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Viel Aufwand, wenig Esprit

Bei den Münchner Opernfestspielen versuchte sich der Theaterregisseur und Sänger Schorsch Kamerum erstmals an einem Opernstück. Er inszenierte Leonard Bernsteins Kurzoper "Trouble in Tahiti".

Von Jörn Florian Fuchs |
    Tja, das hat sich der Münchner Opernintendant Nikolaus Bachler wohl so gedacht. Erst eine prestigeträchtige Uraufführung in der Allerheiligen Hofkirche, dann "Lohengrin" mit Starbesetzung im Nationaltheater und zum Schluss des Festspiel-Premierenreigens noch eine Petitesse von Leonard Bernstein, leicht zu inszenieren, nicht teuer und ein sicherer Publikumshit. Tja, dachte sich hingegen Schorsch Kamerun, wenn ich schon mal eine Oper inszenieren darf, dann will ich mal so richtig viel Geld ausgeben. Und so geschah es dann auch.

    Im Cuvilliéstheater sieht man zu Beginn einen Film: da blättert ein Clown die Seiten eines Buches um und grinst. Im Buch feiert eine Familie Weihnachten, der Kleidungsstil verweist auf die 50er- oder 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Doch ehe man’s versieht, verlässt die hübsch-hässliche Kleinfamilie den Film und kommt auf die Bühne.

    Da wird dann ein bisschen gesungen, ein wenig getanzt und die knappe Handlung der Kurzoper heruntergespult. Ein Paar ist in der Krise, man monologisiert oder giftet sich an und wenn nichts mehr hilft, hilft die Kinoschmonzette "Trouble in Tahiti". Schorsch Kamerun erzählt diese eigentlich zwischen Liebes- und Lebenstraurigkeit sowie sanftem Augenzwinkern changierende Story ohne den Hauch von Tempo oder Temperament. Es passiert rein gar nichts zwischen den Figuren, kein Funke der mitreißenden Rhythmen Bernsteins springt über.

    Dass er kein wirklicher Opernregisseur ist, merkte Kamerun wohl selber, daher – und jetzt kommen wir zu Nikolaus Bachlers Alptraum – reichert der Ex-Punk-Sänger die Bühne mit einer Fülle von sinnlosem Material an. Das geht recht harmlos bei bunten Glühbirnen los, dann folgen jedoch riesige Plastik-Echsen, Fliegenpilze aus demselben Material, eine Extrabühne in Form einer alten Lochbildkamera, ein künstlicher Sternenhimmel und schließlich bekommen die Darsteller auch noch gigantische Puppendoubles. Dazu singt ein Chor-Trio in wechselnder Kostümierung einige Zoten. Irgendwann kommen auch noch die frisch renovierten Lüster des Cuvilliéstheaters herunter und sollen offenbar für Discostimmung im Zuschauerraum sorgen. Auf der Bühne dreht sich unterdessen alles in ziemlich hohem Tempo – und doch fällt keiner mal um, alle singen kreuzbrav ihre Texte herunter, niemand macht etwas Unvorhergesehenes oder improvisiert gar.

    Gegen die zähe Mattigkeit kommen leider weder die zwei sehr ordentlichen Hauptsänger Beth Clayton und Rod Gilfry noch Kent Nagano an, der das Mahler Chamber Orchestra zu munterem Spiel anregt.

    Ach, fast hätten wir’s vergessen oder verdrängt: vor Beginn der eigentlichen Oper gibt ein jünglingshafter Barde noch vier Songs zum Besten. David R. Coleman hat dazu eine leicht jazzige, insgesamt aber recht beliebige Musik geschrieben. Die Texte erschöpfen sich im Slang der Berliner Bionade-Bohème, die sich etwa wie folgt zur Finanzkrise äußert:

    "Es regnet Kaviar, es regnet Dividende. Wir sind das Empfangskomitee der Konjunkturwende."

    Na dann Prost!