Die "Tageszeitung", kurz "taz", landet in den Statistiken des Gendertrackers regelmäßig auf den Spitzenplätzen: Knapp 40 Prozent der erwähnten Personen sind weiblich, weit mehr als in anderen Zeitungen.
Das ist kein Zufall: Schon seit 1980 gilt in dem Haus eine Frauenquote von rund 50 Prozent für alle Ressorts – erstritten von den "taz"-Gründerinnen, die unter anderem in einer Redaktionskonferenz protestierten, indem sie ihre nackten Brüste zeigten.
Auch in den Chefetagen werde die Quote seit einigen Jahren eingehalten, berichtet Katrin Gottschalk, stellvertretende "taz"-Chefredakteurin. Trotzdem beobachtet sie, dass Journalistinnen oft weniger schreiben als ihre männlichen Kollegen.
"Und dann hat sich unsere Meinungsredaktion, mehrheitlich weiblich übrigens, haben sie sich selbst eine Quote auferlegt, testweise im April, Mai und Juni diesen Jahres, und haben gesagt, komme was wolle, wir nehmen jetzt nur noch zu 50 Prozent Texte von Männern an. Und das hat sehr gut funktioniert: Die Erfahrung ist, dass man bei Frauen vielleicht nochmal ein zweites Mal nachfragen muss: Willst du nicht doch den Kommentar schreiben, auch wenn du viel zu tun hast, auch wenn du das Gefühl hast, nicht so tief im Thema drin zu stecken – was ja oft nicht stimmt. Und da haben die eine gute Erfahrung gemacht und die ziehen das jetzt weiter durch."
Vor allem Männer in redaktionellen Adressdatenbanken
Viele Frauen kennen die Selbstzweifel an der eigenen Expertise – während Männer mit Themenvorschlägen oft selbstbewusst voranpreschen. Die neue Quote gilt nicht nur für die Artikel, die die Redaktion selbst schreibt, sondern auch für Texte von externen Autorinnen und Autoren.
Denn gerade bei der Suche nach Experten stecken viele Redaktionen in einem Teufelskreis: Wenn sie Fachleute brauchen, recherchieren sie oft in ihren Adressdatenbanken, in Zeitungsarchiven und sozialen Medien. Dort stehen bislang vor allem Männernamen – und jeder neue männliche Interviewpartner zementiert diesen Status quo.
"Können wir unsere Ansprüche nicht jeden Tag einhalten"
Andererseits gibt es auch triftige Gründe, warum Frauen in der Zeitung weniger Raum bekommen: Männer bekleiden weiterhin mehr öffentliche Ämter, zum Beispiel in Politik und Wirtschaft.
Katrin Gottschalk: "In der tagesaktuellen Presse haben wir natürlich das Problem, dass wenn der US-amerikanische Präsident ein Mann ist und quasi täglich für Schlagzeilen sorgt, dass wir dann nicht sagen können, wir berichten jetzt über seine Frau, weil er ist ja ein Mann – ist uns jetzt nicht so wichtig. Also natürlich unterliegt man da bestimmten Aktualitätsanforderungen und deswegen können wir unsere eigenen Ansprüche auch nicht jeden Tag einhalten."
Software enttarnt Männerdominanz in Artikeln
An welchen Tagen das besser oder schlechter klappt, ist dank des Gendertrackers nun messbar. Er zählt, wie oft in Texten weibliche und männliche Namen und Pronomen auftauchen. Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Ob Frauen als Autorin, Expertin oder Kriminalitätsopfer auftauchen, spielt beim Ergebnis keine Rolle.
Tabea Grzeszyk findet es trotzdem wichtig, dass es diese Datensätze nun gibt. Sie hat gerade ein Buch zur Vielfalt in den Medien herausgegeben.
"Ganz lange herrschte ja so ein bisschen die Meinung, naja, wir haben kein Problem, wir holen immer die besten Expertenstimmen und können jetzt auch nichts dafür, dass die meisten männlich sind. Ich glaube, dass wurde nicht so richtig als ein Problem gesehen. Wir brauchen diese Datensätze, um das überhaupt mal sichtbar zu machen und auch den Vergleich mit anderen Medienhäusern herzustellen."
"Ganz lange herrschte ja so ein bisschen die Meinung, naja, wir haben kein Problem, wir holen immer die besten Expertenstimmen und können jetzt auch nichts dafür, dass die meisten männlich sind. Ich glaube, dass wurde nicht so richtig als ein Problem gesehen. Wir brauchen diese Datensätze, um das überhaupt mal sichtbar zu machen und auch den Vergleich mit anderen Medienhäusern herzustellen."
"Es geht nicht um politische Korrektheit"
Die Journalistin beobachtet in den Redaktionen ein Umdenken – auch weil gemischte Teams schlicht erfolgreicher seien, auch wirtschaftlich. Denn Frauen bringen oft andere Netzwerke, Themen und Perspektiven mit.
"Wenn wir den Anspruch haben, den besten Journalismus zu machen, dann ist es eben nicht nur: Menschen fühlen sich nicht repräsentiert, die werden vielleicht mein Radioprogramm nicht hören oder die Zeitung nicht kaufen, sondern dann ist es eben auch: Ich kann etwas übersehen haben, ich kann eine wichtige Information nicht gegeben haben. Ich säge eigentlich an dem eigenen Ast, auf dem ich sitze. Und das ist kein Problem von 'Wir müssen hier ein Frauenförderungsprogramm auflegen'. Es geht eben nicht um politische Korrektheit, sondern es geht letztlich dann auch um den wirtschaftlichen Erfolg von Medien, die sich neue Einnahmequellen erschließen müssen, nachdem die Werbeeinahmen eben eher zu den sozialen Plattformen abgewandert sind."
"Wenn wir den Anspruch haben, den besten Journalismus zu machen, dann ist es eben nicht nur: Menschen fühlen sich nicht repräsentiert, die werden vielleicht mein Radioprogramm nicht hören oder die Zeitung nicht kaufen, sondern dann ist es eben auch: Ich kann etwas übersehen haben, ich kann eine wichtige Information nicht gegeben haben. Ich säge eigentlich an dem eigenen Ast, auf dem ich sitze. Und das ist kein Problem von 'Wir müssen hier ein Frauenförderungsprogramm auflegen'. Es geht eben nicht um politische Korrektheit, sondern es geht letztlich dann auch um den wirtschaftlichen Erfolg von Medien, die sich neue Einnahmequellen erschließen müssen, nachdem die Werbeeinahmen eben eher zu den sozialen Plattformen abgewandert sind."
In vielen Redaktionen ist das noch nicht angekommen. Bei einigen deutschen Zeitungen misst der Gendertracker in der Berichterstattung regelmäßig Frauenquoten von unter 25 Prozent.