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Viel Rauch um nichts

Die Leipziger Kunstakademie sucht einen Nachfolger für Neo Rauch, der die Hochschule verlässt. Eine Berufungskommission entschied sich am Ende für den Kölner Künstler Heribert Ottersbach. Doch dagegen regt sich Protest - auch bei Rauch.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Regina Brinkmann: Die opulenten Gemälde der Neuen Leipziger Schule liegen ja auf dem internationalen Kunstmarkt eher im höheren Preissegment, und von diesem Renommee versuchte auch die Leipziger Kunstakademie zu profitieren, indem sie vor drei Jahren mit Neo Rauch gleich ihren berühmtesten Vertreter als Professor verpflichtete. Der hielt Kunstbetrieb und Lehre allerdings lange nicht für vereinbar und verabschiedete sich aus seinem Job mit einer Empfehlung für einen kompetenten Nachfolger. Doch da ließ sich Hochschulrektor Joachim Brohm nicht reinreden, eine Berufungskommission entschied sich am Ende für den Kölner Künstler Heribert Ottersbach. Der sei ein Freund des Rektors, und damit sei die Neubesetzung Kungelei, kritisierte Rauch. Das hat die Hochschulleitung am vergangenen Freitag vehement abgestritten und erklärt, man habe nach Recht und Gesetz gehandelt. Im Studio begrüße ich jetzt Stefan Koldehoff aus unserer Kulturredaktion. Herr Koldehoff, ist das viel Rauch um nichts, oder sind die Vorwürfe der Kungelei in irgendeiner Form berechtigt?

    Stefan Koldehoff: Na, formal wird der Rektor Joachim Brohm da sicherlich keine Fehler gemacht haben. Er weiß ja auch, dass man ihm die sonst nachweisen könnte und damit Verfahren wiederholt werden müssten. Also, er betont in seiner Presseerklärung ja, dass die Berufungskommission völlig unabhängig entschieden habe, dass er nicht mal Mitglied derselben sei, sich auch in überhaupt keiner Weise eingemischt habe. Also wie gesagt, formal ist das sicherlich alles in Ordnung, die Frage ist nur, wie geschickt man da vorgegangen ist. Also wenn man hört, dass sich zunächst mal niemand freiwillig für die Nachfolge von Neo Rauch gemeldet hat, an einer durchaus angesehenen Kunsthochschule in Deutschland, dann lässt das schon relativ tief blicken, denn solche Posten sind durchaus begehrt. Wenn man dann zweitens hört, dass es einen Vorschlag der Studenten gab, der aber seitens der Hochschule abgelehnt wurde, ein Vorschlag, den Neo Rauch auch unterstützt hat, dass dieser Name, nämlich der des Belgiers Michael Borremans sehr früh in der Presse lanciert wurde, das dann als Begründung dafür gegolten hat, die Bewerbungsvorträge der schließlich eingeladenen Kandidaten nicht öffentlich abzuhalten, also den Studierenden noch nicht mal die Chance zu geben, sich selbst ein Urteil zu bilden, dann hat das zumindest das, was man in Süddeutschland wahrscheinlich ein Gschmäckle nennen würde.

    Brinkmann: Also ist diese Berufungskommission, wenn man so will, vielleicht auch so eine Art Feigenblatt für persönliche Seilschaften?

    Koldehoff: Also wenn man sieht, dass in dieser Berufungskommission schon die anderen Malereiprofessorinnen und -professoren der Hochschule natürlich neben externen Experten sitzen, dann werden die sicherlich schon Interesse dran gehabt haben, auch im Vorfeld mit ihrem Rektor ein bisschen die Richtung abzusprechen und sich vielleicht auch auf einen Kandidaten zu verständigen. Also wenn formal alles in Ordnung war, dann heißt das längst nicht, dass es da nicht Absprachen gegeben hätte. Es ist ohnehin an den Kunsthochschulen so, dass da manchmal Kriterien bei Berufungen eine Rolle spielen, die für andere Universitäten, Fachhochschulen nicht unbedingt vergleichbar sind. An den Kunsthochschulen kommt es sehr stark darauf an, ein bestimmtes Renommee und auch eine bestimmte Richtung zu verkörpern. Der zweite Punkt ist, dass solche Professuren an Kunsthochschulen oft auch dazu dienen, altgedienten, verdienten Künstlern doch noch schnell einen Titel und, wenn sie nicht mehr ganz so populär sind - gilt sicher nicht für Herrn Ottersbach, aber für andere Fälle -, noch ein regelmäßiges Verdienst zu bescheren. Also da spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, die nicht immer rationale sind.

    Brinkmann: Neo Rauch hat sich ja inzwischen mit seiner Leipziger Schule einen großen Namen gemacht - ist das für die Studierenden jetzt ein Problem, wenn er die Hochschule verlässt?

    Koldehoff: Für die Studierenden sicherlich, ich nehme an, dass seine Meisterschüler noch irgendwie zu einem Abschluss gefunden haben werden. Es scheint aber vor allen Dingen ein Problem zu sein für die Hochschule selbst, denn die hatte natürlich als die Hochschule der Leipziger Schule einen Ruf wie Donnerhall, weltweit, und dieser Ruf, der steht jetzt ein bisschen infrage. Das ist ja die große Befürchtung, die hinter diesen Personalien steht, dass es gar nicht nur um die Frage geht, wer wird es denn, sondern in welche Richtung will die Hochschule weiterhin gehen? Die Leipziger Hochschule stand für die Leipziger Schule, also für eine gegenständliche, sicherlich sehr traditionelle Malerei, in der es noch aufs Können, aufs handwerkliche Können ankam. Und damit war man renommiert in aller Welt. Das lässt sich vergleichen vielleicht nur noch mit der Düsseldorfer Kunstakademie, die jahrzehntelang für die Becher-Schule, also für eine bestimmte Schule sachlicher Fotografie gestanden hat. Als Bechers dann in Pension gingen, bröckelte das plötzlich weg und nichts blieb mehr übrig. Die Gefahr gibt's nun durchaus auch für Leipzig.

    Brinkmann: Zum Berufungsstreit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig waren das Einschätzungen von Stefan Koldehoff, Kulturredakteur hier beim Deutschlandfunk. Vielen Dank, dass Sie hergekommen sind?