkt liegt auf deutschsprachigen Filmen, um sich von der Konkurrenz aus anderen Ländern abzusetzen.
"Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben."
Einer der beliebtesten Filme im Moment ist "Einsicht" von dem jungen Österreicher Janick Entremont. Die poetische Bebilderung von Henry David Thoreau's Natur-Klassiker "Walden".
"Dem eigentlichen, wirklichen Leben näher zu treten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hätte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hatte."
Die Nutzung von "Shortfil.ms" ist kostenlos. Interessierte müssen sich nicht anmelden, sondern können sofort los legen. Als Orientierung lassen sich die Filme nach Genre, Herkunftsland, Sprache, Filmemacher und Länge sortieren. Außerdem gibt es eine Discovery-Funktion, mit der die Nutzer auf neue Genres gestoßen werden sollen. Die Resonanz nach den ersten Monaten "Shortfil.ms" ist positiv: Nicht nur die Nutzerzahlen steigen. Auch viele Filmemacher haben die Plattform für sich entdeckt.
"Das sind bestehende Filmemacher, die in ihrer Zeit, in der sie gerade an keinem Projekt mitwirken, Kurzfilme produzieren, die extra fürs Internet anfertigen, um damit auch sich selber ein Portfolio zu schaffen, um sich einen Namen zu machen. Wenn so ein paar Filmemacher irgendwie entdeckt werden, das würde uns natürlich sehr freuen."
In Zukunft soll außerdem eine App dazu kommen. Filmemacher wie Aleksandar Jovanovic wird das freuen. Seine originelle Pärchenkomödie "Mit Du" kann man sich dann mal eben auf dem Weg zur Arbeit anschauen:
"Do you have a signal over there? - Was? - Hast du dort ein Signal? - Ja. - Ja? Super."