Lenzen ist ein kleiner Ort zwischen Dömitz und Wittenberge auf der brandenburgischen Seite der Elbe. In seiner Flussniederung haben die Bagger gerade besonders viel zu tun. Hier entsteht ein neuer Deich mit einer Basisbreite von 40 bis 50 Metern und einer Höhe von 5 bis 6 Metern über Gelände. Ortsbegehung mit Michael Dahlke. Der Referatsleiter der Abteilung Gewässerschutz und Wasserwirtschaft im Landesumweltamt Brandenburg hat aus Potsdam eine Bauzeichnung mitgebracht:
"Hier sehen sie ja den Verlauf der Elbe. Diese schwarze Linie mit den Unterbrechungen, das ist der Altdeich. Und diese rot gekennzeichneten Bereiche sind die Schlitzungen. Das heißt der Deich wird dort durchbrochen, und dann haben sie hier jetzt in Grün dargestellt, die neue Deichlinie. Die gelben Flächen, die hier angelegt sind, das sind die zukünftigen Flutmulden, aus denen zur Zeit eben auch dieser Boden, den wir vor Ort gewinnen können, entnommen wird."
Lenzen ist das Vorzeigeprojekt eines modernen, ökologischen Hochwasserschutzes. An dieser kritischen Stelle, wo die Elbe einen Bogen macht, wird der Deich so zurückgelegt, dass dem Fluss 400 Hektar Überflutungsfläche zurückgegeben werden. Ursprünglich sollte die Retentionsfläche, wie das Überschwemmungsgebiet im Fachdeutsch heißt, 700 ha betragen, doch soviel ließ sich gegen die örtlichen Widerstände nicht durchsetzen. Besondere Sorgen macht dem Referatsleiter Dahlke derzeit:
"Dass sich eine ganze Gemeinde verweigert, eine Zuführung, die als einzige infrage kommt für die Erdstofftransporte, uns zur Verfügung zu stellen. Wegen der Belästigung, die damit verbunden ist."
Das Projekt Lenzen, das vor zwölf Jahren begonnen wurde, ist einmalig in Deutschland. Dort wird, von Menschenhand, eine neue Landschaft entstehen - "wiederentstehen" muss man sagen - ein Auwald, wie es ihn früher entlang der Elbe fast überall gab.
Als gezielt geplantes Überflutungsgebiet ist es Antwort auf das große Hochwasser, dass die Elbe 2002 zu einem reißenden Strom machte. Damals schwollen nach starken Regenfällen die Elbe und ihre Zuflüsse so sehr an, dass große Teile Mittel- und Ostdeutschlands unter Wasser gesetzt wurden. Deiche brachen. Häuser, Fabriken, Straßen und Bahnanlagen standen unter Wasser, weil Bauherren und Eigentümer zu nah am Fluss gebaut hatten. Allein in Sachsen wurden über 25.000 Wohngebäude zerstört, 50.000 Menschen mussten evakuiert werden.
Klimaforscher sagten damals voraus, dass derartige Extremhochwasser künftig häufiger auftreten würden. Und tatsächlich: Bereits im April 2006 kletterten die Pegel der Elbe wieder über jedes Normalmaß. Während es diesmal Städte im Mittellauf wie Hitzacker besonders heftig traf, fielen die Überschwemmungen an der Oberelbe, in Tschechien und in Sachsen vergleichsweise gering aus. Martin Socher, Referatsleiter für Wasserbau und Hochwasserschutz im sächsischen Umweltministerium, sieht darin eine Bestätigung der inzwischen eingeleiteten Hochwassermaßnahmen:
"Bei diesem Frühjahrshochwasser 2006 wurde die Talsperrenkaskade in der Moldau oberhalb von Prag so gesteuert, dass sich die Schäden auf tschechischem Territorium gering gestalteten. Das hatte zur Folge, dass bei uns die Schäden ebenfalls geringer ausfielen und wir mit relativ konstanten Wasserführungen rechnen konnten und dies alles noch mit einer hervorragenden Kommunikation, verbunden mit Transparenz im Internet, machte dieses Hochwasser für uns beherrschbar und hat auch gezeigt, dass unser System im Grunde genommen zumindest bei solchen mittleren Ereignissen funktioniert."
Doch was ist mit dem Extremhochwasser. Nach der Jahrhundertflut von 2002 reagierte die Bundesregierung umgehend. Sie erstellte - zusammen mit den Länderministern - ein Fünf-Punkte-Programm zur Verbesserung des Hochwasserschutzes, erließ 2005 ein Hochwasserschutzgesetz und beauftragte die "Internationale Kommission zum Schutze der Elbe" - kurz IKSE - in Magdeburg, einen Aktionsplan auszuarbeiten. Zwei Punkte standen im Vordergrund: Erstens die Ausarbeitung eines nationalen Plans zum Hochwasserschutz. Zweitens: Die Schaffung von neuen Überflutungsflächen für die Elbe, unter dem Motto: "Gebt der Elbe einen Teil des Raumes zurück, den der Mensch ihr genommen hat." Das waren in den letzten Jahrzehnten immerhin 80 Prozent. Heute, vier Jahre danach, falle die Bilanz dürftig aus, sagt Peter Neuschulz, der bei der "Deutschen Umwelthilfe", einer Dachorganisation von Umweltverbänden, für den Naturschutz zuständig ist:
"Projekte, die wirklich neue Überflutungsflächen geschaffen haben, sind letztendlich im Promillebereich umgesetzt worden. Es sind so wenige Vorhaben, dass sie eigentlich gar nicht der Rede wert sind. Und wir sehen leider derzeit wieder nach diesem Hochwasser, dass man wieder dabei geht, nach dem Hochwasser sofort zu schreien: Jetzt müssen wir ganz viel Geld haben, um neue Deiche zu bauen. Das heißt aber immer wieder, dass die Deiche auf der alten Linie dann wieder erhöht und verbreitert werden, ohne dass man irgendetwas Neues an Retentionsflächen schafft."
In ihrem 2003 vorgestellten Aktionsplan hatte die "Internationale Kommission" IKSE, in der Bund, Länder und Anrainerstaaten vertreten sind, neu zu schaffende, mögliche Retentionsflächen aufgelistet, immerhin 31 Vorhaben mit einer Gesamtfläche von 11.555 Hektar. Doch das meiste wird Makulatur bleiben.
Selbst dort, wo Vorplanungen schon weit gediehen sind, weicht die lokale Politik offenbar vor den Widerständen von Anwohnern und Betroffenen, wie etwa Landwirten, zurück. Beispiel Niedersachsen. Dort könnte, so hat es die IKSE 2003 vorgeschlagen, der Deich bei Bleckede zurückverlegt und somit eine Überschwemmungsfläche von 100 ha geschaffen werden. Neuschulz:
"Niedersachsen glänzt hier in besonderer Weise. Da gab es verschiedene kleinere Vorhaben. Auch im Bereich Schnackenburg zum Beispiel, das ist eine Deichnase, die zurückverlegt werden sollte. Oder im Raum Bleckede, wo man sogar Flächen erworben hat, es dann leider nicht wirklich vollzogen hat. Da gab es viele kleinere Vorhaben, wo man letztendlich immer wieder damit operiert hat, dass man gesagt hat, das bringt ja hier an der Stelle kaum etwas. Und wir sagen, dass ist ein völlig falscher Ansatz, wir müssen wegkommen von dem: "Das bringt nichts". Sondern wir müssen dahin gehen, dass wir sagen, alles bringt etwas. Und es geht nicht nur um die Neuschaffung von neuen Überflutungsflächen, sondern es können oft auch solche Einschnürungen und Einengungen, die man beseitigen sollte - und die dann den Hochwasserabfluss besser ermöglichen."
Der zuständige Umweltminister Hans Heinrich Sander verteidigt dagegen die Linie seines Hauses. Eine Retentionsfläche in Niedersachsen mache gar keinen Sinn:
"Wir müssen einfach auch feststellen, dass sie in einem Unterlauf eines Flusses nicht mehr die Höhen haben, um dementsprechend die Wasserflächen auszunehmen. Sinnvoll wäre es, wenn wir Retentions- und Polderflächen am Oberlauf der Flüsse schaffen. Das heißt aber auch für das Bundesland Niedersachsen, sich dann an den Kosten zu beteiligen. Aber wir müssen doch dazu übergehen, das Geld, das der Bürger bereitstellt so effektiv wie möglich einzusetzen. Und das ist nun mal der Oberlauf."
Doch nicht nur Niedersachsen hat ein Vorhaben gestoppt. Auch Nachbar Brandenburg sieht keine Möglichkeit, ein zweites Rückdeichungsprojekt - neben dem im Gebiet Lenzen - umzusetzen.
Dabei hätten es Politiker und Behörden in den östlichen Bundesländern noch vergleichsweise einfach. Dort obliegt der Hochwasserschutz staatlichen Organisationen. Ganz anders in Niedersachsen, wo die örtlichen traditionsreichen Deichverbände den Ton angeben würden, sagt Neuschulz, der selbst in Gorleben wohnt:
"Wenn es denn darum geht, an bestimmten Orten den Deich zurückzuverlegen usw., dann muss der Deichverband als Vorhabensträger für den Deichbau natürlich zustimmen. Das macht er nicht. Selbst wenn das Land zum Beispiel sagt, an dieser Stelle wäre es zum Beispiel sinnvoll, kann es sich über das Votum der Deichverbände nicht hinwegsetzen. Vielfach ist es auch so, dass in den Deichverbänden dann wirklich die Landwirte drin sitzen, denen die Flächen selbst gehören."
Neuschulz hat als Leiter der "Biosphärenregion Flusslandschaft Elbe" das Projekt Lenzen maßgeblich mit vorangetrieben. Er weiß aus dieser Zeit, wie schwer vielen Menschen, die mit Deichbau zu tun haben, ein Umdenken fällt:
"Wir merken immer wieder, dass es vor allem den Deichbauern selbst sehr, sehr schwer fällt, solche Wege zu gehen. Es ist nämlich viel einfacher, immer auf der alten Deichtrasse zu arbeiten und dort neue Dinge zu entwickeln. Und es gibt einen weiteren Punkt: Vielfach werden die Finanzmittel nur zeitlich befristet gegeben, das heißt: Der Bund sagt: Ihr kriegt jetzt die Mittel, aber innerhalb von drei, vier Jahren müsst ihr das dann auch verbrauchen. Wenn ich solche neuen Konzepte verfolge, brauche ich mehr Zeit. Das heißt, hier muss der Geldmittelgeber auch sagen, wenn neue Projekte hier initiiert werden, wo neue Überflutungsflächen geschaffen werden, da geben wir einmal mehr Zeit, um die Sache umzusetzen, und vielleicht noch Fördersätze, die noch günstiger sind, so dass ein Anreiz gegeben ist, so etwas zu machen."
Bund und Länder vereinbarten 2002 einen nationalen Plan zum Hochwasserschutz. Auch daraus ist bis heute nichts geworden. Selbst zaghafte Versuche, zwischen einzelnen Bundesländern, zu Staatsverträgen zu kommen, waren bislang kaum von Erfolg gekrönt. Beispiel: Die Havel-Polder unweit der Stadt Havelberg. Während der Jahrhundertflut 2002 öffneten die Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt die Polder und retteten so niedersächsische Flussanrainer vor einer Überflutung. 2006 war alles anders. Die Polder blieben zu, weil die Havel selbst zuviel Wasser führte. Es folgten große Überschwemmungen in Niedersachsen. Das Bundesland protestierte und drängt seitdem auf einen Staatsvertrag. Doch die Verhandlungen seien zäh, räumt Niedersachsens Umweltminister Sander ein:
"Ich habe mich danach schnell bemüht, aber da geht es natürlich auch um eigene Interessen, Landesinteressen. Wenn ich einen Polder auf einem Gebiet in Sachsen-Anhalt habe oder in Brandenburg habe, dann denke ich natürlich zuerst mal an mich und frage dann nicht danach, ob Niedersachsen da auch noch die Möglichkeit bekommt, Einfluss zu nehmen auf die Flutung der Polder. Also, die Zusammenarbeit aller Elbanrainer-Bundesländer ist unbedingt wichtig und muss auch forciert werden. Und ich bin auch der Meinung, dass das eine Frage ist für die Ministerpräsidenten, die dieses mit klären müssen...und wir müssen auch mit den anderen Bundesländern zu einer Vereinbarung kommen."
Eine Stadt, die dringend auf die Flutung der Havel-Polder angewiesen war, ist Hitzacker in Niedersachsen, ein beschauliches Fachwerkstädtchen zwischen Elbe und Jeetzel, wo die Menschen an vielen Tagen im Jahr am Ufer sitzen und den Tag genießen. Im April 2006 stand Hitzacker beispielhaft für die Schwierigkeiten, in Deutschland einen flächenübergreifenden Hochwasserschutz zu organisieren. Im "Alten Zollhaus" sind die dramatischen Tage dokumentiert. Museumsdirektor Klaus Lehmann zeigt auf die Fotos an der Wand:
"Wir haben hier einen Blick vom Weinberg. Das ist denn der beeindruckendste Blick immer, wenn die Elbe ihr Bett so erweitert, dass die Stadt dann mitten in der Elbe steht. Vor allem auch Luftaufnahmen sind doch stark. Hier ist zum Beispiel die Situation bei mir zuhause. Bei mir schwappte 40 Zentimeter das Wasser durch die Wohnung. Zur Tür kam es rein, zur Hintertür wieder raus. Das ist hier mein Wintergarten mit dem unendlichen Blick auf die Elbe."
Die Stadt hat bis heute keinen Schutz. Nach der Überschwemmung von 2002 sollte sie eine feste Flutmauer bekommen. Dagegen haben einzelne Bewohner und anfangs auch der Stadtrat geklagt. Ihr Argument: Das Stadtbild würde leiden, der freie Blick auf die Elbe beeinträchtigt. Sie wollten stattdessen einen mobilen Flutschutz, der nur im Ernstfall aufgebaut würde. Der wäre allerdings so teuer geworden, dass Bund und Land ihn nicht bezahlen wollten. In dem Streit gehe es vor allem um ein kleines Teilstück, sagt Angelika König von der "Stadtinitiative Hitzacker", einer Wählergemeinschaft, die sich vehement für einen alsbaldigen Hochwasserschutz einsetzt:
"Das ist der Knackpunkt. Hier möchte Herr Schneeberg die Mauer lediglich 30 Zentimeter hoch haben. Um die Ecke ist sein Cafe. Das da ist die Straße, die ihm gehört mit der Brücke, dann auch das Fährrecht nach drüben."
Nachdem der Stadtrat seine Klage zurückgezogen hat, sperren sich immer noch einige Privatkläger gegen die eine Flutmauer, vor allem Peter Schneeberg, der sich mittlerweile den Zorn vieler Anwohner zugezogen hat, auch den seiner eigenen Parteikollegen. Er ist CDU-Ratsherr, stellvertretender Bürgermeister und Immobilienunternehmer. Ihm gehören zahlreiche Häuser und Grundstücke in der Stadt, vor allem am Elbufer. Schneeberg möchte sich öffentlich nicht äußern. Auch ein Vermittlungsversuch des niedersächsischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander konnte die Privatkläger nicht umstimmen, mit negativen Folgen für den Hochwasserschutz:
"Nachdem nun die Stadt nicht mehr klagt, können wir in gewisser Weise ausschreiben. Wir haben nur bei den privaten Klägern das Problem, dass wir dort Grundstücke betreten müssen, und das heißt, wir können die Grundstücke erst dann betreten, wenn uns auch die Grundeigentümer die Erlaubnis dazu erteilen. Wenn nicht, müssten wir in ein Enteignungsverfahren hineingehen vor Gericht, und das ist mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden."
Doch es sind nicht nur einzelne Privatpersonen, die Probleme bereiten. Hochwasserschutz ist Ländersache. Für die Elbe und ihre Nebenflüsse bedeutet das: Hier sind 10 Bundesländer zuständig mit zehn unterschiedlichen Landesbehörden. Die Folge ist Kleinstaaterei. Das zeigte erst jüngst ein Alleingang Brandenburgs. Das Bundesland entschied, seine Deiche einseitig um 70 Zentimeter zu erhöhen. Ein Schritt, der die Nachbarn, nicht nur in Niedersachsen, verärgert.
Hintergrund des Streits: Die Länder haben ganz unterschiedliche Festlegungen beim "Bemessungshochwasser", also der angenommenen Fluthöhe, an der die Hochwasserverteidigung auszurichten ist. Doch nicht nur das. Sie haben auch verschiedene Wasser- und Katastrophenpläne. Bernd Lindow, Sachbereichsleiter "Natur- und Gewässerschutz beim Landkreis Prignitz", kennt die Probleme. Wenn der Brandenburger mit dem Auto unterwegs ist, erreicht er im Nu die Landesgrenzen von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, die in seinem Gebiet zusammen stoßen. Wenn die Flut kommt, reagierten alle Länder anders:
"Durch die Länderzuständigkeit ergeben sich unterschiedliche Ländergesetzgebungen, so dass es in der Vergangenheit Erscheinungen gab, dass in Sachsen-Anhalt die Deichwachen aufgezogen sind und die in Brandenburg noch nicht. Dass also am linken und am rechten Elbufer unterschiedliche Herangehensweisen zum Beispiel bei der Verteidigung zu verzeichnen sind."
In Brandenburg und Sachsen-Anhalt gibt es zwar festgelegte Alarmstufen, doch die Zuständigkeiten differieren. In Niedersachsen ist es wieder ganz anders. Dort entscheiden die Deichverbände vor Ort. Bei der Flut von 2006 riefen die Niedersachsen in Brandenburg an und mussten zu ihrer Überraschung feststellen, dass die weit besser informierten Nachbarn auf der anderen Seite des Flusses schon allerlei Vorkehrungen getroffen hatten, während sie selbst noch in dem Irrglauben befangen waren, es werde so schlimm nicht werden.
Hinhaltender Widerstand gegen Rückdeichungen, Alleingänge in der Frage der Deichhöhen, länderspezifische Regelungen im Katastrophenschutz - all dies veranlasst Wissenschaftler und Naturschützer spätestens nach der Elbeflut von 2002, in Sachen Hochwasserschutz eine stärkere Kompetenz des Bundes zu fordern. Zumal, so Naturschützer Neuschulz, der Bund in den allermeisten Fällen ja auch das Geld gebe:
"Nach dem Augusthochwasser 2002 ist ein Sonderfond vom Bund aufgelegt worden, der zum Ziel hatte, zunächst einmal die akuten Schäden zu beseitigen und auszugleichen. Zum anderen aber auch das Ziel hatte, den Hochwasserschutz neu zu konzipieren und zu bauen. Und hier sind erhebliche Milliarden in den Hochwasserschutz gegangen. Und wenn man die Zuwendungsvoraussetzungen sich einmal genau anschaut, dann steht dort eigentlich überwiegend Richtiges: nämlich dass diese Gelder selbstverständlich vorrangig für die Neuschaffung von Retentionsflächen angelegt werden sollten. Das Unangenehme ist nur, dass, wenn man vor Ort schaut, wo die Mittel eingesetzt worden sind, dies einfach nicht der Fall war. Es sind einfach die alten Deiche wieder aufgebaut worden. Und man hat hier die Zuwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Es scheint aber auch von Seiten des Bundes an einer Kontrolle zu fehlen, dass solche Missstände dann auch wirklich verfolgt werden."
Daran wird sich wohl auch künftig wenig ändern. Mit der jüngsten Föderalismusreform werden im Bereich Hochwasserschutz die Rechte der Länder noch ausgeweitet. Zwar darf der Bund weiterhin Gesetze erlassen, doch bekommen die Länder künftig ein so genanntes Abweichungsrecht, können also ablehnen, was ihnen nicht gefällt. Eine gemeinsame Anstrengung, ein nationaler Plan gegen das Elbehochwasser sieht anders aus.
"Hier sehen sie ja den Verlauf der Elbe. Diese schwarze Linie mit den Unterbrechungen, das ist der Altdeich. Und diese rot gekennzeichneten Bereiche sind die Schlitzungen. Das heißt der Deich wird dort durchbrochen, und dann haben sie hier jetzt in Grün dargestellt, die neue Deichlinie. Die gelben Flächen, die hier angelegt sind, das sind die zukünftigen Flutmulden, aus denen zur Zeit eben auch dieser Boden, den wir vor Ort gewinnen können, entnommen wird."
Lenzen ist das Vorzeigeprojekt eines modernen, ökologischen Hochwasserschutzes. An dieser kritischen Stelle, wo die Elbe einen Bogen macht, wird der Deich so zurückgelegt, dass dem Fluss 400 Hektar Überflutungsfläche zurückgegeben werden. Ursprünglich sollte die Retentionsfläche, wie das Überschwemmungsgebiet im Fachdeutsch heißt, 700 ha betragen, doch soviel ließ sich gegen die örtlichen Widerstände nicht durchsetzen. Besondere Sorgen macht dem Referatsleiter Dahlke derzeit:
"Dass sich eine ganze Gemeinde verweigert, eine Zuführung, die als einzige infrage kommt für die Erdstofftransporte, uns zur Verfügung zu stellen. Wegen der Belästigung, die damit verbunden ist."
Das Projekt Lenzen, das vor zwölf Jahren begonnen wurde, ist einmalig in Deutschland. Dort wird, von Menschenhand, eine neue Landschaft entstehen - "wiederentstehen" muss man sagen - ein Auwald, wie es ihn früher entlang der Elbe fast überall gab.
Als gezielt geplantes Überflutungsgebiet ist es Antwort auf das große Hochwasser, dass die Elbe 2002 zu einem reißenden Strom machte. Damals schwollen nach starken Regenfällen die Elbe und ihre Zuflüsse so sehr an, dass große Teile Mittel- und Ostdeutschlands unter Wasser gesetzt wurden. Deiche brachen. Häuser, Fabriken, Straßen und Bahnanlagen standen unter Wasser, weil Bauherren und Eigentümer zu nah am Fluss gebaut hatten. Allein in Sachsen wurden über 25.000 Wohngebäude zerstört, 50.000 Menschen mussten evakuiert werden.
Klimaforscher sagten damals voraus, dass derartige Extremhochwasser künftig häufiger auftreten würden. Und tatsächlich: Bereits im April 2006 kletterten die Pegel der Elbe wieder über jedes Normalmaß. Während es diesmal Städte im Mittellauf wie Hitzacker besonders heftig traf, fielen die Überschwemmungen an der Oberelbe, in Tschechien und in Sachsen vergleichsweise gering aus. Martin Socher, Referatsleiter für Wasserbau und Hochwasserschutz im sächsischen Umweltministerium, sieht darin eine Bestätigung der inzwischen eingeleiteten Hochwassermaßnahmen:
"Bei diesem Frühjahrshochwasser 2006 wurde die Talsperrenkaskade in der Moldau oberhalb von Prag so gesteuert, dass sich die Schäden auf tschechischem Territorium gering gestalteten. Das hatte zur Folge, dass bei uns die Schäden ebenfalls geringer ausfielen und wir mit relativ konstanten Wasserführungen rechnen konnten und dies alles noch mit einer hervorragenden Kommunikation, verbunden mit Transparenz im Internet, machte dieses Hochwasser für uns beherrschbar und hat auch gezeigt, dass unser System im Grunde genommen zumindest bei solchen mittleren Ereignissen funktioniert."
Doch was ist mit dem Extremhochwasser. Nach der Jahrhundertflut von 2002 reagierte die Bundesregierung umgehend. Sie erstellte - zusammen mit den Länderministern - ein Fünf-Punkte-Programm zur Verbesserung des Hochwasserschutzes, erließ 2005 ein Hochwasserschutzgesetz und beauftragte die "Internationale Kommission zum Schutze der Elbe" - kurz IKSE - in Magdeburg, einen Aktionsplan auszuarbeiten. Zwei Punkte standen im Vordergrund: Erstens die Ausarbeitung eines nationalen Plans zum Hochwasserschutz. Zweitens: Die Schaffung von neuen Überflutungsflächen für die Elbe, unter dem Motto: "Gebt der Elbe einen Teil des Raumes zurück, den der Mensch ihr genommen hat." Das waren in den letzten Jahrzehnten immerhin 80 Prozent. Heute, vier Jahre danach, falle die Bilanz dürftig aus, sagt Peter Neuschulz, der bei der "Deutschen Umwelthilfe", einer Dachorganisation von Umweltverbänden, für den Naturschutz zuständig ist:
"Projekte, die wirklich neue Überflutungsflächen geschaffen haben, sind letztendlich im Promillebereich umgesetzt worden. Es sind so wenige Vorhaben, dass sie eigentlich gar nicht der Rede wert sind. Und wir sehen leider derzeit wieder nach diesem Hochwasser, dass man wieder dabei geht, nach dem Hochwasser sofort zu schreien: Jetzt müssen wir ganz viel Geld haben, um neue Deiche zu bauen. Das heißt aber immer wieder, dass die Deiche auf der alten Linie dann wieder erhöht und verbreitert werden, ohne dass man irgendetwas Neues an Retentionsflächen schafft."
In ihrem 2003 vorgestellten Aktionsplan hatte die "Internationale Kommission" IKSE, in der Bund, Länder und Anrainerstaaten vertreten sind, neu zu schaffende, mögliche Retentionsflächen aufgelistet, immerhin 31 Vorhaben mit einer Gesamtfläche von 11.555 Hektar. Doch das meiste wird Makulatur bleiben.
Selbst dort, wo Vorplanungen schon weit gediehen sind, weicht die lokale Politik offenbar vor den Widerständen von Anwohnern und Betroffenen, wie etwa Landwirten, zurück. Beispiel Niedersachsen. Dort könnte, so hat es die IKSE 2003 vorgeschlagen, der Deich bei Bleckede zurückverlegt und somit eine Überschwemmungsfläche von 100 ha geschaffen werden. Neuschulz:
"Niedersachsen glänzt hier in besonderer Weise. Da gab es verschiedene kleinere Vorhaben. Auch im Bereich Schnackenburg zum Beispiel, das ist eine Deichnase, die zurückverlegt werden sollte. Oder im Raum Bleckede, wo man sogar Flächen erworben hat, es dann leider nicht wirklich vollzogen hat. Da gab es viele kleinere Vorhaben, wo man letztendlich immer wieder damit operiert hat, dass man gesagt hat, das bringt ja hier an der Stelle kaum etwas. Und wir sagen, dass ist ein völlig falscher Ansatz, wir müssen wegkommen von dem: "Das bringt nichts". Sondern wir müssen dahin gehen, dass wir sagen, alles bringt etwas. Und es geht nicht nur um die Neuschaffung von neuen Überflutungsflächen, sondern es können oft auch solche Einschnürungen und Einengungen, die man beseitigen sollte - und die dann den Hochwasserabfluss besser ermöglichen."
Der zuständige Umweltminister Hans Heinrich Sander verteidigt dagegen die Linie seines Hauses. Eine Retentionsfläche in Niedersachsen mache gar keinen Sinn:
"Wir müssen einfach auch feststellen, dass sie in einem Unterlauf eines Flusses nicht mehr die Höhen haben, um dementsprechend die Wasserflächen auszunehmen. Sinnvoll wäre es, wenn wir Retentions- und Polderflächen am Oberlauf der Flüsse schaffen. Das heißt aber auch für das Bundesland Niedersachsen, sich dann an den Kosten zu beteiligen. Aber wir müssen doch dazu übergehen, das Geld, das der Bürger bereitstellt so effektiv wie möglich einzusetzen. Und das ist nun mal der Oberlauf."
Doch nicht nur Niedersachsen hat ein Vorhaben gestoppt. Auch Nachbar Brandenburg sieht keine Möglichkeit, ein zweites Rückdeichungsprojekt - neben dem im Gebiet Lenzen - umzusetzen.
Dabei hätten es Politiker und Behörden in den östlichen Bundesländern noch vergleichsweise einfach. Dort obliegt der Hochwasserschutz staatlichen Organisationen. Ganz anders in Niedersachsen, wo die örtlichen traditionsreichen Deichverbände den Ton angeben würden, sagt Neuschulz, der selbst in Gorleben wohnt:
"Wenn es denn darum geht, an bestimmten Orten den Deich zurückzuverlegen usw., dann muss der Deichverband als Vorhabensträger für den Deichbau natürlich zustimmen. Das macht er nicht. Selbst wenn das Land zum Beispiel sagt, an dieser Stelle wäre es zum Beispiel sinnvoll, kann es sich über das Votum der Deichverbände nicht hinwegsetzen. Vielfach ist es auch so, dass in den Deichverbänden dann wirklich die Landwirte drin sitzen, denen die Flächen selbst gehören."
Neuschulz hat als Leiter der "Biosphärenregion Flusslandschaft Elbe" das Projekt Lenzen maßgeblich mit vorangetrieben. Er weiß aus dieser Zeit, wie schwer vielen Menschen, die mit Deichbau zu tun haben, ein Umdenken fällt:
"Wir merken immer wieder, dass es vor allem den Deichbauern selbst sehr, sehr schwer fällt, solche Wege zu gehen. Es ist nämlich viel einfacher, immer auf der alten Deichtrasse zu arbeiten und dort neue Dinge zu entwickeln. Und es gibt einen weiteren Punkt: Vielfach werden die Finanzmittel nur zeitlich befristet gegeben, das heißt: Der Bund sagt: Ihr kriegt jetzt die Mittel, aber innerhalb von drei, vier Jahren müsst ihr das dann auch verbrauchen. Wenn ich solche neuen Konzepte verfolge, brauche ich mehr Zeit. Das heißt, hier muss der Geldmittelgeber auch sagen, wenn neue Projekte hier initiiert werden, wo neue Überflutungsflächen geschaffen werden, da geben wir einmal mehr Zeit, um die Sache umzusetzen, und vielleicht noch Fördersätze, die noch günstiger sind, so dass ein Anreiz gegeben ist, so etwas zu machen."
Bund und Länder vereinbarten 2002 einen nationalen Plan zum Hochwasserschutz. Auch daraus ist bis heute nichts geworden. Selbst zaghafte Versuche, zwischen einzelnen Bundesländern, zu Staatsverträgen zu kommen, waren bislang kaum von Erfolg gekrönt. Beispiel: Die Havel-Polder unweit der Stadt Havelberg. Während der Jahrhundertflut 2002 öffneten die Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt die Polder und retteten so niedersächsische Flussanrainer vor einer Überflutung. 2006 war alles anders. Die Polder blieben zu, weil die Havel selbst zuviel Wasser führte. Es folgten große Überschwemmungen in Niedersachsen. Das Bundesland protestierte und drängt seitdem auf einen Staatsvertrag. Doch die Verhandlungen seien zäh, räumt Niedersachsens Umweltminister Sander ein:
"Ich habe mich danach schnell bemüht, aber da geht es natürlich auch um eigene Interessen, Landesinteressen. Wenn ich einen Polder auf einem Gebiet in Sachsen-Anhalt habe oder in Brandenburg habe, dann denke ich natürlich zuerst mal an mich und frage dann nicht danach, ob Niedersachsen da auch noch die Möglichkeit bekommt, Einfluss zu nehmen auf die Flutung der Polder. Also, die Zusammenarbeit aller Elbanrainer-Bundesländer ist unbedingt wichtig und muss auch forciert werden. Und ich bin auch der Meinung, dass das eine Frage ist für die Ministerpräsidenten, die dieses mit klären müssen...und wir müssen auch mit den anderen Bundesländern zu einer Vereinbarung kommen."
Eine Stadt, die dringend auf die Flutung der Havel-Polder angewiesen war, ist Hitzacker in Niedersachsen, ein beschauliches Fachwerkstädtchen zwischen Elbe und Jeetzel, wo die Menschen an vielen Tagen im Jahr am Ufer sitzen und den Tag genießen. Im April 2006 stand Hitzacker beispielhaft für die Schwierigkeiten, in Deutschland einen flächenübergreifenden Hochwasserschutz zu organisieren. Im "Alten Zollhaus" sind die dramatischen Tage dokumentiert. Museumsdirektor Klaus Lehmann zeigt auf die Fotos an der Wand:
"Wir haben hier einen Blick vom Weinberg. Das ist denn der beeindruckendste Blick immer, wenn die Elbe ihr Bett so erweitert, dass die Stadt dann mitten in der Elbe steht. Vor allem auch Luftaufnahmen sind doch stark. Hier ist zum Beispiel die Situation bei mir zuhause. Bei mir schwappte 40 Zentimeter das Wasser durch die Wohnung. Zur Tür kam es rein, zur Hintertür wieder raus. Das ist hier mein Wintergarten mit dem unendlichen Blick auf die Elbe."
Die Stadt hat bis heute keinen Schutz. Nach der Überschwemmung von 2002 sollte sie eine feste Flutmauer bekommen. Dagegen haben einzelne Bewohner und anfangs auch der Stadtrat geklagt. Ihr Argument: Das Stadtbild würde leiden, der freie Blick auf die Elbe beeinträchtigt. Sie wollten stattdessen einen mobilen Flutschutz, der nur im Ernstfall aufgebaut würde. Der wäre allerdings so teuer geworden, dass Bund und Land ihn nicht bezahlen wollten. In dem Streit gehe es vor allem um ein kleines Teilstück, sagt Angelika König von der "Stadtinitiative Hitzacker", einer Wählergemeinschaft, die sich vehement für einen alsbaldigen Hochwasserschutz einsetzt:
"Das ist der Knackpunkt. Hier möchte Herr Schneeberg die Mauer lediglich 30 Zentimeter hoch haben. Um die Ecke ist sein Cafe. Das da ist die Straße, die ihm gehört mit der Brücke, dann auch das Fährrecht nach drüben."
Nachdem der Stadtrat seine Klage zurückgezogen hat, sperren sich immer noch einige Privatkläger gegen die eine Flutmauer, vor allem Peter Schneeberg, der sich mittlerweile den Zorn vieler Anwohner zugezogen hat, auch den seiner eigenen Parteikollegen. Er ist CDU-Ratsherr, stellvertretender Bürgermeister und Immobilienunternehmer. Ihm gehören zahlreiche Häuser und Grundstücke in der Stadt, vor allem am Elbufer. Schneeberg möchte sich öffentlich nicht äußern. Auch ein Vermittlungsversuch des niedersächsischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander konnte die Privatkläger nicht umstimmen, mit negativen Folgen für den Hochwasserschutz:
"Nachdem nun die Stadt nicht mehr klagt, können wir in gewisser Weise ausschreiben. Wir haben nur bei den privaten Klägern das Problem, dass wir dort Grundstücke betreten müssen, und das heißt, wir können die Grundstücke erst dann betreten, wenn uns auch die Grundeigentümer die Erlaubnis dazu erteilen. Wenn nicht, müssten wir in ein Enteignungsverfahren hineingehen vor Gericht, und das ist mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden."
Doch es sind nicht nur einzelne Privatpersonen, die Probleme bereiten. Hochwasserschutz ist Ländersache. Für die Elbe und ihre Nebenflüsse bedeutet das: Hier sind 10 Bundesländer zuständig mit zehn unterschiedlichen Landesbehörden. Die Folge ist Kleinstaaterei. Das zeigte erst jüngst ein Alleingang Brandenburgs. Das Bundesland entschied, seine Deiche einseitig um 70 Zentimeter zu erhöhen. Ein Schritt, der die Nachbarn, nicht nur in Niedersachsen, verärgert.
Hintergrund des Streits: Die Länder haben ganz unterschiedliche Festlegungen beim "Bemessungshochwasser", also der angenommenen Fluthöhe, an der die Hochwasserverteidigung auszurichten ist. Doch nicht nur das. Sie haben auch verschiedene Wasser- und Katastrophenpläne. Bernd Lindow, Sachbereichsleiter "Natur- und Gewässerschutz beim Landkreis Prignitz", kennt die Probleme. Wenn der Brandenburger mit dem Auto unterwegs ist, erreicht er im Nu die Landesgrenzen von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, die in seinem Gebiet zusammen stoßen. Wenn die Flut kommt, reagierten alle Länder anders:
"Durch die Länderzuständigkeit ergeben sich unterschiedliche Ländergesetzgebungen, so dass es in der Vergangenheit Erscheinungen gab, dass in Sachsen-Anhalt die Deichwachen aufgezogen sind und die in Brandenburg noch nicht. Dass also am linken und am rechten Elbufer unterschiedliche Herangehensweisen zum Beispiel bei der Verteidigung zu verzeichnen sind."
In Brandenburg und Sachsen-Anhalt gibt es zwar festgelegte Alarmstufen, doch die Zuständigkeiten differieren. In Niedersachsen ist es wieder ganz anders. Dort entscheiden die Deichverbände vor Ort. Bei der Flut von 2006 riefen die Niedersachsen in Brandenburg an und mussten zu ihrer Überraschung feststellen, dass die weit besser informierten Nachbarn auf der anderen Seite des Flusses schon allerlei Vorkehrungen getroffen hatten, während sie selbst noch in dem Irrglauben befangen waren, es werde so schlimm nicht werden.
Hinhaltender Widerstand gegen Rückdeichungen, Alleingänge in der Frage der Deichhöhen, länderspezifische Regelungen im Katastrophenschutz - all dies veranlasst Wissenschaftler und Naturschützer spätestens nach der Elbeflut von 2002, in Sachen Hochwasserschutz eine stärkere Kompetenz des Bundes zu fordern. Zumal, so Naturschützer Neuschulz, der Bund in den allermeisten Fällen ja auch das Geld gebe:
"Nach dem Augusthochwasser 2002 ist ein Sonderfond vom Bund aufgelegt worden, der zum Ziel hatte, zunächst einmal die akuten Schäden zu beseitigen und auszugleichen. Zum anderen aber auch das Ziel hatte, den Hochwasserschutz neu zu konzipieren und zu bauen. Und hier sind erhebliche Milliarden in den Hochwasserschutz gegangen. Und wenn man die Zuwendungsvoraussetzungen sich einmal genau anschaut, dann steht dort eigentlich überwiegend Richtiges: nämlich dass diese Gelder selbstverständlich vorrangig für die Neuschaffung von Retentionsflächen angelegt werden sollten. Das Unangenehme ist nur, dass, wenn man vor Ort schaut, wo die Mittel eingesetzt worden sind, dies einfach nicht der Fall war. Es sind einfach die alten Deiche wieder aufgebaut worden. Und man hat hier die Zuwendungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Es scheint aber auch von Seiten des Bundes an einer Kontrolle zu fehlen, dass solche Missstände dann auch wirklich verfolgt werden."
Daran wird sich wohl auch künftig wenig ändern. Mit der jüngsten Föderalismusreform werden im Bereich Hochwasserschutz die Rechte der Länder noch ausgeweitet. Zwar darf der Bund weiterhin Gesetze erlassen, doch bekommen die Länder künftig ein so genanntes Abweichungsrecht, können also ablehnen, was ihnen nicht gefällt. Eine gemeinsame Anstrengung, ein nationaler Plan gegen das Elbehochwasser sieht anders aus.