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Viele Schulreformen seit PISA auch in Berlin

Vor zehn Jahren wurde die PISA-Studie veröffentlicht - und Deutschland schnitt schlecht ab, Berlin im nationalen PISA-Vergleich ebenfalls. Rein statistisch hat sich die Situation seitdem etwas geändert. Erfahrungen an der "Schule am Schloss" in Berlin.

Von Anja Nehls |
    Schulschluss in der Sekundarschule am Charlottenburger Schloss in Berlin. Es ist wenig los heute, die meisten Schüler sind im Praktikum. Dass sie tatsächlich mal einen Beruf ergreifen und außerhalb der Schule menschlich bestehen können, ist Schulleiter Helmut Dettmer-Besier wichtiger als gutes Abschneiden beim PISA Test.

    "Gerade diese Persönlichkeitsbildung, die wir hier ganz intensiv betreiben, die ist aus unserer Sicht mit das Entscheidende. Sie kommen geprägt von dem Muster: Ich kann sowieso nichts. Ganz viele. Und dann sagt man: Du kannst etwas und wir werden Dir zeigen und Du zeigst Dir auch selbst, dass Du etwas kannst."

    90 Prozent der Schüler verlassen die Schule am Schloss inzwischen mit einem Abschluss, Tendenz steigend. Der Schulleiter ist seit 24 Jahren an dieser Schule und hat alle Höhen und Tiefen mitgemacht. Die Ergebnisse der ersten PISA Studie vor zehn Jahren waren zwar ein Tiefpunkt, aber kein Schock:

    "Denn wir waren es gewohnt, mit kompetenzlosen Schülern hier umzugehen und der Anspruch, der sich aus PISA ja ergeben hat, nämlich einen möglichst hohen Bildungsstandard zu erreichen, konnten wir mit unserer Klientel ohnehin so nicht durchführen. Geschockt war ich persönlich nicht, weil wir von den Verhältnissen her mit diesem angeblichen Schock gut leben konnten."

    Aber als Verlierer im internationalen wie im bundesweiten Vergleich so nicht mehr leben sollten. Eine Schulreform jagte die nächste. Unter anderem als Reaktion auf PISA wurde in Berlin die Hauptschule abgeschafft. Hauptschule und Realschule verschmolzen zur Sekundarschule. An der Schülerschaft der Schule am Schloss änderte das nichts. Noch heute kommen in weit überwiegender Zahl Kinder die früher auf einer reinen Hauptschule gelandet wären, knapp die Hälfte nicht deutscher Herkunft – immerhin: Das Schulklima besserte sich.

    "Was bei uns festzustellen ist durch die Einführung der Sekundarschule, ist die Schülerklientel insgesamt ruhiger geworden. Und wir haben vom disziplinarischen nicht mehr so viele Probleme, wie wir sie vorher hatten. Das ist schon etwas. Vom Leistungsbild kann ich das bei uns noch nicht sagen."

    Dabei wird getan, was möglich ist. Der Rektor kennt jeden seiner 400 Schüler mit Namen, bietet Sport- und Musikklassen, kleine Lerngruppen und äußerst engagierte Lehrer, die sich sogar über die Schule hinaus für die Jugendlichen interessieren. Die stellvertretende Schulleiterin Sabine Kähne sieht allerdings im privaten Umfeld der Schüler auch das größte Hindernis für bessere Schulleistungen:

    "Wobei man sagen muss, dass sich das in den letzen 10 Jahren noch mal ein bisschen verschlechtert hat, dass die Ausgangspositionen von den Schülern doch schlechter geworden sind. Man kann immer weniger voraussetzen und muss immer größere Anstrengungen unternehmen, damit die das Lernpensum erreichen."

    Die Anforderungen an die Lehrer sind immens gewachsen. Neben der Vermittlung von Wissen müssen sie inzwischen auch die Aufgaben von Sozialarbeitern mit übernehmen. Nicht wenige brechen unter dem Druck zusammen. Seit dem ersten PISA-Schock stehen die Lehrer zudem unter immer kritischerer Beobachtung, sagt Helmut Dettmer-Besier:

    "Ja, der Druck war da, ganz eindeutig. Es wurde mehr Kontrolle ausgeübt. Es wurden ja auch irgendwann die Vergleichsarbeiten eingeführt, zum Beispiel in den letzen Jahren diese Vera im achten Jahrgang. Also der Druck war da und ist jetzt noch mal verstärkt worden, weil alle Ergebnisse der Schulen ja auch veröffentlicht werden."

    Weil schlechte Ergebnisse dabei die Schüler eher demotivieren, als zum Lernen anregen, haben sich die Lehrer an der Schule einmal sogar geweigert, an einem solchen Test mitzuwirken. Inzwischen werden Aufgabenstellungen wie bei Vera, PISA oder auch beim mittleren Schulabschluss in der Schule am Schloss gezielt geübt. PISA-Ergebnisse werden nicht diskutiert. Die Lehrer können und wollen sich damit nicht zusätzlich belasten und die wenigsten Schüler können mit der PISA-Studie etwas anfangen:

    "Schöne Stadt, ja in PISA war ich schon mal. Der schiefe Turm von PISA, ist das was mit Tieren? - PISA Studie, Bildungslücke, die Deutschen sind schlecht im Lesen, Mathe ist auch nicht so ein Ding, Naturwissenschaften sowieso nicht, nein ich fühle mich eigentlich nicht dumm, die PISA-Studie betrifft mich nicht, man bezieht es jetzt nicht auf sich persönlich, man erfährt es über Medien aber in der Schule wird nicht drüber geredet."