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Vierschanzentournee der Frauen
Austragungsorte stehen noch nicht fest

Zum 70. Mal jährte sich 2021 die Vierschanzentournee - das Highlight jedes Skispringers. Nun haben die Skiverbände Deutschlands und Österreichs bekannt gegeben, dass es eine solche Tournee ab dem Winter 2023/24 auch für Frauen geben soll. Allerdings scheint es dabei ziemlich große Unterschiede zu geben.

Von Olivia Gerstenberger |
Katharina Althaus auf der Schanze in Oberstdorf, im Hintergrund die Berge
Die deutsche Top-Skispringerin Katharina Althaus hätte bei einer Vierschanzentournee in Oberstdorf Heimspiel (picture alliance/dpa | Daniel Karmann)
"Grundtendenz: Ultra-positiv. Schön, dass es jetzt auf den Weg gekommen ist. Wir haben jahrelang dafür gekämpft. Und jetzt gibt's halt noch viele, viele Fragen zu klären. Momentan sind wir schon mal froh, dass es weiterläuft." Peter Kruijer ist sichtlich erleichtert. Mit einer gewissen Sturheit habe man das Thema immer wieder angeschoben und nun endlich einen Durchbruch erreicht. Denn wenn es nach dem Präsidenten der Vierschanzentournee gegangen wäre, hätte ein Frauen-Springen schon Ende dieses Jahres stattgefunden.
Die deutschen Tourneestandorte seien sich schon lange einig gewesen. Nur die Verbände hätten gezögert. Nun habe man noch ein Jahr mehr Zeit, in dem man die logistischen Fragen klären könne, zum Beispiel um Sponsoren und Prämien. "Richtig, genau: Wo kommt das Geld her?"

Frauen in Oberstdorf, Männer in Partenkirchen

Wie man das vor Ort jeweils schaffe, ein Herren- und Damenturnier quasi gleichzeitig zu organisieren, mit Schanzenpräparierung, Hotel-Kapazitäten, TV-Übertragungsmöglichkeiten - dafür gibt es bei den beiden Austragungsorten in Deutschland, Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen, bereits ein Konzept, so Kruijer: "Wir machen es zeitversetzt. Während die Damen in Oberstdorf springen, springen die Herren in Partenkirchen und umgedreht und in den österreichischen Partnerorten dann genauso. Dadurch haben wir das etwas entzerrt bekommen."
Fragt man allerdings in Österreich nach, bekommt man eine deutlich andere Antwort: Es scheint überhaupt noch nicht klar zu sein, wo die Springen stattfinden werden, so ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher: "Deutschland hat sich ja schon ganz klar deklariert mit Garmisch anzufangen. Dann weitergehen nach Oberstdorf. Wir prüfen noch, an welchen Orten das schlussendlich in Österreich stattfindet." Also scheint es durchaus möglich zu sein, dass die beiden Frauen-Springen nicht in Innsbruck und Bischofshofen ausgetragen werden, wie traditionell bei den Männern.

ÖSV-Sportdirektor: Begriff "Vierschanzentournee" ist geschützt

Stecher begründet das unter anderem mit einer fehlenden Flutlichtanlage in Innsbruck, was wegen der möglicherweise späteren TV-Übertragung kontraproduktiv sei. Der Skiclub Bergisel in Innsbruck hat jedenfalls laut Dlf-Nachfrage bisher keine Informationen und wartet auf eine Entscheidung des ÖSV. In Bischofshofen geht man indessen davon aus, dass man bei der Frauen-Tournee dabei ist. Manfred Schützenhofer, Präsident des Skiclubs Bischofshofen erkärte gegenüber dem Dlf, die Tournee sei nur die Tournee, wenn Bischofshofen und Innsbruck dabei seien.
Mögliche Alternativen wären zum Beispiel Seefeld und Hinzenbach, wo die kleinste Schanze im Weltcup-Kalender steht. Von einer Frauen-Vierschanzen-Tournee kann man dann allerdings nicht mehr reden. Darf man auch offiziell gar nicht, argumentiert Stecher:
"Ja, es ist natürlich schon eines auch klar festzuhalten: der Begriff Vierschanzentournee ist ein geschützter und den so einfach zu übernehmen für die Damen ist nicht so ohne. Also ich glaube, wir haben uns deklariert dazu, dass wir eine adäquate Tournee mit unterstützen."

Gleichberechtigung beim Skispringen noch nicht erreicht

Das klingt nicht nach der vielumjubelten scheinbaren Gleichberechtigung der Frauen, die einige Experten angesichts der Entscheidung schon ausgerufen hatten. Vor ein paar Monaten hatte bereits ein Frauen-Neujahrs-Springen in Slowenien stattgefunden - ein Kompromiss. Das prestigeträchtige Weltereignis Vierschanzentournee bleibt anscheinend auch einer - und schlussendlich doch den Männern vorbehalten.
Auch bei den Marketing-Agenturen waren die Bedenken groß, so Peter Kruijer: "Verwässern wir das Produkt, das Top-Produkt Herren-Vierschanzentournee dadurch, dass es auch eine Damen-Vierschanzentournee gibt? Wird dadurch die Strahlkraft geringer oder nicht? Wir sind anderer Meinung: Das schönste Beispiel ist immer Biathlon: Darüber redet keiner mehr, ist jetzt Herren-Biathlon oder ein Damen-Biathlon mehr wert?"

Skifliegen auch für Frauen - ab 18 Jahren

Ein wenig Bewegung gibt es schon - auch beim Skifliegen, wenn auch eingeschränkt: Ab kommendem Jahr sollen auch Frauen von den ganz großen Schanzen springen dürfen, auf denen es bis zu 250 Meter weit geht. Allerdings - aus versicherungstechnischen Gründen - erst ab 18 Jahren. Eine endgültige Entscheidung dafür steht allerdings noch aus.
"Diese Rahmenbedingungen sind der Vorsicht geschuldet. Ob das in fünf Jahren immer noch so ist? Wenn ich überlege, dass der vorletzte FIS-Präsident noch gesagt hat: Damen dürfen nicht Skifliegen, weil ihnen bei der Landung der Uterus rausfällt. Da sind wir doch schon ein ganzes Stückchen weiter. Gott sei Dank."

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Beim Thema Preisgeld ist man allerdings noch nicht viel weiter, weder in Deutschland noch in Österreich wird das annähernd gleich sein. Kruijer verweist hier auf die Sponsoren und das bisher noch nicht feststehende Budget, aus dem die Preisgelder ausgeschüttet werden.
ÖSV-Sportdirektor Stecher argumentiert anders: "Natürlich muss man auch da vielleicht nicht aus Augen lassen, dass das Damen-Skispringen auch praktisch noch ein bisschen wachsen muss. Kommt immer auch auf die Fernsehzeit an. Zu welchen Zeiten befinde ich mir einfach im Laufe des Tages? Und wenn man bedenkt, dass Skispringen 70 Jahre benötigt hat, um schlussendlich auf dieses Preisgeld zu kommen, ist es sicherlich alles andere als einfach zu sagen, okay, der Damen-Tournee können wir das gleiche Preisgeld zahlen."
Der Kampf um Gleichberechtigung im Skispringen scheint auch 2022 noch nicht zu Ende zu sein.