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Vier Wochen vor der bayerischen Landtagswahl
Warum die CSU nervös sein muss

Derzeit sinkt die Zustimmung für die CSU mit jeder Umfrage. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der Zuspitzung rund um die Flüchtlingsfrage oder der Fehde zwischen Ministerpräsident Markus Söder und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Die Partei hat auch kaum Antworten auf das Bröckeln ihrer Stammwählerschaft.

Von Barbara Roth und Michael Watzke |
    Wahlplakate der CSU mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in München vor der CSU Landesleitung am 10.09.2018.
    Wahlplakate der CSU mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in München vor der CSU Landesleitung am 10.09.2018. (dpa / picture alliance / Sven Simon)
    Vor der Stadthalle in Germering bei München zündet sich ein CSU-Veteran eine Zigarette an.
    "Mein Name ist Hans Schreyegg, ich bin Delegierter aus Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz."
    Der erfahrene Kommunalpolitiker Schreyegg ist seit seiner Jugend in der CSU. Der 73-Jährige hat viel erlebt mit den Christsozialen, Höhen und Tiefen. Aber solche Umfragewerte wie derzeit hatten sie noch nie.
    "Ich glaube, momentan liegen wir bei 38 Prozent so ungefähr. Ein nochmaliger Absturz unter das jetzige Niveau wäre schon dramatisch."
    Zu diesem Zeitpunkt weiß Schreyegg noch nicht, dass zuletzt der Bayerntrend, den das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap für den Bayerischen Rundfunk erhebt, die CSU bei nur noch 35 Prozent der Stimmen sieht. Ein unvorstellbarer Sinkflug, den Schreyegg nicht begreift. Die Stimmung in Bayern, glaubt er, sei längst nicht so schlecht wie die Umfragewerte der CSU.
    "Nein, passt überhaupt nicht. Und es ist deprimierend, wenn man sich die zwei großen Parteien anschaut, CSU und SPD. Das ist für die Zukunft keine gute Sache, wenn sich das Parteienspektrum so verbröselt wie jetzt. Und wenn so unberechenbare Gruppierungen wie AfD und sonstige auftreten."
    Schreyegg nimmt an der Landesversammlung der Senioren-Union teil. 300 altgediente CSU-ler aus ganz Bayern diskutieren, wie ihre Partei in den noch verbleibenden vier Wochen bis zur Wahl am 14. Oktober das Ruder herumreißen kann. Die meisten plädieren dafür, die Demoskopen zu ignorieren.

    Auch Ministerpräsident Markus Söder, der Hauptredner bei der Landesversammlung der Senioren-Union, stößt in dieses Horn.
    "Wir erleben Wahl für Wahl ein völliges Demoskopie-Desaster. Nahezu keine Wahl des vergangenen Jahres hat annähernd das Ergebnis gebracht, was vorher prognostiziert wurde."
    Markus Söder von der CSU
    Markus Söder: Für ihn steht alles auf dem Spiel. (dpa / picture-alliance / Peter Kneffel)
    Für Söder steht alles auf dem Spiel
    Für Söder steht alles auf dem Spiel. Sollte die CSU bei der Landtagswahl tatsächlich nur 35 Prozent der Stimmen erreichen, könnte der forsche Franke bald wieder mehr Zeit daheim in Nürnberg verbringen. Zwar stellte sich CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer vor zwei Wochen demonstrativ hinter den Spitzenkandidaten ...
    "Markus Söder wird ganz sicher von uns gestützt werden!"
    Aber allein die Tatsache, dass Söder diesen Treueschwur braucht, sagt viel aus. Und Fraktionschef Kreuzer gab sein Versprechen bei Umfragewerten um 40 Prozent – in der Hoffnung...

    "…dass wir nicht nur 40 Prozent, sondern auch noch mehr erreichen können."
    Inzwischen wird vielen Landtagskandidaten der CSU mulmig. Vor allem denen, die keinen Direkt-Wahlkreis haben, sondern versuchen über die CSU-Liste den Sprung ins Parlament zu schaffen. Sogar Parteigrößen wie Barbara Stamm müssen um ihren Wiedereinzug bangen – dabei thront die Landtagspräsidentin in ihrer Heimat Unterfranken auf Listenplatz 1 der CSU. Thomas Goppel, mit 71 Jahren ein Urgestein der Christsozialen, hat auf Listenplatz 12 nur noch Außenseiterchancen. Mit Wehmut erinnert sich der Sohn des legendären Ministerpräsidenten Alfons Goppel an seine eigene Zeit als CSU-Generalsekretär. Unter Edmund Stoiber holte Goppel bei der Europawahl 1999 satte 64 Prozent – CSU-Rekord. Was lief damals besser?
    "Sie kennen den Slogan "Näher am Menschen" von Stoiber und mir. Den hat zwar der Seehofer – nach meinem Begriff völlig unnötig – aufgegeben. Aber dieses "Näher am Menschen" war’s. Es geht nicht, dass Randgruppen wichtiger genommen werden als der Normalfall. Ich glaube, wir haben in den letzten zwei, drei Jahren nur über Randgruppen geredet, dank Grün und Rot. In Wirklichkeit müssen wir uns um die Familie mit zwei Kindern kümmern. Um die Tochter, die die Eltern pflegt. Um diejenigen, die den Normalfall des Alltags darstellen. Deswegen möchte ich gerne mit denen reden."
    Söder und Seehofer müssten miteinander reden
    Reden müssen auch Seehofer und Söder – miteinander. Der CSU-Parteichef steht als Bundesinnenminister massiv unter Druck. Wegen seines Festhaltens am umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen steht die Große Koalition in Berlin auf dem Spiel.
    "Schauen Sie, in dieser Woche haben wir einen doppelten Doppelpass. Wir beginnen diese Woche gemeinsam – wir haben auch im Vorstand gemeinsam gesprochen. Und wir werden den zweiten Doppelpass diese Woche auf dem Parteitag haben."
    Bei diesem CSU-Parteitag am Samstag in München wollen Parteichef und Ministerpräsident gemeinsam in die Kameras lächeln. Doch wie ein Herz und eine Seele wirken die beiden nicht. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz in der CSU-Zentrale Anfang der Woche scheint eine unsichtbare Trennwand zwischen dem alten und dem neuen Ministerpräsidenten zu stehen. Dabei bräuchte die CSU innerparteilich dringend Harmonie, sagt Klaus Schreyegg von der Senioren-Union.
    "Ich schätze den Seehofer sehr hoch ein. Er hat für Bayern unheimlich viel geleistet. Aber im Ton und in der Form, in der Art und Weise liegt er nicht immer richtig. Er hat von den Argumenten her oft die Richtigkeit auf seiner Seite, aber das wird dadurch zerstört, wie er es vorbringt."
    Seehofer kennt die Kritik. Auch im CSU-Vorstand haben einige sie intern geäußert. Immerhin: Der frühere Ministerpräsident adressiert seinen Nachfolger jetzt schon mal mit ...
    "Lieber Markus ..."
    Söder ermuntert den "lieben Horst" freundlich, aber deutlich zu noch mehr Einsatz im Wahlkampf.
    "Horst, bei der letzten Landtagswahl 2013 bei Dir oder bei Edmund Stoiber 1994 hat ein solcher Einsatz was gebracht. Warum? Weil man die Menschen damit begeistern kann. Und ihnen zeigen kann, dass man den Willen hat, Verantwortung zu übernehmen."
    Im August hatte Söder seine schlechten Umfrage-Ergebnisse als "Berliner Werte" bezeichnet – und damit Horst Seehofer die Schuld zugeschoben. Bei der Landesversammlung der Senioren-Union stichelt Söder erneut: Er habe zu wenig Zeit gehabt, die Bevölkerung von seinen Qualitäten als Ministerpräsident zu überzeugen.
    "Ich bin jetzt ein knappes halbes Jahr im Amt. Wie Sie wissen, hätte ich auch gern früher, ähm… Aber es ist wie es ist." Im Publikum, an der CSU-Basis, fragen sich inzwischen manche im Stillen, ob Söder die richtige Kandidatenwahl war.
    Und Seehofer? Ist das ungeschickte, bisweilen erratische Verhalten des Bundesinnenministers in Berlin ein Versehen? Oder sabotiert da ein verbitterter Ex-Ministerpräsident seinen Nachfolger?
    "Das würde ich jetzt nicht hoffen, das Gefühl habe ich nicht. Ich denke, dass er manchmal einfach zu impulsiv ist. Er sollte sich da jedes Wort, das er sagt und wie er es sagt – genauer überlegen! Intern kann man streiten, dass die Fetzen fliegen. Aber nach außen sollte das nicht in Erscheinung treten."
    2013: Wahl mit Plakaten von Angela Merkel
    Rückblende, das Wahljahr 2013. Die Bayern wählten erst ihren Landtag, eine Woche später den Bundestag. Der Freistaat war in jenem Herbst mit Merkel-Plakaten übersäht, denn ihre Zustimmungswerte waren hoch. Und auch Horst Seehofer hat damals vom Kanzlerbonus von Angela Merkel profitiert. Es war das erste Mal, dass ein CDU-Kanzler einem CSU-Ministerpräsidenten zum Wahlerfolg verhalf. Seehofers CSU schaffte es auf 47,7 Prozent der Stimmen. Bei der Bundestagswahl eine Woche später legt seine Partei im Wahlergebnis sogar noch einmal zu. Was völlig ungewöhnlich war, denn jahrzehntelang schnitt die CSU bei Landtagswahlen immer besser ab.
    Koalition Bundesregierung Deutschland
    CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommen ins Willy-Brandt-Haus zu den Koalitionsverhandlungen mit der SPD, 2013 (dpa / Kay Nietfeld)
    Doch von all dem will die CSU-Spitze heute nichts mehr wissen. Im bayerischen Landtagswahlkampf ist Angela Merkel jetzt eine unerwünschte Person. Denn das für CSU-Verhältnisse mit 38,8 Prozent der Stimmen miserable Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 wird in München ausschließlich der Flüchtlingskanzlerin angelastet. Die eigenen Fehler dagegen sieht die CSU nicht, sagt der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Und schlimmer noch, sie will sie nicht sehen:
    "Es ist die fehlende Glaubwürdigkeit. Und ich würde auch sagen, die fehlende Durchsetzungskraft. Die Wählerschaft in Bayern hat es ihr nicht abgenommen, dass sie eineinhalb Jahre lang Angela Merkel bekämpft und dann aus opportunistischen Wahlkampfmotiven ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl sich mit Merkel wieder unterhakt und ihr Loyalität schwört. Das hat bei vielen Wählern dazu geführt, zu sagen, die CSU ist nicht mehr verlässlich."

    Auch die Strategie der CSU, mit einem strammen Anti-Flüchtlingskurs AfD-Wähler zu bedienen, hält Oberreuter für gescheitert – denn damit habe man nur die liberaleren Wähler in der Mitte verprellt. Und nicht nur er denkt so. Auch der Münchner Parteienforscher Werner Weidenfeld kann über Seehofers Machtkampf mit Angela Merkel Mitte Juli nur den Kopf schütteln.
    "Ich habe damals gesagt an dem Tag des Amtswechsels: Da ist für die CSU nur eine Chance, wenn die jetzt keinerlei Konflikte mehr haben. Nur in großer Harmonie Führungsleistung erbringen. Was war? Konflikte mit ein paar anderen Konturen, Seehofer gegen Merkel und so weiter, gingen einfach weiter. Das war ja nicht ein Beenden dieser Maläse, sondern es ging weiter mit ein paar anderen Akzenten. Und das vergisst der Wähler nicht."
    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter.
    Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Streit um die Asylpolitik lähmt den Wahlkampf
    Der Streit um die Asylpolitik liegt wie Mehltau auf den Wahlkämpfern der CSU: Wie umgehen mit den Leuten, die auf Angela Merkel zu sprechen kommen? Egal, ob sie über die Kanzlerin schimpfen oder zu ihr stehen. In der Flüchtlingsfrage geht der Riss quer durch Familien, Stammtische, das Land, selbst die Partei – kein Wunder, dass vor allem AfD und Grüne in den Umfragen zulegen. Christian Stückl, Intendant des Volkstheaters in München, wirft den Christsozialen populistische Stimmungsmache vor.
    "Bei uns zum Beispiel im Dorf, wir haben 5.000 Einwohner, wir haben seit drei Jahren 100 Flüchtlinge. Es ist nie etwas passiert, aber es wird Stimmung gemacht. Getrieben von der Angst, dass sie an die AfD Stimmen verlieren, nehmen sie einfach nur deren Parolen auf. Nur immer das eine Thema. Unsere CSU-ler laufen gerade ständig irgendwas hinterher, aber haben keine Empathie und keine Kraft für eigene Ideen. Und ich glaube, das ist nicht das, was die Leute wollen. Die Leute wollen das Gefühl haben, dass sich die Politik mit anderen Dingen beschäftigt als mit der Flüchtlingssituation. Da kommt nichts, da kommt im Augenblick überhaupt nichts. Sie haben irgendwie den Kontakt zur Bevölkerung ein bisschen verloren."
    Boomende Wirtschaft, niedrigste Arbeitslosigkeit, geringste Schuldenlast und Kriminalität – Bayern geht es gut. Und doch kommt für die CSU keine Begeisterung mehr auf. Stattdessen geht es mit jeder Umfrage zur Wahl am 14. Oktober noch eine Stufe tiefer für die Christsozialen. Ein Teil der Gründe dafür ist hausgemacht, erläutert Parteienforscher Weidenfeld.
    "Die CSU führt seit einigen Jahren einen dramatischen Führungskampf auf. Die Frage, wer wird Ministerpräsident nach Seehofer, Söder kämpfte ... Also ein querulatorisches Markenprofil hat sich die CSU-Führung erarbeitet. Und das ist unbeliebt, so etwas mag der Wähler nicht, also geht da die Zustimmung runter. Das wird unterfüttert durch ein zweites Phänomen, nämlich sie haben kein Zukunftsstrategie als Angebot. Die Menschen wollen wissen, wo diese Gesellschaft in einigen Jahren stehen wird, was aus ihnen wird. Und sie bekommen keine Antwort. Das ist ein Deutungsdefizit."
    Stammwählerschaft der CSU bröckelt
    Für die bayerische Regionalpartei steht viel auf dem Spiel: Ihr Status als letzte verbliebene Volkspartei, der Nimbus der Alleinregierung, ihr bundespolitisches Gewicht, das die absolute Mehrheit in Bayern ihr über die Jahrzehnte gegeben hat. Hinzu kommt die Krise der Volksparteien, die nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Oberreuter die CSU nun mit voller Wucht trifft. Eine Partei, die jahrzehntelang mit Wahlergebnissen von weit über 40, über 50, zweimal in ihrer Geschichte sogar mit über 60 Prozent der Stimmen glänzen konnte.
    "Die Stammwählerschaft der CSU bröckelt. Der Freistaat Bayern verändert sich soziologisch und er verändert sich auch in der Bevölkerungsstruktur. Also sehr viele Zugewanderte sind ja mittlerweile in Bayern. Es ist, glaube ich, eins bis 1,5 Millionen Wählerbewegungen, die jährlich da stattfinden. Und die bringen ihre Werteoptionen und Lebenseinstellungen aus Mecklenburg-Vorpommern oder aus Westfalen mit. Und das ist keineswegs so, dass die schnurstracks im Lager der CSU landen."

    In München ist fast jeder zweite Wahlberechtigte ein Zugezogener. Die Bevölkerung im Freistaat wächst stetig. Und trotzdem überaltert die Partei, jedes Jahr verliert sie Mitglieder. In den letzten Monaten viele wegen ihres Asylkurses. Ende 2017 hatte die CSU noch exakt 140.983 Mitglieder, gut ein Fünftel weniger als 15 Jahre zuvor. Ende 2003 – das war das Jahr, in dem Edmund Stoiber die Zweidrittelmehrheit holte - zählte seine Partei noch fast 177.00 Mitglieder. Doch bereits dieser sensationelle Wahlerfolg hatte einen bitteren Beigeschmack: Stoibers CSU kam damals zwar auf 60,7 Prozent. Fakt aber ist: Weil die Wahlbeteiligung damals schlecht war, ist der Prozentanteil der CSU gestiegen, obwohl die absolute Zahl der Stimmen zurückgegangen war. Ein Blick in die Wahlstatistik zeigt nämlich, dass die CSU gegenüber der Landtagswahl fünf Jahre zuvor über 200.000 Stimmen verloren hatte:
    "Zwei Drittel der Sitze, das ist schon was. Aber wenn damit 100.000 von Stimmenverluste einhergehen, da müsste man mal nachdenklich werden. Dann gab es dieses berühmte Wahlergebnis unter der Verantwortung von Beckstein und Huber, wo 13,7 Prozent von einem zum anderen Wahltermin verschwunden sind. Das hätte man nicht nur personalisieren dürfen. Sondern das wäre die Chance gewesen, sich mal intensiv und sozialforscherisch mit dieser Problematik auseinanderzusetzen."
    Ein Versäumnis, das sich heute rächt. Parteichef Seehofer, erzählt Oberreuter, habe von seinen Thesen der Individualisierung der Wählerschaft, der Pluralisierung der Interessen – was vor allem bereits die SPD zu spüren bekam - zehn Jahre lang nichts wissen wollen. Dabei warnt auch der Parteienforscher Werner Weidenfeld seit Langem davor, dass es den Stammwähler der CSU nicht mehr gibt.
    "Ein aufgeklärter, ländlicher Bürger wird bei der Landtagswahl Grüne wählen. Weil die Grünen nicht mehr diese revolutionäre Aufbruchspartei sind, sondern sie sind eine freundliche, bürgerliche Partei geworden, die aber mit Zuversicht und mit Strahlen in die Zukunft blickt und gleichzeitig vermittelt, dass man die Natur bewahren muss und dass das Klima stimmen muss. Und damit erreichen sie die Herzen der Landbevölkerung."
    Der Politologe Werner Weidenfeld
    Der Politologe Werner Weidenfeld (picture-alliance / dpa/Erwin Elsner)
    CSU bleibt Antworten schuldig
    Konservativ, ländlich, katholisch, stolz und traditionsbewusst – diese bürgerliche Wählerklientel müssen sich die Christsozialen mittlerweile teilen. Mit den Freien Wähler, der AfD und sogar mit Bündnis 90/Die Grünen. Diese Wähler würden sich in einer globalisierten, digitalisierten, für sie immer konfuser werdenden Welt nach Orientierung sehnen, sagt Weidenfeld. Der CSU jedoch bleibt Antworten schuldig, ihr fehlt eine Idee, ein Zukunftsnarrativ, wie er es nennt. Laptop und Lederhose – seit 20 Jahren der Slogan für Bayern, sei ein Beispiel dafür:
    "Das war damals so ein Angebot. Und das war damals Teil des Erfolges von Stoiber: Dass die Gesellschaft sehr traditionsverbunden ist und diese Tradition auch pflegt und auch stolz darauf ist, sich darin wohlfühlt. Und auf der anderen Seite aber diesen großen Aufbruch, den Technologieschub, alles mitmacht und sich dadurch an die Spitze setzt."
    Zu spät für die Wahl in vier Wochen. Die wird für die CSU ein Drama werden. Die absolute Mehrheit wird sie verlieren. Auch Christian Stückl ist sich da sicher. Der Intendant des Münchner Volkstheaters nahm Mitte Juli in München an der Demonstration "Ausgehetzt" teil. Als Privatperson, wie er betont. Denn die CSU fand es nicht lustig, dass mit Steuergelder bezahlte Kulturschaffende gegen eine – wie es hieß - verantwortungslose Politik der Spaltung protestierten. Das aufgeklärte Bürgertum habe sich gegen Seehofer und Söder erhoben, erzählt Stückl, doch diese Stimmung sei verpufft.
    "Ich war selbst auf dem Königsplatz. Ich schätze schon, dass da über 40.000 Menschen waren. Ich glaube, man müsste weitermachen, man müsste viel stärker auf die Straße gehen gegen alles, was da gerade passiert."
    Und deshalb gibt er sich damit zufrieden, dass die CSU zum zweiten Mal in ihrer Geschichte auf einen Koalitionspartner angewiesen sein dürfte. Für die erfolgsverwöhnten Christsozialen ist das bereits die größtmögliche Niederlage.
    "Sie können es nicht alleine machen. Und das ist, glaube ich, auch die richtige Art, wie man im Augenblick Politik macht, dass man sie gemeinsam macht."
    Vor der Stadthalle in Germering, bei der Landesversammlung der Senioren-Union, zieht Klaus Schreyegg ratlos an seiner Zigarette. Er will nicht zu pessimistisch klingen. Gerade erst hat er die Rede von Markus Söder gehört. Zwar sind die Beliebtheitswerte des CSU-Spitzenkandidaten so niedrig wie noch bei keinem bayerischen Ministerpräsidenten zuvor. Doch Söder strömt sogar im tiefsten Umfrageloch Optimismus aus – was soll er auch sonst tun:
    "Ist auch gut so. Pessimisten haben wir genügend in der Welt. Er wird bestimmt Sorgen haben, aber die muss man ja nicht unbedingt zeigen."