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Videoüberwachung
Berlins Regierender Bürgermeister schwenkt um

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller will die Videoüberwachung an öffentlichen Orten in der Hauptstadt ausweiten. Er reagiert damit unter anderem auf den Anschlag am Breitscheidplatz. In ihrem noch frischen Koalitionsvertrag hatten SPD, Linke und Grüne aber genau das gerade erst ausgeschlossen.

Von Thomas Weinert |
    Zwei Überwachungskameras an einer Hauswand.
    Seit dem Attentat auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin wird wieder verstärkt über einen Ausbau der Videoüberwachung in Deutschland diskutiert. (imago / Rüdiger Wölk)
    Jetzt geht es doch alles ganz schnell. Als im Oktober ein Mann in einem Berliner U-Bahnhof eine unbeteiligte Frau von hinten mit einem gezielten Fußtritt die Treppe hinunter gestoßen hatte, da brauchte die Staatsanwaltschaft sechs Wochen, um eine Fahndung in der Öffentlichkeit mittels der Videobilder der BVG zu genehmigen. Dann kam der Anschlag am Breitscheidplatz und danach ein weiterer Akt, begangen ebenfalls von kleinkriminellen Flüchtlingen am U-Bahnhof Schönleinstraße: Sieben Jugendliche aus Syrien und Libyen zündeten einen schlafenden Obdachlosen an. Dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, ist der Druck im Kessel der öffentlichen Meinung inzwischen zu groß geworden, gestern Abend schwenkte der Chef des neuen Senats um und sagte den Kollegen vom rbb, dass dies nun alles Argumente seien für eine Ausweitung der Videoüberwachung an öffentlichen Orten. Im gerade erst geschlossenen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag war just dies mit dem linken und dem grünen Regierungspartner ausgeschlossen worden:
    "Sicherlich geht es um die besonders belasteten Plätze in unserer Stadt, das ist der Alex, das ist jetzt vielleicht auch der Breitscheidplatz oder Kottbusser Tor, wo man dann auch mit anderen polizeilichen Maßnahmen, aber auch präventiven Maßnahmen natürlich – wie Sozialarbeit – dann ein in sich geschlossenen Konzept hat und Videotechnik kann in diesen Fällen mit dazu beitragen, dass diese Orte sicherer werden."
    Senats-Klausur im Januar
    Diese Worte von Müller nehmen bereits Rücksicht insbesondere auf den grünen Koalitionspartner, die Partei setzt mehr auf die Prävention und die sichtbare Polizeipräsenz vor Ort als denn auf die nachgehende Videoüberwachung, vor allem Datenschutzgesichtspunkte treiben die Berliner Grünen dabei um. Deren Fraktionschefin Antje Kapek sagte dem Deutschlandfunk, "für ein schlüssiges Gesamtkonzept brauchen wir zunächst eine sachliche Analyse, welche Instrumente für Berlins öffentliche Plätze am effektivsten sind. Die Videoüberwachung zählt bislang nicht dazu."
    Am 9. Januar will sich der neue Berliner Senat auch zu diesem Thema in einer Klausur zusammensetzen. Innensenator Andreas Geisel formulierte gegenüber dem Deutschlandfunk die jetzt revidierte Position der SPD ebenso vorsichtig wie sein Chef und stellte den Zusammenhang auch deutlich her zwischen den Themen Videoüberwachung und Populismusdiskussion:
    "Nur zu glauben, dass auf diese Art und Weise die Sicherheitslage verbessert wird, wäre eine sehr einfache Antwort auf eine komplexe Fragestellung, deswegen: Glauben Sie nicht den Menschen, die einfache Antworten auf komplexe Fragen geben! Wir werden das fundiert aufarbeiten und wenn wir eine ordentliche Grundlage für eine Diskussion haben auch die erforderlichen Entscheidungen treffen, das wird zeitnah der Fall sein."
    Fahndung mit den Bildern aus Überwachungskameras ist umstritten
    Im Gegensatz zum letzten Sommer, als die eigene SPD Fraktion dem alten Senat beim Thema Videoüberwachung in den Rücken fiel – damals war allerdings auch noch der Koalitionspartner CDU dafür - , deutet sich jetzt ein Umdenken an: Frank Zimmermann, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte gegenüber den Landesstudio Berlin, man könne jetzt nicht so tun, als sei in Berlin in den letzten Wochen nichts geschehen.
    Die Fahndung mit den Bildern aus Überwachungskameras ist trotz der Erfolge der letzten Tage in Berlin umstritten, nicht selten sind darauf nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer zu sehen. Die Polizei darf diese Methode daher erst anwenden, nachdem ein Richter einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft bewilligt hat. Eine Sprecherin dort betonte heute gegenüber der Deutschen-Presse-Agentur, dass ein solcher Antrag auch nur bei schweren Vergehen gestellt werde und zwar dann, wenn die Fahndungsprognose mit herkömmlichen Verfahren aussichtslos sein.