Aus chinesischer Sicht ist völlig klar, wer für den Untergang des Fischerbootes am letzten Montag verantwortlich ist: nämlich die vietnamesische Besatzung selbst. Das Schiff habe chinesische Boote provoziert, sagt Außenamtssprecher Qin Gang.
"Der direkte Grund für den Vorfall ist folgendes: Vietnam hat Chinas wiederholte Warnungen und Einlassungen ignoriert und darauf bestanden, Chinas normale Operationen auf See mit Gewalt zu stören und gefährliche Aktionen vorzunehmen."
Aus vietnamesischer Sicht stellt sich das völlig anders da. 40 chinesische Fischerboote hätten das vietnamesische Schiff umzingelt, eines habe dann angegriffen. Ein hochrangiger vietnamesischer Politiker sprach sogar von einem Terrorakt. Einig ist man sich zwischen Peking und Hanoi nur über eines: Das Schiff sank, die Besatzung konnte glücklicherweise gerettet werden. Doch der Vorfall unterstreicht einmal mehr das Konfliktpotenzial im südchinesischen Meer. Seit Jahrzehnten streiten China und Vietnam um die Paracel-Inseln. Ganz in der Nähe liegt seit einigen Wochen die chinesische Ölplattform Haiyang Shiyou 981, an der sich der jüngste Streit über die Seegrenzen entzündet hatte. Die Verankerung der Ölplattform löste gewalttätige antichinesische Proteste in Vietnam aus - stieß aber auch international auf Kritik:
"China kann sich diesmal nicht darauf berufen, es reagiere ja nur auf provokative Aktionen anderer Länder", sagt Christopher Johnson vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington. "Diese Aktion stellt sich als offener Versuch dar, die eigenen Interessen durchzusetzen."
Es geht um wirtschaftliche Interessen: um Öl und reiche Fischgründe und um die Kontrolle wichtiger Handelsrouten. Darüber hinaus geht es um politische Kontrolle, um die Vormachtstellung in der Region: China beansprucht einen Großteil des Gewässers für sich, was weder Vietnam noch die Philippinen oder andere Anrainer-Staaten akzeptieren. Viele sind mit den USA verbündet, der traditionellen Ordnungsmacht im asiatisch-pazifischen Raum, die sich neuerdings wieder stärker in der Region engagiert. Das führt zu einem Machtgerangel mit China, das seit seinem Aufstieg zu einer wirtschaftlichen Großmacht sehr viel selbstbewusster auftritt und versucht seine Spielräume auszuweiten. Die Rivalität der Großmächte heizt auch die Spannungen mit den Anrainer-Staaten an und führt immer wieder zu Konflikten wie jetzt zwischen China und Vietnam. Der Ausgang dieses Konflikts sei offen, sagt Cheng Xiaohe von der Volksuniversität Peking.
"Ich erwarte zwar von beiden Seiten, dass sie sich jetzt eher zurückhaltend verhalten. Aber einen militärischen Konflikt kann man nicht ausschließen."
Allerdings gibt es zwischen Vietnam und China deutlich mehr Kommunikationskanäle als zwischen Peking und seinem anderen Kontrahenten in Ostasien, nämlich Tokio. Trotzdem sieht Christopher Johnson - wie im Konflikt zwischen Japan und China im ostchinesischen Meer - die Gefahr einer zufälligen Eskalation. Schon wegen der vielen Fischer- und Küstenwachen-Boote in den umstrittenen Gewässern sei die Lage brisant:
"Das Problem ist doch, jedes Mal wenn man viel Zeug in einem relativ kleinen Gebiet hat, und wenn die Emotionen auf beiden Seiten so angeheizt sind, wird es gefährlich."
Der Untergang des vietnamesischen Fischerbootes ist daher eine weitere Warnung, dass in Ostasien das Gerangel um Einfluss und Vorherrschaft noch lange nicht ausgefochten ist - und die heiße Phase vielleicht erst noch bevorsteht.